Pro Wildlife Bericht zeigt Ausmaß und Grausamkeit der Delfinjagd
Die meisten Leute denken beim Stichwort Delfinjagd an die blutigen Bilder aus der Bucht des japanischen Fischerstädtchens Taiji oder an die nordeuropäischen Färöer-Inseln. Doch die beiden sind bei weitem nicht die schlimmsten Delfinjäger, wie der neue Bericht von Pro Wildlife (hier zum pdf) zeigt:
Gemeinsam mit den Organisationen Animal Welfare Institute und Whale and Dolphin Conservation hat Pro Wildlife im Sommer 2018 den Bericht „Small cetaceans, big problems“ veröffentlicht, zu Deutsch „Kleine Meeressäuger, große Probleme“. Der Bericht zeigt das fatale Ausmaß der weltweiten Jagd auf Delfine und Kleinwale, die im Gegensatz zu den Großwalen nicht durch das kommerzielle Moratorium der Internationalen Walfangkommission geschützt sind. Im Gegenteil: Delfine und Kleinwale sind bis heute in vielen Ländern vogelfrei – auf internationaler Ebene gibt es nur einen lückenhaften Flickenteppich aus Schutzbestimmungen.
Für unseren Report haben wir mehr als 300 wissenschaftliche Studien, Augenzeugen- und Zeitungsberichte ausgewertet – eine Bibliothek des Grauens: Insgesamt schätzen wir die Zahl weltweit auf circa 100.000 gejagter Delfine und Kleinwale pro Jahr. Nicht nur liegt die Gesamtzahl damit noch höher, als wir zu Anfang unserer Recherchen dachten – auch die Vielzahl Länder, in denen bis heute die kleinen Meeressäuger erbarmungslos getötet werden, ist erschreckend. Die Top 10 der größten Delfinjäger sind:
- Peru: bis zu 15.000 Tiere/Jahr (v.a. Köder für die Haifischerei)
- Nigeria: circa 10.000 Tiere (kommerzialisierter Beifang)
- Brasilien: mehrere tausend Tiere (v.a. als Köder für Fischerei)
- Venezuela: mehrere tausend Tiere (für Fleischmarkt und als Fischerei-Köder)
- Madagaskar: mehrere tausend Tiere (für Fleischmarkt und als Fischerei-Köder)
- Indien: mehrere tausend Tiere (für Fleischmarkt und als Fischerei-Köder)
- Südkorea: mehrere tausend Tiere (für Fleischmarkt)
- Malaysia: mehrere tausend Tiere (für Fleischmarkt und als Fischerei-Köder)
- Grönland: > 3.100 Tiere (Subsistenzjagd)
- Japan: aktuell weniger als 2.300 Tiere (für Fleischmarkt)
Der Kampf der Fischer gegen die Delfine
Doch auch in vielen anderen Ländern werden Delfine und Kleinwale gejagt, wie zum Beispiel Sri Lanka, Kanada, Indonesien oder Ghana – selbst aus Italien und der Türkei liegen uns aktuelle Fälle vor. Während in Japan in den vergangenen 20 Jahren die Delfinjagd stark zurückging (von mehr als 18.000 auf aktuell weniger als 2.300 Tiere), ist in vielen Ländern Lateinamerikas, Afrikas und Asiens die Delfinjagd stark angestiegen. Delfinfleisch wird zunehmend als Köder für die boomende Fischerei auf Hai, Thunfisch, Piracatinga (Wels-artiger Fisch im Amazonas) und Perlboote eingesetzt. Eine doppelte Tier- und Artenschutz-Tragödie: Die genannten Fischbestände sind ohnehin bereits überfischt – und um trotzdem noch die begehrte Beute an die Haken zu bekommen, werden Delfine zerschnitten und auf Langleinenhaken oder in Reusenfallen angebracht. Die Fischer sehen in Delfinen und Kleinwalen ohnehin verhasste Konkurrenten um die letzten Fische – entsprechend brutal gehen sie oft auch gegen die kleinen Meeressäuger vor.

Delfinjagd mit Harpune © S. Austermühle Mundo Azul
Warum werden so viele Delfine getötet?
Delfine und Kleinwale enden nicht nur als Haiköder – ihre Zähne sind begehrter Brautschmuck auf den Salomonen, ihr Öl wird zum Imprägnieren von Booten in Pakistan verwendet. In einigen afrikanischen Ländern ersetzt Delfinfleisch die schwindenden Erträge aus der lokalen Fischerei, die mit den Industrieflotten nicht konkurrieren können. In der Arktis (Grönland, Alaska, Nord-Kanada und Russland) werden Delfine bis heute zur Selbstversorgung indigener Gruppen gejagt. Nicht nur ist das Ausmaß der Jagd erschreckend, sondern auch ihre Grausamkeit: Delfine werden mit Harpunen beschossen, mit Booten und Netzen eingekreist, mit Speeren, Macheten, Gewehren, Messern, Haken oder Dynamit getötet.

Tote Delfine auf den Färöer Inseln © Erik Christensen
Zum anderen klärt Pro Wildlife über die Gesundheitsrisiken durch den Verzehr von Delfinfleisch auf, um die Nachfrage zu senken. Die Tiere stehen am Ende einer komplexen Nahrungskette, im Verlauf derer sich Giftstoffe wie Quecksilber und polychlorierte Biphenyle (PCBs) anreichern. Basierend auf unserer Arbeit hat die Internationale Walfangkommission 2012 eine Resolution verabschiedet, die die Walfangländer auffordert, ihre Bevölkerung über diese Gesundheitsrisiken aufzuklären.