Zehntausende Wildtiere für Privatzoo in Indien

Auch aus Deutschland werden Tiere geliefert

Zehntausende Wildtiere für Privatzoo in Indien

Der indische Privatzoo „Vantara“ hat in den letzten zwei Jahren eine unfassbare Menge an Wildtieren aus aller Welt importiert: 2023 und 2024 wurden insgesamt mehr als 35.000 Tiere von über 730 verschiedenen Arten geliefert. Viele von ihnen sind stark bedroht und international geschützt. Pro Wildlife hat Zolldaten analysiert, die den immensen Umfang der Einfuhren an die beiden zu Vantara gehörigen Einrichtungen belegen: Das 2019 als Zoo registrierte „Greens Zoological Rescue and Rehabilitation Centre“ (Zoologisches Rettungs- und Rehabilitationszentrum Greens) und den „Radhe Krishna Temple Elephant Welfare Trust“, eine gemeinnützige Stiftung zum Schutz von Elefanten.

Ein Zoo auf dem Gelände der weltgrößten Ölraffinerie

Vantara liegt auf dem Industriegelände der weltgrößten Ölraffinerie des Unternehmens Reliance Industries und dessen gleichnamiger Stiftung im indischen Bundesstaat Gujarat. Die Unternehmens-Website beschreibt Vantara als Teil des wohltätigen Engagements der Firma mit dem Ziel, verletzte, misshandelte und bedrohte Tiere aus Indien und aller Welt zu retten, sie zu pflegen und zu rehabilitieren. Konzipiert wurde das Projekt unter der Führung von Anant Ambani (Direktor im Vorstand des Unternehmens und der Stiftung), der 2024 mit mehreren Luxus-Feiern zu seiner Hochzeit, u.a. auf dem Zoogelände, weltweit für Schlagzeilen sorgte. Die Familie Ambani gehört zu den reichsten in Asien. Sie pflegt u.a. enge Kontakte zu Indiens Ministerpräsident Narendra Modi, der den Zoo Anfang März 2025 "einweihte". Bislang (Stand 13. März 2025) sind das 2013 gegründete Elefantenschutzzentrum und der 2019 gegründete Zoo jedoch noch immer nicht für die Öffentlichkeit zugänglich.

Anant Ambani in Vantara mit Asiatischen Elefanten
Anant Ambani in Vantara mit Asiatischen Elefanten © Bohoindian CC 4.0

Einfuhren nach Indien schießen in die Höhe

Die Auswertung der uns vorliegenden Zolldaten zeigt, dass in zwei Jahren (2023 und 2024) mehr als 35.000 Tiere aus dem Ausland nach Vantara kamen. Laut Recherchen der Sueddeutschen Zeitung sollen 5.000 weitere Tiere aus Indien nach Vantara gekommen sein - insgesamt müsste dort also eine Rekordzahl von 40.000 Tieren leben.

Allein in den Greens Zoo wurden in zwei Jahren offiziell 28.124 Wildtiere von 735 Arten aus 30 Ländern geliefert. In die Elefantenstiftung kamen zusätzlich mehr als 7.000 Tiere von mehr als 200 Arten aus acht Ländern. Die immense Menge mehr als an gelieferten Tieren sucht ihresgleichen: Insgesamt sind es mehr als 17.000 Vögel, fast 11.000 Reptilien und mehr als 7.000 Säugetiere. Darunter sind:

  • mehr als 2.250 Affen, viele von ihnen aus Herkunftsländern in Afrika (Demokratische Republik Kongo, Benin) und Südamerika (Guyana, Venezuela)
  • 364 Großkatzen: Tiger, Löwen, Leoparden, Jaguare, Nebelparder und Schneeleoparden
  • 90 Geparde (exportiert aus den Vereinigten Arabischen Emiraten und Südafrika)
  • 145 Große Ameisenbären (exportiert aus Guyana und Venezuela)

Während zigtausende Tiere direkt aus Ländern geliefert wurden, in denen sie in der Natur vorkommen, kommen andere in großer Stückzahl aus Ländern, in denen sie nicht heimisch sind: Hier stechen insbesondere die Exporte von mehr als 10.000 Tieren aus den Vereinigten Arabischen Emiraten ins Auge – viele von ihnen sind international geschützt oder vom Aussterben bedroht, darunter sind auch 59 Menschenaffen.

Laut den Statistiken des CITES-Artenschutzabkommens hat Indien bis 2021 nur vereinzelt Einfuhren von Wildtieren – zumindest geschützter Arten – genehmigt. Seither sind die Zahlen jedoch rasant angestiegen.

Tierimporte von Vantara 2022-2024

Lebende Raritäten: Vom Spix-Ara bis zum Berggorilla

Etwa die Hälfte der importierten Arten ist international durch CITES geschützt. Dutzende gelten zudem laut Roter Liste als gefährdet. Zum Who-is-Who der seltenen und bedrohten Arten gehören u.a.:

  • Säugetiere: Berggorilla, Bonobo, Tapanuli-Orang-Utan, Goldbauchmangabe, Apella-Haubenkapuzineraffe, Kolumbianischer Wollaffe, Okapi, Afrikanischer Waldelefant
  • Vögel: Spix-Aras, Lear-Aras, Rotohrara, Sperbergeier
  • Reptilien: Galapagos-Landleguane, Borneo-Taubwarane, Komodo-Warane, Fiji-Leguane, Seychellen Riesen Gecko
Wildtiere für Privatzoo: Galapagos Leguan
Galapagos-Landleguan: aufgrund seiner Seltenheit im internationalen Schwarzmarkt begehrt

Viele dieser Arten sind durch legalen und illegalen Tierhandel akut bedroht – die seltensten und wertvollsten von ihnen können auf dem Schwarzmarkt Preise im fünf- oder sogar sechsstelligen Bereich erzielen.

Menschenaffen-Importe an Greens Zoological Rescue and Rehabilitation Centre (Auszug aus Zolldaten)
Menschenaffen-Importe an Greens Zoological Rescue and Rehabilitation Centre (Auszug aus Zolldaten)

Exporte aus Deutschland

Auch die zuständige Behörde in Deutschland, das Bundesamt für Naturschutz, erteilte Genehmigungen für die Ausfuhr an den indischen Zoo. Insgesamt wurden laut Zolldaten 340 Tiere aus Deutschland exportiert. Zu den Lieferanten gehören private Zoos, „Artenschutzeinrichtungen“ und Zirkusbetreiber. Unter den exportierten Tieren sind:

  • 6 Afrikanische Savannen-Elefanten
  • 26 Spix-Aras, 4 Lear-Aras, 8 Königsamazonen, 7 Braunkopf- und Rotschwanz-Rabenkakadus
  • 2 Tiger,  2 Schneeleoparden, 1 Nebelparder
  • 1 Flußpferd
  • 19 Alligatoren und zahlreiche weitere Reptilien

Wie kommt ein Privatzoo an zehntausende Wildtiere?

Es mag purer Zufall sein, dass Indien seit der Gründung des Greens Zoo mehrere Gesetze geändert hat: Unter anderem wurde die Privathaltung von Wildtieren erleichtert, die Möglichkeit für private Einrichtungen geschaffen, beschlagnahmte Tiere aus staatlichen Einrichtungen zu übernehmen und der Transfer von Elefanten innerhalb Indiens erleichtert. „Vantara“ soll mittlerweile die unfassbare Zahl von 220 Elefanten im „grünen Gürtel“ des Industriegeländes halten.

Ist man erst mal als Zoo registriert (und das ist nicht nur ein Problem in Indien, sondern auch in Deutschland und anderen Ländern), erhält man wesentlich leichteren Zugang für die Ein- sowie Ausfuhr international streng geschützter Arten. Denn viele Länder betrachten Zoos, auch wenn sie privat geführt sind, nicht als kommerzielle Einrichtungen und stellen ihnen Genehmigungen sogar für Arten aus, für die ansonsten Handelsverbote gelten.

Wildtiere für Privatzoo: Großer Ameisenbär (Tamandua)
Großer Ameisenbär (Tamandua) © Artush

Ungeklärte Herkunft der Tiere

„Vantara“ beschreibt sich selbst als Rettungsstation für verletzte, misshandelte und bedrohte Tiere – doch es ist schwer vorstellbar, dass Zehntausende Tiere, die in den letzten zwei Jahren dort ankamen, tatsächlich gerettet wurden. Dagegen spricht, dass viele Tiere aus Ursprungsländern exportiert wurden, die diese Arten in ihren Jahresberichten bislang als Wildfänge meldeten (z.B. Guyana, Surinam, die Demokratische Republik Kongo (DRC)).

Zudem sind unter den Exporteuren auch etliche, die Wildtiere handeln. Investigative Recherchen der Süddeutschen Zeitung ergaben, dass auch hinter den Exporten aus den Vereinigten Arabischen Emiraten ein Tierhändler steht. Ein Kernproblem ist, dass viele Einrichtungen die als Zoo und "Auffangstation" registriert sind, gleichzeitig kommerziell Tiere handeln. Zudem stehen Länder wie DRC, Vereinigte Arabische Emirate oder auch Thailand als Umschlagplätze des illegalen Tierhandels in der Kritik.

Allein aus DRC wurden (von einem Unternehmen aus der Holzwirtschaft) laut Zolldaten mehr als 500 Affen nach Indien geliefert, darunter die akut vom Aussterben bedrohten Goldbauchmangaben. Wo kommen all diese Tiere her? Über Zuchteinrichtungen in DRC zu den betroffenen Arten ist bisher nichts bekannt, auch nicht, dass sie in entsprechender Anzahl in Auffangstationen gehalten würden. Wenn es sich um beschlagnahmte Tiere handeln würde, sollten heimische Tiere zudem aus Artenschutzsicht nicht ins Ausland gebracht werden, sondern in Auffangstationen im Ursprungsland untergebracht werden, um nach Möglichkeit dort ausgewildert zu werden. Pro Wildlife unterstützt solche Stationen in DRC und in anderen Ländern.

Zuchtpläne werfen Fragen auf

Fragen stellen sich auch bezüglich der geplanten Zuchtpläne von Vantara. Üblicherweise züchten Rettungs- und Auffangstationen aufgenommene Tiere nicht. Ganz im Gegenteil betreiben sie Geburtenkontrolle, um Überschüsse zu vermeiden, und fokussieren sich auf die Versorgung geretteter Tiere. Der Greens Zoo will laut Angaben im Jahresbericht jedoch spezielle Farbvarianten von Leoparden, Jaguaren, Löwen und Nebelpardern züchten. Unter den gelieferten Raubkatzen sind viele Hybride, also Kreuzungen zwischen verschiedenen Arten. Die Zolldaten zeigen zudem, dass auch Schlangen mit Farbmutationen in großer Anzahl importiert wurden. Hybridtiere, Farbvarianten und -mutationen sind zwar bei privaten Sammlern beliebt, ihre Haltung oder Zucht hat jedoch keinen Wert für den Artenschutz.

Der Greens Zoo erklärte in seinem Jahresbericht 2023 zudem, er würde Erhaltungszuchtprogramme für mehrere bedrohte Papageien und andere Arten initiieren, darunter die in freier Natur ausgestorbenen Spix-Aras. Allerdings hat Brasilien, das einzige ursprüngliche Herkunftsland dieser Tiere, öffentlich erklärt, dass der indische Zoo kein Partner des brasilianischen Zucht- und Auswilderungsprogramms ist. Die brasilianische Regierung kritisierte zudem, dass die deutsche Bundesregierung der Organisation ACTP Genehmigungen für die Ausfuhr von 26 Spix-Aras erteilt hatte, ohne zuvor die Zustimmung der brasilianischen Artenschutzvollzugsbehörde einzuholen. Die Tiere hätten nicht in einen indischen Privatzoo, sondern zur Auswilderung nach Brasilien gebracht werden sollen.

Vantara wirbt auch damit, mit Naturschutzorganisationen wie WWF und IUCN zusammenzuarbeiten. Laut Recherchen der Süddeutschen Zeitung betsreiten beide Organisationen dies. Auch ist Vantara kein Mitglied der internationalen Zoorgansiationen WAZA oder EAZA.

Wildtiere für Privatzoo: Spix-Ara © Danny Ye
Aus Deutschland wurden 26 Spix-Aras und weitere seltene Papageien nach Vantara geliefert © Danny Ye

Eine „Zuflucht für gerettete Wildtiere“

Vantara sieht sich als Zuflucht für gerettete Tiere. Für manche Tiere, die aus schlechten Haltungsbedingungen befreit werden konnten, mag dies tatsächlich zutreffen. Doch muss man sich angesichts der Größenordnung der Transaktionen allein aus logistischen Gesichtspunkten fragen: Wie können zehntausende Tiere hunderter Arten innerhalb kürzester Zeit tierschutzgerecht transportiert in in Quarantäne verbracht, medizinisch versorgt und artgerecht untergebracht werden? Zumal aufgrund des sehr heißen Klimas im indischen Bundesstaat Gujarat viele Tiere aus tropischen Wäldern sowie gemäßigten Regionen vermutlich nur in geschlossenen, klimatisierten Einrichtungen gehalten werden können. Wie steht es um die oft schwierige Vergesellschaftung voneinander fremden Tieren mit komplexem Sozialgefüge und -verhalten? Und wie ist die langfristige, fachkundige Unterbringung und Versorgung aller Tiere sichergestellt, zumal wenn Tiere gezüchtet werden sollen und sich die Anzahl der Tiere nochmals erhöht? Und last but not least: Bietet ein petrochemischer Industriekomplex einen geeigneten Ort für die Unterbringung Zehntausender Wildtiere?

Ein Fall für das CITES-Artenschutzabkommen

Fast die Hälfte der für Vantara importierten Arten unterliegt den internationalen Handelsbeschränkungen des Washingtoner Artenschutzübereinkommens (CITES). Das heißt, für jedes Tier ist nachzuweisen, dass es legal erworben wurde, ohne die Wildbestände zu beeinträchtigen. Für streng geschützte Arten gilt sogar ein internationales Handelsverbot – allerdings können in Ausnahmefällen Handelsgenehmigungen erteilt werden, wenn ein Tier aus kontrollierter Zucht stammt oder ein Transfer zu kommerziellen Zwecken erfolgt. Zudem muss nachgewiesen werden, dass der Empfänger die streng geschützten Tiere angemessen unterbringen und pflegen kann. In vielen Ländern wird allerdings unzureichend kontrolliert, ob all diese Voraussetzungen erfüllt sind. Auch welche Anforderungen Transfers für Zoos erfüllen müssen, ist bei CITES bislang nicht konkret geregelt. Hier muss dringend nachgebessert werden.

Das CITES-Sekretariat hatte erstmals im November 2023 in Bezug auf den Greens Zoo „Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit von Transaktionen und der Methoden zur Beschaffung von CITES-Dokumenten“ geäußert. Im Februar 2025 diskutierte der Ständige Ausschuss von CITES das Thema erneut und bat das CITES Sekretariat, „die Zusammenarbeit mit Indien zu verstärken, Unterstützung vor Ort zu leisten, eine technische Bewertung und eine Überprüfungsmission durchzuführen, um herauszufinden, wie die indischen CITES-Behörden sicherstellen, dass lebende Tiere legal erworben und in voller Übereinstimmung mit CITES eingeführt werden….“ Angesichts des jetzt bekannt gewordenen Umfangs der Einfuhren erscheint eine Untersuchung umso dringlicher.

+++ Süddeutsche Zeitung vom 14.3.2025:
Der größte Zoo der Welt >> zum Artikel +++

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