Deutschland verletzt Artenschutzabkommen

Handel mit seltenen Arten: EU und Bundesregierung drohen erstmals Konsequenzen, weil internationale Artenschutzbestimmungen nicht eingehalten werden.

München/Genf, 02. November 2023. Deutschland und die Europäische Union müssen sich auf einer Ausschuss-Tagung des Washingtoner Artenschutzübereinkommens (CITES) von 6.-10. November in Genf erstmals zu Vorwürfen des CITES Sekretariats verantworten, Bestimmungen für den Handel mit besonders streng geschützten Arten nicht umzusetzen. Es geht um Handelsgenehmigungen für vom Aussterben bedrohte und streng geschützte Reptilien- und Vogelarten, die nur in Ausnahmefällen gehandelt werden dürfen. „Die EU und insbesondere Deutschland stehen in der Kritik, weil sie einige der wichtigsten internationalen Vorschriften nicht einhalten und damit den Artenschutz unterminieren“, so Daniela Freyer von Pro Wildlife. Der Ständige Ausschuss von CITES soll am Dienstag über Empfehlungen des CITES-Sekretariats abstimmen und könnte letztendlich sogar Sanktionen verhängen.

Missachtung wichtiger CITES Bestimmungen beim Wildtierhandel

CITES verbietet den Handel mit mehr als 700 Tierarten, die vom Aussterben bedroht und durch den Handel gefährdet sind. Obwohl die Aus- und Einfuhr nur in streng regulierten Ausnahmefällen erlaubt ist, betreiben EU-Staaten einen regen Handel mit vielen dieser meist exotischen Arten. In zehn Jahren wurden Exportgenehmigungen für den Handel mit mehr als 47.000 angeblich rechtmäßig gezüchteten Tieren erteilt. Doch einige der wichtigsten CITES Bestimmungen wurden hierbei missachtet. Die Hauptkritikpunkte sind:

  • Keine Registrierung von Zuchtbetrieben: Deutschland und andere EU-Staaten genehmigen kommerzielle Exporte von Züchtern, die nicht bei CITES registriert sind. Hierdurch umgehen sie die internationale Kontrolle, sowie die Anforderung, dass Zuchteinrichtungen zum Schutz der jeweiligen Art beitragen müssen.
  • Zweifel an der Legalität: Züchter müssen in der EU nicht lückenlos nachweisen, dass ihr Tierbestand in Übereinstimmung mit den Vorschriften von CITES und dem Herkunftsland erworben wurde. Dies leistet dem illegalen Handel Vorschub.
  • Kommerzieller Handel unter dem Deckmantel des Artenschutzes: Das Verbot des Handels zu kommerziellen Zwecken wird ausgehöhlt, wenn der Verkauf von Tieren für erhebliche Geldsummen als Beitrag zur Erhaltungszucht oder zur Wissenschaft deklariert wird und deutsche Behörden entsprechende Ausnahmegenehmigungen für „nicht kommerzielle Zwecke“ erteilen. Teils wird der Tierhandel auch als „Geschenk“ oder „Leihgabe“ getarnt.
  • Missachtung von CITES-Bestimmungen: Das CITES-Sekretariat kritisiert, dass deutsche Behörden einem Papageienzüchter aus Brandenburg 2018 die Einfuhr streng geschützter Blaukopf- und Kaiseramazonen aus Dominika genehmigten, obwohl damals CITES-Handelssanktionen gegen den Inselstaat galten und die Ausfuhrpapiere nicht von der zuständigen Behörde des Landes unterzeichnet waren. Die Regierung Dominicas hat zwischenzeitlich die Rückgabe der Tiere gefordert, die aber bisher nicht erfolgt ist.

In der Natur ausgestorben: Handel mit wertvollen Spix-Aras

Ein weiteres eklatantes Beispiel für die Missachtung der CITES-Bestimmungen wurde jetzt bekannt: Deutschland genehmigte seit 2022 den Handel mit Dutzenden Spix-Aras, die in ihrer Heimat Brasilien v.a. durch den Vogelhandel ausgerottet wurden. Der internationale Handel ist bereits seit 1975 verboten – und Brasilien hat seither nur vereinzelt legale Exporte genehmigt.

Heute verfügt die „Association for the Conservation of Threatened Parrots“ (ACTP) in Brandenburg über die weltweit größte Sammlung an Spix-Aras – mit dem erklärten Ziel, sie zur Arterhaltung zu züchten und in Brasilien auszuwildern. 52 Tiere gingen 2020 nach Brasilien, einige wurden 2021 tatsächlich ausgewildert. Doch insgesamt mehr als 90 Spix-Aras sollen an private Tierhalter und Zoos in Indien, Europa und Deutschland abgegeben worden sein. Während deutsche Bundes- und Landesbehörden Genehmigungen für den „nicht-kommerziellen“ Transfer zu Zuchtzwecken erteilten, handelt es sich laut CITES-Sekretariat um einen kommerziellen Handel, für den erhebliche Beträge bezahlt wurden. „Es ist unverantwortlich, extrem seltene und streng geschützte Arten wie den Spix-Ara mit einem Preisschild zu versehen. Eine Legalisierung des Handels droht die Nachfrage und den illegalen Handel zu befeuern und gefährdet letztendlich die erst kürzlich wieder in freier Natur angesiedelten Tiere“, so Freyer.

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