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Kein anderes Land hat in den letzten 20 Jahren solche Berge an Walfleisch exportiert wie Island. Quoten vergibt das Land sowohl für den Fang von Finn- als auch Zwergwalen. Doch während Zwergwale seit 2018 nur noch vereinzelt gefangen werden, bleibt der bedrohte Finnwal im Fadenkreuz isländischer Harpunen. Trotz der Grausamkeit des Walfangs und eines Korruptionsskandals um die Lizenzvergabe im Dezember 2024, kommt es nur zu Walfangpausen, wie auch 2025, aber bisher nicht zu einer endgültigen Beendigung der brutalen Praxis.
Walfang in Island – Historie
Island war früher eines der aktivsten Walfangländer: Tausende Blau-, Finn-, Sei- und Buckelwale starben von Anfang des 20. Jahrhunderts bis 1989 in isländischen Gewässern. Das kleine Land profitierte vor allem von den Exporten von Walprodukten nach Japan. Nachdem 1986 das kommerzielle Walfangmoratorium der Internationalen Walfangkommission (IWC) in Kraft trat, verließ Island die IWC und hoffte auf fortwährende Exporte nach Japan. Doch Japans Gesetze verbieten den Import aus Ländern, die nicht Mitglied der IWC sind. Island pausierte die Jagd für 14 Jahre und trat 2003 wieder in die IWC ein – diesmal mit formellem Einspruch gegen das Walfangmoratorium. 2006 gab die isländische Regierung bekannt, den kommerziellen Walfang wieder aufzunehmen. Verkaufen darf Island seine Finn- und Zwergwalprodukte laut internationalem Recht trotz allem nur nach Japan (oder theoretisch nach Norwegen) – denn nur diese Länder haben einen formalen Widerspruch gegen das internationale CITES-Handelsverbot für diese Walart eingelegt.
Aktuelle Quoten, Fangzahlen und Skandale
Die Hochzeit des modernen isländischen Walfangs begann schließlich 2008 mit der Tötung von knapp 40 Zwergwalen. Im darauffolgenden Jahr nahm man auch die ersten 125 Finnwale ins Visier. Während bis 2018 durchgängig Zwergwale gefangen wurden, pausierte die Finnwaljagd zwischendurch immer wieder. Die Fangquoten werden vom Fischereiministerium festgelegt. Zwischen 2014 und 2018 lagen diese bei 229 Zwergwalen und 154 Finnwalen pro Jahr. Ab 2019 dann bei 217 Zwergwalen und 209 Finnwalen, mit Ausnahme von 2024, wo aufgrund einer verkürzten Saison die Quote nur 128 Finnwale umfasste. Ausgereizt wurden die Quoten, bis auf 2015 für Finnwale, jedoch nie. Trotz allem wurden seither (Stand: September 2025) in Island jeweils mehr als 450 Zwerg- und 1.000 Finnwale mit Explosivharpunen getötet.
Die letzten Jahre waren geprägt von politischen Fort- und Rückschritten:
- Fangstopp von 2019 bis 2021, da die isländische Regierung die Verarbeitung von Walfleisch unter freiem Himmel verbot und keine Alternativen existierten
- Aufhebung des Verbots Ende 2021 sowie Ankündigung Anfang 2022, ab 2024 keine Quoten mehr zu genehmigen
- Reaktion der Walfänger: Tötung von 148 Finnwalen in der Saison 2022
- Dokumentation der Grausamkeit des Walfangs von Aktivisten führte zur Überwachung durch die Veterinärbehörde sowie die Erstellung eines Untersuchungsberichts und der vorübergehenden Aussetzung der Fangerlaubnis für 2023
- Gegen Ende der Fangsaison 2023 wurde das Verbot wieder aufgehoben, was zwei Walfangschiffe nutzten, um zumindest noch 24 Finnwale zu töten, bevor sie aus Tierschutzgründen zurück in den Hafen beordert wurden
- 2024 wurden die Walfanglizenzen spät und in geringerem Umfang (128 Finnwale) genehmigt, sodass aufgrund fehlender Vorbereitungsmöglichkeiten keine Schiffe ausliefen
- Anstatt die Quoten, wie angekündigt, nicht weiter zu verlängern und trotz eines Korruptionsskandals um die Lizenzvergabe, wurden die Quoten für 2025 nicht nur erneut vergeben, sondern sogar wieder in vorheriger Höhe
- Wirtschaftliche Gründe (Absatzschwierigkeiten und niedrige Walfleischpreise in Japan) sorgten für einen Ausfall der Walfangsaison 2025
Im Herbst 2024 zerbrach die isländische Regierung. Das Amt des Premier- als auch das des Fischereiministers ging übergangsweise an den Walfangunterstützer und Freund Loftssons Bjarni Benediktsson. Loftsson nutzte die Gelegenheit und beantragte, zusammen mit einem weiteren Unternehmen, Lizenzen für die Finn- und Zwergwaljagd. Nachdem der isländischen Presse Aufnahmen zugespielt wurden, in denen der Sohn eines Abgeordneten zugab, dass sein Vater von Benediktsson gezielt auf einen Posten im Fischerei-Ministerium gesetzt wurde, der für die Genehmigung der Lizenzen zuständig ist, schien eine Vergabe der Lizenzen vor den Neuwahlen im November politisch unmöglich.
Nach diesem Korruptionsskandal gewannen die Sozialdemokraten schließlich knapp die Parlamentswahlen und es zeichnete sich ab, dass eine Walfang-ablehnende Koalition zustande kommen könnte. Allerdings blieb der abgewählte Benediktsson bis zur Übernahme der neuen Regierung geschäftsführend im Amt und sorgte direkt nach den Neuwahlen dafür, dass die beantragten Walfanglizenzen für die nächsten fünf Jahre genehmigt wurden. Die jährlichen Quoten betragen demnach 209 Finn- und 217 Zwergwale.
Die Finnwaljagd ist eine One-Man-Show
Der Finnwalfang Islands ist in der Hand eines einzigen Unternehmers: Kristján Loftsson. Loftsson ist nicht nur Geschäftsführer von Islands einziger Finnwalfang-Firma, der Hvalur hf, sondern gleichzeitig auch Mitglied der isländischen IWC-Delegation und einflussreicher Lobbyist in eigener Sache. 1974 hat Loftsson die Leitung von Hvalur hf nach dem Tod seines Vaters übernommen; er und seine Schwester sind bis heute die Hauptaktionäre.

Dass Hvalur hf bis heute als einziges Unternehmen Finnwale fangen darf, zeigt den immensen politischen Einfluss Loftssons: Selbst massive internationale Kritik, diplomatische Verwarnungen durch die EU, Beschwerden der Whale-Watching-Industrie, deren Geschäfte durch die Finnwaljagd geschädigt werden, ja sogar eine Studie, die den internationalen Imageschaden Islands hervorhebt – all das hat Loftssons grausame Jagd bislang noch nicht stoppen können.
Absatzschwierigkeiten in Japan
Aufgrund fehlender Nachfrage im eigenen Land hofft Loftsson auf Japan als Absatzmarkt: Und tatsächlich exportierte Island nach seinem Wiedereintritt in die IWC laut nationaler Handelsstatistik mehr als 14.300 Tonnen Walfleisch nach Japan. Allerdings verweigerte Japan immer wieder die Annahme des Walfleischs, da die Verarbeitung unter freiem Himmel nicht ihren Hygienestandards entsprach. Was mit Walfleisch passiert, das von Japan nicht ins Land gelassen wird, ist bis heute unklar. Auch die isländische Veterinärbehörde hatte 2019 schließlich hygienische Bedenken und verbot Loftsson zwischenzeitlich die Verarbeitung der gefangenen Finnwale unter freiem Himmel. Die Kombination aus mangelnden Absatzmöglichkeiten und der Einschränkung der Verarbeitungsmöglichkeiten führte zu einem dreijährigen Fangstopp. Als das isländische Verbot im Oktober 2021 wieder aufgehoben wurde, töteten Loftssons Walfänger 2022 erneut 148 Finnwale. Im Februar 2023 importierte Japan dann die größte isländische Walfleischlieferung seit 35 Jahren (ca. 2.500 Tonnen, angeblicher Marktwert 18,7 Mio. Euro).
Doch Japan geht seit 2024 mit neuem Fabrikschiff wieder selbst auf Finnwaljagd und tötete direkt in der ersten Saison 30 Finnwale. Darüber hinaus erzielt Walfleisch immer geringere Preise auf dem japanischen Markt. Während Finnwalfleisch 2024 noch 200.000 Yen/kg (ca. 1.150 €) einbrachte, waren es 2025 gerade einmal 30.000 Yen/kg (ca. 170 €). Ein wirklich lukratives Geschäft war der Export von Walfleisch für Loftsson vermutlich schon länger nicht, auch aufrgund der hohen Exportkosten für den Transport per Schiff nach Japan, aber 2025 waren die Aussichten aufgrund der Preise so schlecht, dass seine Flotte im Hafen blieb. Ablassen vom Walfang will er allerdings nicht: Er hoffe auf bessere Zeiten und prüfe die Situation nächstes Jahr erneut.

Waljagd für Nahrungsergänzungsmittel?
In isländischen Zeitungsartikeln war zu lesen, dass Loftsson Finnwale zu Nahrungsergänzungsmitteln verarbeiten und damit – wieder einmal – neue Absatzmärkte entwickeln möchte. Waren dies in der Vergangenheit Omega-3-Fettsäure-Pillen und sogar Walbier, sollen es nun Präparate gegen Eisenmangel sowie Gelatine „für medizinische Zwecke“ sein. Loftsson scheut nicht einmal davor zurück, die Sorgen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezüglich Blutarmut in Entwicklungsländern zu zitieren. Selbst wenn dieses Mittel gegen Anämie wirksam wäre, weder in der hochentwickelten Industrienation Japan noch im eigenen Land wäre dafür Bedarf oder Nachfrage zu erwarten. Eine absurde Posse also, um sich die Option für künftigen Walfang aufrechtzuerhalten.
Islands Walfang endlich Vergangenheit?
Der 2022 angekündigte Vergabestopp von Fangquoten hatte 2024 keinen Bestand. Krankheitsbedingt erfolgte ein Wechsel an der Spitze des Fischereiministeriums und die neue Ministerin verkündete, alle Aspekte des Walfangs (juristisch, ökonomisch und Imageschaden) gründlich abwägen zu wollen, bevor sie über die Quotenvergabe entscheide. Obwohl das Fischereiministerium in einem Bericht 2023 selbst bestätigte, dass Finnwaljagd wirtschaftlich irrelevant ist und sich auch immer wieder Hollywoodgrößen wie Leonardo DiCaprio, Hilary Swank, James Cameron und Peter Jackson klar gegen Islands Walfang positionieren, erteilte die Ministerin schließlich erneut eine Quote für 128 Finnwale. Immerhin: Die Lizenz wurde nur für ein anstatt fünf Jahre erteilt sowie für weniger Tiere – und letztendlich nicht genutzt. Dennoch ein klarer Rückschritt für Islands Walschutz, der sich nach der skandalösen Vergabe der Lizenzen für 2025 in alter Höhe noch mal verstärkte.
Darüber hinaus tauchte mit der Vergabe ein weiterer Player auf: Das Unternehmen „Tjaldtangi ehf.“ sicherte sich eine Lizenz zur Jagd auf Zwergwale und kündigte entsprechende Vorbereitungen an. Im Gegensatz zu Loftsson will das Unternehmen die Zwergwale für den heimischen Markt fangen. Kaum vorstellbar, dass dies wirtschaftlich rentabel ist, da kaum Nachfrage nach Walfleisch in Island besteht. Doch Tjaldtangis Manager Gunnar Torfason betont: „Wir fangen mit einem [Zwergwal] an. Und dann einer nach dem anderen.“
Letztendlich nutzten weder Loftsson noch Torfason 2025 ihre Lizenzen, aber es wäre vonseiten der isländischen Regierung fahrlässig und politisch inakzeptabel, einfach darauf zu setzen, dass sich das Thema Walfang aufgrund der wirtschaftlichen Unrentabilität von selbst erledigt.
Das tut Pro Wildlife
Pro Wildlife setzt sich innerhalb der EU und im Rahmen der Internationalen Walfangkommission für ein lückenloses kommerzielles Walfangverbot ein. Unser größter Erfolg (gemeinsam mit anderen Verbänden und engagierten Ländern) ist, dass das IWC-Moratorium bis heute noch in Kraft ist – trotz aller Versuche der Walfangländer, diese lästige Einschränkung zu beseitigen. Doch das reicht uns nicht:
Die Gesetzeslücken, mit denen Japan, Island und Norwegen das Moratorium umgehen, müssen endlich geschlossen werden. Um dies zu erreichen, informiert Pro Wildlife regelmäßig die Walschutzländer über Entwicklungen im Walfang und liefert ständig neue Argumente für den internationalen Verhandlungstisch.
Unsere Überzeugungsarbeit führte schließlich dazu, dass die EU für die IWC-Tagung Ende September 2024 in Peru eine entsprechende Resolution einbrachte, die mit großer Mehrheit angenommen wurde. Damit wurde der kommerzielle Walfang in Island, Norwegen und Japan endlich – erstmals seit 23 Jahren – formal verurteilt. Diese diplomatische Ohrfeige ist auch für die isländische Regierung ein deutliches Signal für künftige Entscheidungen.
Weitere Informationen:
- Unser Bericht: How modern Norway clings to its whaling past Frozen in Time PDF
- Unser Bericht „Toxic Menu“ zu Giftstoffen in Walen und Delfinen. Toxic Menu PDF
- Unser Bericht: Denmark goes it alone on whaling policy. Breaking Ranks PDF