Studie: Handel mit exotischen Wildtieren trägt zum Artensterben bei

BfN-Studie: Bedrohte Arten, kaum Handelskontrollen, dringender Handlungsbedarf

Studie: Handel mit exotischen Wildtieren trägt zum Artensterben bei

Im Auftrag des Bundesumweltministeriums (BMU) und des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) hat Pro Wildlife von September 2017 bis September 2019 Umfang und Folgen des Handels mit Reptilien, Amphibien und exotischen Säugetieren für den Heimtiermarkt untersucht und Strategien zur Reduzierung der Nachfrage entwickelt. Die Studie „Strategien zur Reduktion der Nachfrage nach als Heimtiere gehaltenen Reptilien, Amphibien und kleinen Säugetieren“ ist Teil des nationalen Aktionsplans der Bundesregierung zur Bekämpfung des illegalen Artenhandels.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze sagte anlässlich der Veröffentlichung der Studie (Pressemeldung des BMU) am 30. März 2020: „Das Artensterben betrifft nicht nur ferne Länder. Auch Deutschland und Europa tragen mit dazu bei, dass Arten in ihren Ursprungsländern zunehmend gefährdet sind. Das betrifft ganz direkt die Nachfrage nach exotischen Wildtieren für den deutschen Heimtiermarkt. Diese Nachfrage ist viel zu hoch, das darf nicht so bleiben. Deutschland hat darum bereits zahlreiche internationale Handelsbeschränkungen für gefährdete Arten erreicht und wird weitere anstoßen. Aber wir werden auch auf europäischer und nationaler Ebene prüfen, welche zusätzlichen Maßnahmen geeignet sind, um die Nachfrage nach gefährdeten Wildtierarten zu reduzieren.“ Auch das Bundesamt für Naturschutz sieht Handlungsbedarf: „Oft fehlt es bei den Kunden vor allem am Bewusstsein, dass der Fang und letztendlich damit der Kauf von exotischen Wildtieren für den europäischen Heimtiermarkt nicht nur einzelnen Arten schadet, sondern auch Lebensräume beeinträchtigen oder sogar zerstören kann,“ so BfN-Präsidentin Jessel.

Kurzkopfgleitbeutler („Sugar Glider“)
Kurzkopfgleitbeutler („Sugar Glider“)

Großes Artenspektrum im Handel

Ausgangspunkt der Untersuchung war eine Analyse der Verkaufsangebote für exotische Arten, die als Heimtiere in Deutschland gehandelt werden. Hierzu wurden sechs Monate lang alle angebotenen Individuen (Reptilien, Amphibien und Säuger) auf den relevantesten Online-Plattformen und in wichtigen Facebook-Gruppen erfasst. Gezählt und dokumentiert wurden in diesem Zeitraum mehr als 100.000 einzelne Tiere.

Das Artenspektrum im Handel wurde über zwölf Monate aufgenommen; neben Online-Inseraten flossen dabei auch Verkaufsangebote von Tierbörsen, Zoogeschäften sowie aus Preislisten von Importeur*innen und Großhändler*innen ein. Im Untersuchungszeitraum wurden insgesamt mehr als 2.000 verschiedene Tierarten angeboten. Bei fast Dreiviertel der Arten handelte es sich um Reptilien, jede sechste Art im Handel war ein Amphibium, exotische Säuger machten zehn Prozent aus.

Giftschlangen auf einer deutschen Tierbörse
Giftschlangen auf einer deutschen Tierbörse

Folgen für die Artenvielfalt

Die Studie ging auch der Frage nach, welche dieser Arten bereits bedroht sind oder durch den Heimtierhandel künftig bedroht werden könnten. Weil eine Analyse der mehr als 2.000 im Handel gefundenen Arten zu umfangreich gewesen wäre, wurde das Gefährdungsrisiko von mehr als 200 Arten ermittelt, die anhand bestimmter Merkmale ausgewählt wurden. Der Schwerpunkt der Risiko-Analyse lag vor allem auf Arten, die bislang keinen internationalen Schutzbestimmungen unterliegen. Insgesamt ergab die Analyse für 25 Arten ein sehr hohes Risiko, für 76 ein hohes, für 65 Arten ein mittleres, für 40 ein geringes und für 15 kein Risiko.

Wie kann die Nachfrage reduziert werden?

Teil der Aufgabenstellung war es, basierend auf der Analyse des Heimtiermarktes, Vorschläge zur Reduzierung der Nachfrage nach bedrohten Arten in Deutschland sowie für gesetzgeberische Maßnahmen zu machen. Hierfür wurde unter anderem untersucht, welche freiwilligen Maßnahmen es zur Beschränkung des Handels gibt und wie diese wirken, inwieweit Handel, Halter*innenverbände und Branchenliteratur das Käufer*innenverhalten beeinflussen und welche anderen Faktoren hierauf Einfluss haben. Es werden verschiedene Aspekte diskutiert, die zu einer Reduzierung der Nachfrage beitragen könnten (darunter Artenschutzaspekte, Illegalität, Gesundheitsgefahren, Tierschutzprobleme) und Vorschläge für die Durchführung einer Informationskampagne gemacht. Weil Informationsmaßnahmen alleine viele der im Bericht geschilderten Probleme nicht lösen können, werden zudem strengere gesetzliche Regelungen empfohlen, um den bislang großteils unregulierten Handel zu steuern.

Studie Handel mit Wildtieren: Jemenchamäleon
Jemenchamäleon

Dringender Handlungsbedarf

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie bestätigen einen deutlichen Handlungsbedarf, die Nachfrage nach Wildtieren für den Heimtiermarkt zu reduzieren:

  • Im deutschen Heimtierhandel wird ein großes und sich ständig wechselndes Artenspektrum angeboten – mehr als 2.000 verschiedene Arten Reptilien, Amphibien und Säugetiere wurden in zwölf Monaten angeboten. Das Internet ist hierbei die wichtigste Plattform, die physische Übergabe von Tieren findet häufig auch im Umfeld von Tierbörsen statt. Für beide Verkaufskanäle fehlen jedoch bislang rechtsverbindliche Regelungen.
  • Für 75 Prozent der angebotenen Arten gelten keine internationalen Schutzbestimmungen und damit auch keinerlei Handelskontrollen.
  • Sogar Tiere, die stark bedroht sind beziehungsweise in ihrem Heimatland nicht eingefangen oder exportiert werden dürfen, sind in Europa frei erhältlich und können straffrei verkauft werden.
  • Eine Gefährdungsanalyse ergab, dass der Tierhandel für zahlreiche Arten ein Risiko darstellen kann. Hier können nur gesetzliche Handelsbeschränkungen und -verbote Abhilfe schaffen.
  • Händler*innen machen häufig keine Angaben, die für den Artenschutz relevant sind, wie Herkunft, Schutzstatus oder Bedrohungsgrad angebotener Tiere. Solche Angaben sind bisher nicht verpflichtend.
  • Einige Zoofachgeschäfte sowie Online-Plattformen beschränken den Handel mit lebenden Tieren bereits. Allerdings werden diese freiwilligen Maßnahmen nicht flächendeckend umgesetzt bzw. der Handel weicht auf andere Marktteilnehmer aus.
  • Bei 62,36 Prozent der online angebotenen Tiere fehlen Angaben darüber, ob ein Tier aus der Natur oder aus Zucht stammt. Zudem ist die Herkunft angebotener Tiere in der Praxis bislang nicht nachvollziehbar: Wildfänge werden häufig fälschlich als Nachzuchten deklariert.
  • Herkunfts-Informationen sind wichtig, um bewerten zu können, ob der Handel nachhaltig und legal ist und um ggf. geltende Handelsbeschränkungen umsetzen zu können. Für Käufer*innen kann die Herkunft eines Tieres zudem eine wichtige Kaufentscheidung sein. Eine Lenkung der Nachfrage weg von Wildfängen hin zu echten Nachzuchten würde viele Probleme lösen. Allerdings sind rechtsverbindliche Vorgaben für detaillierte Nachweis- und Kennzeichnungspflichten erforderlich, um die Herkunft der gehandelten Tiere zukünftig nachverfolgen zu können.
  • Bei Tierhändler*innen und -halter*innen gibt es bislang wenig Bewusstsein für die durch den Heimtierhandel verursachten Probleme. Die Studie empfiehlt neben Informationskampagnen und der Einbindung von Unternehmen, Handels- und Halterverbänden vor allem verbesserte Gesetze, um die Nachfrage zu reduzieren und den Handel einzudämmen.
  • Der Wildtierhandel spielt zudem eine wesentliche Rolle bei der globalen Verbreitung von Krankheitserregern, die für Menschen, für heimische Wildtiere sowie Nutztiere gefährlich werden können.
  • Die vorhandenen Artenschutzinstrumente hinken dem Handelsgeschehen hinterher – sie schränken den Tierhandel in der Regel erst ein, nachdem negative Auswirkungen nachgewiesen wurden. Die in der Studie dokumentierte große Dynamik des Heimtierhandels mit immer neuen Trends und einem großen Umfang angebotener Arten unterstreicht die Notwendigkeit für einen vorsorglichen Ansatz im Artenschutz.

Weitere Informationen:

Mehr zum Thema