Reptilienschmuggel: Handel ohne Grenzen

In der Heimat geschützt, in der EU vogelfrei

Reptilienschmuggel: Handel ohne Grenzen

Der internationale Handel mit gefährdeten Arten wird durch das Washingtoner Artenschutzübereinkommen geregelt (englisch CITES). Doch bei weitem nicht alle seltenen Tiere sind durch dieses Abkommen geschützt. Viele Arten sind stark bedroht und dennoch nur in ihrem Ursprungsland geschützt. Manche dieser Tiere sind so selten oder erst neu entdeckt, dass man kaum etwas über sie weiß – also kann es für die Art noch gar keine internationale Handelsregulierung geben. Diese Gesetzeslücke nutzen kriminelle Händler, die solche Tiere, besonders häufig Reptilien und Amphibien, in Sri Lanka, Australien oder Mexiko einfangen und nach Europa schmuggeln. Denn: Reptilienschmuggel ist ein einträgliches Geschäft.

Gestohlen für den Heimtiermarkt

So bot Ende 2017 auf der Reptilienbörse Terraristika in Hamm ein Händler Riesen-Bronzegeckos (Ailuronyx trachygaster) als „neuen Ferrari der Reptilienhaltung“ an. Der stolze Preis von 5.000 Euro pro Tier hat einen Grund: Die vom Aussterben bedrohte Art kommt nur in einem Nationalpark auf der kleinen Insel Praslin vor, die zu den Seychellen gehören. Der Fang ist somit illegal.

Auf europäischen Online-Plattformen werden regelmäßig auch seltene Puffottern (Bitis parviocula) aus Äthiopien, Pethiyogai’s Schönagamen (Calotes pethiyagodai) aus Sri Lanka oder die Thalocs Klapperschlange (Crotalus thaloci) aus Mexiko angeboten, die nie legal für den Tierhandel exportiert wurden. Doch sobald sie außer Landes geschmuggelt sind, dürfen sie dann hier in der EU frei verkauft werden: Reptilienschmuggel ist maximaler Profit bei minimalem Risiko… 

2019 bot ein Händler aus den Niederlanden Glasfrösche aus Costa Rica an, angeblich aus „Farmzuchten“ importiert. Das Inserat sollte die Legalität der Tiere suggerieren, denn für Wildfänge hat Costa Rica ein Exportverbot. Dumm nur, dass wir bei den Behörden in Costa Rica nachfragten, diese uns bestätigten, dass es keine Zuchtfarmen für diese Frösche gäbe und dass sie keine Exporte genehmigt hätten. Eines von vielen Beispielen, wie dreist manche Tierhändler vorgehen: Erst stehlen und außer Landes schmuggeln, dann die Herkunft verschleiern und die Käufer bewusst täuschen…

Glasfrosch
2022 wurden alle ca. 160 Glasfrosch-Arten in CITES Anhang II gelistet

Für viele solcher national geschützten Arten wie Baumschleichen aus Lateinamerika (Abronia spp.) oder die Glasfrösche gab es inzwischen ein Happy-End: Auf unsere Initiative hin wurden hunderte national geschützter Reptilien- und Amphibienarten 2016 durch CITES auch international geschützt – doch für viele andere bedrohte Arten gilt dies (noch) nicht.

Kaum entdeckt, schon im Ausverkauf

2010 wurde auf der kleinen Insel Hon Khoai vor Vietnam, einem Militär-Sperrbezirk, eine farbenprächtige neue Art entdeckt, der psychedelische Gecko (Cnemaspis psychedelica). Die Art ist auf ein Gebiet von nur acht Quadratkilometer begrenzt und damit sehr anfällig für eine Ausrottung. 2013 tauchte der bunte Gecko erstmals im europäischen Heimtierhandel auf, mit Preisen von 2.500-3.000 Euro/Paar. Unter anderem aufgrund unserer Recherchen erwirkte Vietnam für diese Art im Oktober 2016 bei CITES ein weltweites Handelsverbot.

Psychedelischer Gecko (Cnemaspis psychedelica) © Lee Grismer
Psychedelischer Gecko (Cnemaspis psychedelica) © Lee Grismer

Doch die Publikationen von Wissenschaftlern zum Fundort neuer Arten rufen weiterhin Tierfänger auf den Plan: Ob Geckos, Vipern oder Schildkröten: Feldforscher müssen schmerzhaft erfahren, dass ihre wissenschaftlichen Veröffentlichungen regelrecht als Schatzkarte dienen, nach denen Tierhändler systematisch die neu-entdeckten Arten in der Natur absammeln lassen. So tauchten in den letzten Jahren in Europa immer neue Gecko-Arten aus Thailand auf, die kurz davor entdeckt wurden – wie z.B. der Panitvongs Bogenfingergecko (Cyrtodactylus panitvongi), der nur einem Höhlensystem vorkommt, im September 2024 wissenschaftlich beschrieben wurde und ein halbes Jahr später bereits erstmals in Europa angeboten wurde.

Panitvongs Bogenfingergecko
Panitvongs Bogenfingergecko (Cyrtodactylus panitvongi) © Natthaphat Chotjuckdikul CC 4.0

Immer mehr Wissenschaftler halten deshalb die Fundstellen geheim. Denn eine Art mag noch so sehr bedroht sein: Solange sie nicht international durch CITES geschützt ist – und dies kann viele Jahre dauern – kann sie weitgehend ungehindert geplündert werden.

Was tut Pro Wildlife gegen den Schmuggel von Reptilien & Amphibien?

Pro Wildlife möchte die Plünderung bedrohter Arten für den Heimtierhandel stoppen und setzt hierzu auf zwei Ebenen an: Die Europäische Union als einer der größten Absatzmärkte für exotische Haustiere ist aufgefordert, den illegalen Fang und Export von Tieren in deren Herkunftsland auch innerhalb der EU strafbar zu machen, sprich: Was im Heimatland illegal eingefangen wurde, soll auch in der EU nicht länger ungehindert verkauft werden dürfen! Die USA hat bereits ein solches Gesetz, den US Lacey Act, der just hier ansetzt. Um rechtliche Bedenken der EU-Kommission gegen einen „EU Lacey Act“ auszuräumen, ließ Pro Wildlife Rechtsgutachten anfertigen, die zeigen, dass ein EU Lacey Act nicht nur juristisch machbar, sondern auch sinnvoll ist, und wie ein solches Gesetz konkret aussehen könnte. Ende 2023 gab die EU eine eigene Studie hierzu in Auftrag, die Ergebnisse wurden im Juni 2025 veröffentlicht: Diese EU-Studie bestätigt Handlungsbedarf und bietet verschiedene Lösungen an – Pro Wildlife drängt auf ein strenges Gesetz mit entsprechend abschreckenden Strafen.

Die zweite Ebene, auf der Pro Wildlife intensiv arbeitet, ist das Washingtoner Artenschutzübereinkommen selbst: Um dort Handelsbeschränkungen oder gar -verbote für bedrohte Arten zu erwirken, sind Recherche und Dokumentation des Handels sowie ein guter Dialog mit Herkunftsländern die Grundvoraussetzung. Bereits für mehrere hundert Arten konnte Pro Wildlife seit seiner Gründung eine CITES-Listung erreichen, allein auf den CITES-Konferenzen 2019 und 2022 wurden aufgrund unserer Vorarbeit für mehr als 200 bedrohte Reptilien- und Amphibienarten Handelsbeschränkungen oder gar -Verbote beschlossen. Und nach der Konferenz ist vor der Konferenz: Seit der CITES CoP19 im November 2022 laufen bereits die Recherchen und Vorarbeiten für die nächste große CITES-Konferenz Ende 2025, wo wir ähnlich ehrgeizige Ziele verfolgen.

Voraussetzung all dieser politischen Arbeit ist das regelmäßige Recherchieren und Dokumentieren des Tierhandels und den Folgen für die Artenvielfalt. Unsere Serie „Stolen Wildlife“, die bereits seit 2014 immer wieder neue Fallbeispiele bedrohter und national geschützter Arten aus Ländern aller Erdteile aufzeigt, ist dabei eine wichtige Grundlage. Denn sie alarmiert und aktiviert Herkunftsländer, die wir dann bei neuen CITES-Unterschutzstellungen unterstützen können.

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Video vom Webinar „Stolen Wildlife“

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