MSC – ein umstrittenes Ökosiegel für Fische

Verbraucher-Verwirrung am Tiefkühlregal

MSC – ein umstrittenes Ökosiegel für Fische

Viele Menschen haben den Wunsch, nachhaltig gefangenen Fisch zu kaufen. Bewusst entscheiden sie sich für MSC-zertifizierten Fisch, denn ihnen wird suggeriert, dass sie mit ihrem Kauf etwas Gutes für die Meere tun.

Doch die Standards des MSC-Siegels sind nicht ausreichend, um einen umweltfreundlichen Konsum zu ermöglichen. Hinzu kommt, dass selbst diese zu niedrigen Standards häufig nicht eingehalten werden, da Kontrollen nur selten stattfinden.  

Greenwashing erleichtert Plünderung der Meere

Der 1997 gegründete MSC (Marine Stewardship Council) ist eine Organisation, die mit ihrem Siegel nachhaltig gefangenen Fisch kennzeichnen will. Aktuell sind mehr als 500 Fischereien weltweit MSC-zertifiziert, das sind 15 Prozent der Meeresfischereien (Stand Juni 2023). Die Organisation kündigte 2017 an, dass sie diesen Prozentsatz bis 2030 auf 30 Prozent anheben möchte. Angesichts der schrumpfenden Meeresfischbestände kommen jedoch Zweifel an der Nachhaltigkeit auf.

Fisch mit MSC-Siegel im Verkauf
Fisch mit MSC-Siegel im Verkauf

MSC lässt Fangmethoden zu, die für die Ökosysteme extrem zerstörerisch sind und hohe Beifangquoten in Kauf nehmen. Außerdem haben in den vergangenen Jahren wiederholt auch fragwürdige Fischereibetriebe das MSC-Siegel erhalten:

  • Grundschleppnetze sind eine Fangtechnik, die die bodennahe Biomasse bereits um mehr als 50 Prozent reduziert hat und den Meeresboden regelrecht umpflügt. In der Nordsee sind bereits 25 Fischereien MSC-zertifiziert, die auf etwa 1.000 Schiffen mit dieser Technik Muscheln, Krabben und Kabeljau fangen.
  • Die Grundschleppnetzfischerei, hat hohe und noch immer steigende Beifangquoten für den vom Aussterben bedrohten Salvins-Albatros. Dennoch wurde 2001 der Neuseeländische Langschwanz-Seehecht (Hoki) MSC-zertifiziert – der mit Grundschleppnetzen gefangen wird. Die Zertifizierung wurde seither bereits zweimal verlängert.
  • Hochseelangleinen mit bis zu 1.500 Köderhaken haben ebenfalls verheerende Beifangraten. Bei der Schwertfisch-Langleinenfischerei in Kanada kommen auf 20.000 Schwertfische rund 100.000 Blauhaie.  Ein Drittel von ihnen ist an Bord bereits tot, die verletzten Fische zurück ins Meer entlassen – mit ungewissem Schicksal. Dennoch hat eine entsprechende Fischerei seit 2011 ihr MSC-Siegel.
  • Eine Stellnetz-Fischerei in Norwegen sammelt den Laich von Seehasen. Hierzu wird den Weibchen der Bauch aufgeschnitten, der Laich eingesammelt und der Körper ungenutzt verworfen – obwohl er als Speisefisch durchaus taugen würde. Stellnetze haben zudem hohe Beifangraten, z.B. verfangen sich häufig Seevögel darin. Dennoch wurde dieser Fischerei im Oktober 2017 das MSC-Siegel verliehen.
  • Bis 2020 war das Abtrennen von Haiflossen kein KO-Kriterium für MSC-zertifizierte Fischereien – und das, obwohl die sog. „fins naturally attached“ Policy schon längst als essentiell für den Schutz von Haien angesehen war und in der EU seit 2013 sogar gesetzlich verankert ist. Im Oktober 2020 forderten deshalb 75 Organisationen, Wissenschaftler und Firmen in einem gemeinsamen Schreiben an MSC, das Abtrennen von Haiflossen in allen zertifizierten Fischereien nicht länger zu dulden und strikt zu ahnden. 2020 gab MSC seine neuen Standards bekannt: Immerhin ist nun zumindest das Hai-Finning verboten…

Echebastar: Umstrittene Ringwandfischerei erhält MSC-Siegel

Die spanische Organisation Echebastar behauptet, sie fördere die nachhaltige Fischerei. Beim Fang von Bonito im indischen Ozean kommt es jedoch häufig zum Beifang von Seidenhai, weißem Seehund und Gelbflossenthun. Beispielsweise sterben etwa 4.000 Seidenhaie jährlich in den Netzen von Echebastar. Dennoch vergab das MSC im Mai 2018 die Zertifizierung – aller Kritik von Artenschutzorganisationen zum Trotz.

Seehunde enden häufig als Beifang in Ringwadennetzen
Seehunde enden häufig als Beifang in Ringwadennetzen

Forderungen nach Verbesserung

Etliche Organisationen, darunter Pro Wildlife und SharkProject, machen seit Jahren Druck auf die Zertifizierungsorganisation und fordern umfassende Nachbesserungen:

  • Alle in der Produktkette beschäftigten Menschen sollen unter Berücksichtigung von Menschenrechten und Punkten der Internationalen Arbeitsorganisation fair behandelt werden.
  • Fischereien, deren Beifang einen gewissen Prozentsatz übersteigt, sollen sich künftig nicht mehr für das MSC-Siegel qualifizieren können.
  • Die „Fins Naturally Attached“ Policy muss endlich umgesetzt werden: Fischereien, die noch immer Haiflossen abtrennen, muss das MSC-Siegel entzogen werden.
  • Jene Betriebe, die Meeressäuger als Lokalisierungshilfe für Fische ausnutzen (wie zum Beispiel beim Thunfischfang, bei dem der Beifang von Delfinen, Schildkröten oder Rochen toleriert wird) sollen künftig ebenfalls kein Siegel mehr erhalten.
  • Bereits zertifizierte Unternehmen sollen ihren Beifang weitestgehend reduzieren.

Das Update für die MSC-Standards wurde 2022 abgeschlossen. Darin sind jedoch nur wenige der genannten Forderungen umgesetzt worden. Für viele Fischarten, die durch den Beifang und Überfischung direkt bedroht sind, wird die schleppende Umsetzung nicht umkehrbare Folgen haben.

Ökosiegel sind oft nur leere Versprechen

Neben MSC-Produkten sind auch andere „zertifizierte“ Produkte mit Vorsicht zu genießen. Zum Beispiel wurden auch das Palmöl-Label RSPO und das Aquakultur-Label ASC von Greenpeace bezüglich Transparenz, definierten Standards und Kontrollen als ausschließlich negativ bewertet. Bezeichnend auch, dass Greenpeace im Frühjahr 2018 aus dem FSC (Forest Stewardship Council) ausgestiegen ist. Als vertrauenswürdige Labels wurden zum Beispiel Fairtrade und das V-Label bezeichnet. Infos darüber, was sich wirklich hinter dem jeweiligen Siegel verbirgt, sind ganz einfach online zu finden. Um auch ohne Internet nicht auf das unübersichtliche Siegel-Dickicht hineinzufallen, empfiehlt es sich, vorwiegend regionale Bio-Produkte einzukaufen. Die wichtigste Botschaft ist ohnehin: Gütesiegel sind kein Freibrief für grenzen- und gewissenlosen Konsum. Weniger Konsum (sofern man Alternativen hat) muss die Devise sein. Meeresfisch sollte den Ländern vorbehalten bleiben, die auf diese Nahrungsquelle angewiesen sind. Für uns hier in Zentraleuropa gibt es wahrlich genug ökologisch verträgliche Alternativen…

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