Ökosiegel: Verbraucher-Verwirrung am Tiefkühlregal.
Viele Menschen haben den Wunsch, nachhaltig gefangenen Fisch zu kaufen. Bewusst entscheiden sie sich für MSC-zertifizierten Fisch, denn ihnen wird suggeriert, dass sie mit ihrem Kauf etwas Gutes für die Meere tun.
Doch die Standards des MSC-Siegels sind nicht ausreichend, um einen umweltfreundlichen Konsum zu ermöglichen. Hinzu kommt, dass selbst diese zu niedrigen Standards häufig nicht eingehalten werden, da Kontrollen nur selten stattfinden.

Fisch mit MSC-Siegel im Verkauf
Greenwashing erleichtert Plünderung der Meere
Der 1997 gegründete MSC (Marine Stewardship Council) ist eine Organisation, die mit ihrem Siegel nachhaltig gefangenen Fisch kennzeichnen will. Derzeit sind etwa 14 Prozent der weltweit gefangenen Fische MSC-zertifiziert. Die Organisation kündigte an, dass sie diesen Prozentsatz bis 2020 auf 20 Prozent anheben möchte, bis 2030 gar auf 30 Prozent. Angesichts der schrumpfenden Meeresfischbestände kommen jedoch Zweifel an der Nachhaltigkeit auf.
MSC lässt Fangmethoden zu, die für die Ökosysteme extrem zerstörerisch sind und hohe Beifangquoten in Kauf nehmen. Außerdem haben in den vergangenen Jahren wiederholt auch fragwürdige Fischereibetriebe das MSC-Siegel erhalten:
- Grundschleppnetze sind eine Fangtechnik, die die bodennahe Biomasse bereits um mehr als 50 Prozent reduziert hat und den Meeresboden regelrecht umpflügt. In der Nordsee sind bereits 25 Fischereien MSC-zertifiziert, die auf etwa 1.000 Schiffen mit dieser Technik Muscheln, Krabben und Kabeljau fangen.
- Die Grundschleppnetzfischerei, hat hohe und noch immer steigende Beifangquoten für den vom Aussterben bedrohten Salvins-Albatros. Dennoch wurde 2001 der Neuseeländische Langschwanz-Seehecht (Hoki) MSC-zertifiziert – der mit Grundschleppnetzen gefangen wird. Die Zertifizierung wurde seither bereits zweimal verlängert.
- Hochseelangleinen mit bis zu 1.500 Köderhaken haben ebenfalls verheerende Beifangraten. Bei der Schwertfisch-Langleinenfischerei in Kanada kommen auf 20.000 Schwertfische rund 100.000 Blauhaie. Ein Drittel von ihnen ist an Bord bereits tot, die verletzten Fische zurück ins Meer entlassen – mit ungewissem Schicksal. Dennoch hat eine entsprechende Fischerei seit 2011 ihr MSC-Siegel.
- Eine Stellnetz-Fischerei in Norwegen sammelt den Laich von Seehasen. Hierzu wird den Weibchen der Bauch aufgeschnitten, der Laich eingesammelt und der Körper ungenutzt verworfen – obwohl er als Speisefisch durchaus taugen würde. Stellnetze haben zudem hohe Beifangraten, z.B. verfangen sich häufig Seevögel darin. Dennoch wurde dieser Fischerei im Oktober 2017 das MSC-Siegel verliehen.
- Noch immer ist das Abtrennen von Haiflossen kein KO-Kriterium für MSC-zertifizierte Fischereien – und das, obwohl die sog. „fins naturally attached“ Policy weithin als essentiell für den Schutz von Haien angesehen wird und in der EU seit 2013 sogar gesetzlich verankert ist. Im Oktober 2020 haben deshalb 75 Organisationen, Wissenschaftler und Firmen in einem gemeinsamen Schreiben an MSC gefordert, das Abtrennen von Haiflossen in allen zertifizierten Fischereien nicht länger zu dulden und strikt zu ahnden.
Echebastar: Umstrittene Ringwandfischerei erhält MSC-Siegel
Die spanische Organisation Echebastar behauptet, sie fördere die nachhaltige Fischerei. Beim Fang von Bonito im indischen Ozean kommt es jedoch häufig zum Beifang von Seidenhai, weißem Seehund und Gelbflossenthun. Beispielsweise sterben etwa 4.000 Seidenhaie jährlich in den Netzen von Echebastar. Dennoch vergab das MSC im Mai 2018 die Zertifizierung – aller Kritik von Artenschutzorganisationen zum Trotz.

Seehunde enden häufig als Beifang in Ringwadennetzen
Forderungen nach Verbesserung
Etliche Organisationen, darunter Pro Wildlife, Shark Project und der WWN, machen seit Jahren Druck auf die Zertifizierungsorganisation und fordern umfassende Nachbesserungen:
- Alle in der Produktkette beschäftigten Menschen sollen unter Berücksichtigung von Menschenrechten und Punkten der Internationalen Arbeitsorganisation fair behandelt werden.
- Fischereien, deren Beifang einen gewissen Prozentsatz übersteigt, sollen sich künftig nicht mehr für das MSC-Siegel qualifizieren können.
- Die „Fins Naturally Attached“ Policy muss endlich umgesetzt werden: Fischereien, die noch immer Haiflossen abtrennen, muss das MSC-Siegel entzogen werden.
- Jene Betriebe, die Meeressäuger als Lokalisierungshilfe für Fische ausnutzen (wie zum Beispiel beim Thunfischfang, bei dem der Beifang von Delfinen, Schildkröten oder Rochen toleriert wird) sollen künftig ebenfalls kein Siegel mehr erhalten.
- Bereits zertifizierte Unternehmen sollen ihren Beifang weitestgehend reduzieren.
Das nächste Update für die MSC-Standards soll 2020 abgeschlossen werden. Es könnte aber unter Berücksichtigung von Einführungszeiten noch bis 2028 dauern, bis die genannten Forderungen umgesetzt werden können – vorausgesetzt, der MSC ignoriert die geäußerte Kritik nicht einfach. Für viele Fischarten, die durch den Beifang und Überfischung direkt bedroht sind, wird die schleppende Umsetzung nicht umkehrbare Folgen haben.

Fischerboote
Ökosiegel sind oft nur leere Versprechen
Neben MSC-Produkten sind auch andere „zertifizierte“ Produkte mit Vorsicht zu genießen. Zum Beispiel wurden auch das Palmöl-Label RSPO und das Aquakultur-Label ASC von Greenpeace bezüglich Transparenz, definierten Standards und Kontrollen als ausschließlich negativ bewertet. Bezeichnend auch, dass Greenpeace im Frühjahr 2018 aus dem FSC (Forest Stewardship Council) ausgestiegen ist. Als vertrauenswürdige Labels wurden zum Beispiel Fairtrade und das V-Label bezeichnet. Infos darüber, was sich wirklich hinter dem jeweiligen Siegel verbirgt, sind ganz einfach online zu finden. Um auch ohne Internet nicht auf das unübersichtliche Siegel-Dickicht hineinzufallen, empfiehlt es sich, vorwiegend regionale Bio-Produkte einzukaufen. Die wichtigste Botschaft ist ohnehin: Gütesiegel sind kein Freibrief für grenzen- und gewissenlosen Konsum. Weniger Konsum (sofern man Alternativen hat) muss die Devise sein. Meeresfisch sollte den Ländern vorbehalten bleiben, die auf diese Nahrungsquelle angewiesen sind. Für uns hier in Zentraleuropa gibt es wahrlich genug ökologisch verträgliche Alternativen…