Haie: die gejagten Jäger

Imagewandel: Vom Menschenfresser zum bedrohten Hai

Haie: die gejagten Jäger

Kaum eine Tiergruppe hat in den vergangenen 20 Jahren einen solchen Imagewandel erlebt wie die Haie: die gejagten Jäger wurden zu bedrohten Arten. Lange als Bestie verschrien – dank Horrorfilmen wie „Der weiße Hai“  oder „Shakka – Die Bestie aus der Tiefe“ – haben sie inzwischen eine große Fangemeinde, die sich aktiv und mit zunehmendem Erfolg für ihren Schutz einsetzt. Denn längst ist klar geworden, dass ihnen das Menschenfresser-Image nicht gerecht wird: Durchschnittlich zehn Menschen kommen jährlich weltweit durch Haie um – die meisten von ihnen Surfer, Bodyboarder oder Taucher. Möglicherweise werden sie von den Haien mit Robben verwechselt, die durchaus auf ihrem Speiseplan stehen. Oder die Menschen provozieren mit ihren Bewegungen unbeabsichtigt die Haie in deren Revier. Haie wie auch Rochen werden dennoch erbarmungslos verfolgt: Wegen ihrer Flossen, ihrer Kiemenplatten, ihres Fleisches und ihres Leberöls… Eine gerade in der Fachzeitschrift Nature erschienene Studie warnt, dass in den letzten 50 Jahren gerade die Bestände der Hochsee-Arten um durchschnittlich 70 Prozent zurückgegangen sind.

Haie sind Gesundheitspolizei und Riffretter

Haie: die gejagten Jäger, aber Riffe sind auf Haie angewiesen
Riffe sind auf Haie angewiesen

Ohne die angeblichen Killermaschinen würden ganze Ökosysteme nicht funktionieren: Haie sind äußerst erfolgreiche Jäger. Kranke und verletzte Tiere sind ihnen eine besonders leichte Beute, wodurch Haie helfen, den Fischbestand gesund zu halten. Durch das Fressen größerer Fische helfen Hammerhai & Co. auch, das biologische Gleichgewicht in Riffen und anderen Meereszonen zu erhalten. Wo Haie fehlen – das haben aktuelle Studien gezeigt – können sich dominante Fische wie Zackenbarsche unkontrolliert vermehren. Zur Beute der Zackenbarsche gehören aber kleine Algen-fressende Fische, die verhindern, dass Riffe überwuchert und ihnen Licht geraubt wird, das die Korallen-Polypen zum Wachstum unbedingt brauchen. Zu wenig Haie, zu viele Zackenbarsche, zu viele Algen, erstickte Korallen: eine tödliche Kettenreaktion.

Fischerei ist die größte Gefahr

Bereits vor 400 Millionen Jahren schwammen die ersten haiähnlichen Fische durch die Weltmeere. Eine Erfolgsstory, denn zumindest die großen Haie haben keine natürlichen Feinde, sie stehen als Top-Predatoren am Ende der Nahrungskette. Wenn da nicht der Mensch wäre, der sie rücksichtslos befischt und immer mehr Arten an den Rand der Ausrottung bringt. Natürlich denkt man dabei zuerst an die Fischerei für die asiatische Haiflossensuppe – alleine dafür sterben jährlich mehr als 70 Millionen Haie. Auch wenn das „Finning“ – das Abtrennen der Flossen (teils gar am noch lebenden Tier) und das Entsorgen des Haikörpers – in der EU seit 2013 verboten ist, gehören einige EU-Länder noch immer zu den Größen im Flossengeschäft, darunter vor allem Spanien und Portugal.

Halle voll mit getöteten Haien © Sharkproject e.V./W. Koch
Halle voll mit getöteten Haien © Sharkproject e.V./W. Koch

Doch auch für den hiesigen Markt werden Haie erbarmungslos verfolgt: Wer weiß schon, dass er an der Fischtheke mit Schillerlocke (vom Dornhai), Speckfisch (geräucherter Grauhai) oder Kalbsfisch (vom Heringshai) Hai kauft? Als Nebenprodukte der Fischerei landen Haiknorpel und -Öl auch in Antifaltencremes und Nahrungsergänzungsmitten.

Viele Haie werden auch aus reinem „Spaß“ getötet: 15 Arten sind in der Sportfischerei besonders beliebt – darunter Bullenhai, weißer Hai, Tigerhai, großer Hammerhai oder gar Grönlandhai. Einige dieser Arten sind bereits stark bedroht. Was nur wollen sich Menschen mit diesem blutigen Hobby beweisen? Für Tierfreunde und Artenschützer ist dies ebenso inakzeptabel wie die Trophäenjagd an Land auf Löwe, Elefant oder Eisbär.

Immer mehr Haie werden global geschützt

  • Erst nach mehreren Anläufen und gegen viel Widerstand der Fischereinationen wurden 2003 erstmals weltweite Handelsbeschränkungen durch das Washingtoner Artenschutzübereinkommen CITES für Wal- und Riesenhai erkämpft.
  • 2005 folgte der Weiße Hai
  • 2007 gelang für Sägerochen sogar ein Handelsverbot.
  • 2010 scheiterte der Versuch Deutschlands einer CITES-Listung von Herings- und Dornhaien. 2013 kamen dann doch Handelsbeschränkungen für Heringshaie sowie für Weißspitzenriffhaie, drei Hammerhai-Arten sowie für Mantarochen.
  • Auch auf den nächsten CITES-Konferenzen 2016, 2019 und 2022 waren die Haischützer erfolgreich: Für Teufelsrochen, Seiden- und Fuchshaie, Makohaie, Hammer- und Blauhaie, Geigenrochen und dutzende weitere Hai- & Rochenarten wurden ebenfalls Handelsbeschränkungen beschlossen.

Der Widerstand der Fischerei ist noch immer vorhanden, aber längst nicht mehr so vehement wie zu Beginn der Hai-Verhandlungen. Es ist, als hätten selbst die Fischereinationen begriffen, dass sie sich selbst den Hahn abdrehen, wenn die unkontrollierte Plünderung weitergeht…

Autorin: Dr. Sandra Altherr
Veröffentlicht am: 2. Februar 2021, aktualisiert Mai 2023

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