EU-Gesetzeslücke hilft Wildtier-Schmugglern

Neuer Pro Wildlife-Bericht: Europa ist Drehscheibe für den Handel mit seltenen Reptilien

Johannesburg/München, 27. September 2016. Europa ist Umschlagplatz und Absatzmarkt für exotische Wildtiere, die in ihren Herkunftsländern illegal aus der Natur gefangen und außer Landes geschafft werden. Eine Gesetzeslücke ermöglicht Schmugglern, solche Tiere in Europa legal zu verkaufen. Dies zeigt der Bericht „Stolen Wildlife II“, den die Naturschutzorganisation Pro Wildlife am Dienstag auf der CITES-Artenschutzkonferenz in Johannesburg vorstellt. Pro Wildlife fordert ein EU-Gesetz, das solche Geschäfte mit gestohlenen Tieren verhindert.

Viele Arten stehen nur in ihren Herkunftsländern unter Schutz, nicht international. Seit die Nachfrage nach Reptilien als Haustieren boomt, ist der internationale Handel für so manche Art zum Problem geworden – so zum Beispiel für Krötenechsen aus Mexiko, Zwerggeckos aus Pakistan und Glasfrösche aus Costa Rica . „Oft sind es kleine Populationen, denen das Absammeln für den Heimtiermarkt den Garaus macht“, berichtet Sandra Altherr von Pro Wildlife und Autorin des Reports Stolen Wildlife II. “ Bei Sammlern sind oft Tiere begehrt, die selten sind. Bei Schmugglern sind Tiere beliebt, die maximalen Profit bei minimalem Risiko versprechen“, berichtet die Biologin. „Sind die gestohlenen Tiere einmal außer Landes geschmuggelt, dürfen sie legal im Internet und auf Tierbörsen als Heimtiere verkauft werden. Für einige Arten zahlen Sammler in Europa Preise von 5.000 bis 10.000 Euro pro Tier“. Die europäischen Behörden haben keine Handhabe gegen diesen Diebstahl, weil ein entsprechendes Gesetz fehlt.

Am Dienstag stellt Pro Wildlife den Teilnehmern der CITES-Konferenz den neuen Bericht vor – mit aktuellen Angeboten national geschützter Arten aus zehn Ländern. Erst Anfang September sind in Holland drei spanische Tierschmuggler mit 259 Reptilien aus Mexiko erwischt worden – nur wenige Tage vor der weltgrößten Reptilienbörse im nordrhein-westfälischen Hamm. Einer der Tierschmuggler ist im „Stolen Wildlife II“-Report mit seinen Inseraten als Fall vertreten. Auf der Veranstaltung von Pro Wildlife berichten Regierungsvertreter von Malaysia und Guatemala, wie ihre Artenvielfalt für den europäischen Heimtiermarkt geplündert wird.

Reptilienanträge bei der CITES-Konferenz basieren auf früherem Bericht von Pro Wildlife

Als Reaktion auf den ersten „Stolen Wildlife“-Bericht Ende 2014 beantragen die Europäische Union sowie diverse Herkunftsländer nun auf der CITES-Konferenz weltweite Handelsbeschränkungen oder -verbote für mehr als 30 Reptilienarten. So sollen diverse Alligator-Baumschleichen (Lateinamerika), der himmelblaue Zwerggecko (Tansania) und der psychedelische Gecko (Vietnam) international geschützt werden. Malaysia will zudem den Borneo-Taubwaran unter Schutz stellen lassen, Madagaskar den Masobe-Gecko und Kenia zwei Giftschlangenarten – all diese Tiere werden trotz Fang- und Exportverbot im Herkunftsland international gehandelt.

CITES-Schutz ist wichtig – reicht aber nicht aus

Auf der CITES-Konferenz wird ab Mittwoch über diese Schutzanträge verhandelt. „Diese Anträge sind richtig und wichtig – aber sie reichen bei weitem nicht aus, um das Problem zu lösen“, sagt Altherr. „Denn im Handel sind hunderte, wenn nicht gar tausende Arten, die in ihrer Heimat streng geschützt, aber nicht bei CITES gelistet sind.“ Die EU hat für die CITES-Konferenz eine Resolution vorgeschlagen, die die Herkunftsländer ermuntert, ihre national geschützten in Anhang III von CITES zu listen. Pro Wildlife sieht diesen Vorstoß als Versuch der EU, sich ihrer Verantwortung als Absatzmarkt und Herkunft der Tierschmuggler entziehen: „Die EU will, dass Herkunftsländer wie Brasilien, Iran, Vietnam oder Pakistan die alleinige Vollzugsarbeit leisten. Länder wie Brasilien, Mexiko oder Australien haben tausende national geschützte Arten. CITES Anhang III würde zu einem Telefonbuch aufgebläht werden – ein Alptraum für jeden Vollzugsbeamten“, so Altherr.

Pro Wildlife: Die EU braucht ein Pendant zum US Lacey Act

Pro Wildlife fordert deshalb ein EU-Gesetz, entsprechend dem US Lacey Act: Dieser macht Import, Besitz, Kauf und Export von Wildtieren und -Pflanzen strafbar, deren Fang oder Ausfuhr im Heimatland gegen die dortigen Gesetze verstößt. „Ein EU Lacey Act würde klare Verhältnisse schaffen“, so Altherr. Länder wie Australien, Costa Rica oder Indien lassen keinerlei Wildtierexporte oder nur mit ausdrücklichen Genehmigungen zu. Die Idee eines EU Lacey Acts wird von immer mehr Gremien unterstützt: Sowohl das Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (engl. UNODC) als auch das EU-Parlament empfehlen in jüngsten Berichten zum Wildtierschmuggel eine solche Gesetzgebung. Das EU-Parlament hat am 15. September eine Resolution verabschiedet, die diese Forderung bekräftigt.

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