Walfang in Island

Island ist das einzige Land, das noch Finnwale tötet

Walfang in Island

Islands Regierung gibt bislang einem Millionär das Monopol auf das Töten der zweitgrößten Tierart der Welt, den Finnwal (bis zu 24 Meter lang und bis zu 70 Tonnen schwer). Kein anderes Land bejagt diese bedrohte Art, kein anderes Land hat in den letzten 20 Jahren solche Berge an Walfleisch exportiert wie der nordeuropäische Inselstaat. Von 2019 bis 2021 ruhten die Harpunen, die Fangflotte blieb im Hafen – und Anfang 2022 kündigte Islands Regierung an, die Quoten ab 2024 nicht mehr zu genehmigen. Doch zu früh gefreut: 2022 fuhren Loftssons Schiffe wieder aus und töteten 148 Finnwale. Fotos der Aktivisten von Hard To Port und unser Briefing für die Walfangtagung 2022 zeigen, wie grausam der Walfang in Island ablief. Am 20. Juni 2023 dann zunächst die erlösende Nachricht: Islands Fischereiministerin stoppt einen Tag vor dem geplanten Auslaufen der Schiffe die diesjährige Jagd – vorläufig bis zum 31. August. Doch am 31. August dann der Schock: Der Walfänger bekommt für den Rest der Jagdsaison nochmal grünes Licht…

Island war früher eines der aktivsten Walfangländer: Tausende Blau-, Finn-, Sei- und Buckelwale starben von Anfang des 20. Jahrhunderts bis 1989 in isländischen Gewässern. Das kleine Land profitierte vor allem von den Exporten von Walprodukten nach Japan. Nachdem 1986 das kommerzielle Walfangmoratorium der Internationalen Walfangkommission (IWC) in Kraft trat, verließ Island wutentbrannt die IWC und hoffte auf fortwährende Exporte nach Japan. Doch Japans Gesetze verbieten den Import von Ländern, die nicht Mitglied der IWC sind. Island setzte 14 Jahre mit der Jagd aus, trat 2003 wieder in die IWC ein – diesmal mit einem formellen Einspruch gegen das Walfangmoratorium. Seither (Stand: Mai 2023) sind mindestens 1.000 Finnwale und 454 Zwergwale mit Explosivharpunen getötet worden – und im September 2023 werden dank einer schockierenden Entscheidung der Fischereiministerin wohl nochmals dutzende Finnwale dazukommen.

Die Finnwaljagd ist eine One-Man-Show

Der Finnwalfang Islands ist in der Hand eines einzigen Unternehmers, Kristján Loftsson. Loftsson ist nicht nur Geschäftsführer von Islands einziger Finnwalfang-Firma, der „Hvalur hf“, sondern gleichzeitig auch Mitglied der isländischen IWC-Delegation und einflussreicher Lobbyist in eigener Sache. 1974 hat Loftsson die Leitung von Hvalur hf nach dem Tod seines Vaters übernommen; er und seine Schwester sind bis heute die Hauptaktionäre.

Loftssons Walfangflotte im Hafen von Reykjavik © Dirk Heldmaier
Loftssons Walfangflotte, die Schiffe Hvalur 6 bis 9, im Hafen von Reykjavik © Dirk Heldmaier

Dass Hvalur hf bis heute als einziges Unternehmen Finnwale fangen darf, zeigt den immensen politischen Einfluss Loftssons: Denn selbst die massive internationale Kritik, diplomatische Verwarnungen durch die EU, Beschwerden der Waltourismusindustrie, deren Geschäfte durch die Finnwaljagd geschädigt werden, ja sogar eine Studie, die den internationalen Imageschaden Islands hervorhebt – all das hat Loftssons grausame Jagd bislang noch nicht stoppen können.

Absatzschwierigkeiten in Japan

Loftsson hofft auf Japan als Absatzmarkt: Und tatsächlich beliefen sich Islands Gesamtexporte 2014 bis 2016 auf 5.500 Tonnen Walprodukte. Nachdem jedoch ein Großteil der Ware von Japans Gesundheitsbehörden zurückgewiesen wurde, pausierte Loftsson 2016 und 2017 mit dem Fang von Finnwalen. 2018 liefen Loftssons Schiffe jedoch wieder aus und harpunierten 148 Finnwale. 2019 pausierte Loftsson erneut, offenbar wurde ihm die Lizenz verweigert: Denn im Jahr davor hatte Loftsson offenbar ohne gültige Fischereilizenz Wale gejagt.

Nachdem Japan den Hochsee-Walfang im Sommer 2019 beendete, hoffte Loftsson auf wachsende Absatzmöglichkeiten – doch das erwies sich als Trugschluss: Zwar verschiffte Hvalur hf 2018 noch 1.700 t Finnwalfleisch nach Japan, doch die Lieferung erfüllte erneut nicht Japans Fleischhygienestandards. Mangels Absatzmöglichkeiten blieb die Hvalur-Fangflotte von 2019 bis 2021 im Hafen, u.a. auch weil Islands oberste Veterinärbehörde Loftsson verbot, die angelandeten Finnwale weiterhin unter freiem Himmel zu verarbeiten. Dieses Verbot zog die Veterinärbehörde im Oktober 2021 wieder zurück…

Trotz der erheblichen Absatzprobleme in Japan exportierte Island im Februar 2023 erneut Walfleisch nach Japan – diesmal etwa 2.500 Tonnen mit einem angeblichen Marktwert von 18,7 Mio. Euro. Dies war die größte Walfleischlieferung seit 35 Jahren. Ob diese Rekordmenge die japanischen Hygienestandards erfüllt oder erneut im Hafen liegenblieben, ist bislang unbekannt (Stand Februar 2023).

Getötete Finnwale © Dagur Brynjólfsson
Getötete Finnwale © Dagur Brynjólfsson

Walfang für Nahrungsergänzungsmittel?

In isländischen Zeitungsartikeln war zu lesen, dass Loftsson Finnwale zu Nahrungsergänzungsmitteln verarbeiten und damit – wieder einmal – neue Absatzmärkte entwickeln möchte. Waren dies in der Vergangenheit Omega-3-Fettsäure-Pillen und sogar Walbier, sollen es nun Präparate gegen Eisenmangel sowie Gelatine „für medizinische Zwecke“ sein. Loftsson scheut nicht einmal davor zurück, die Sorgen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezüglich Blutarmut in Entwicklungsländern zu zitieren. Ein absurder Täuschungsversuch, denn selbst wenn Finnwale wirklich die Wunderwaffe gegen Anämie wären: Island darf Finnwalprodukte laut internationalem Recht nur nach Japan (oder theoretisch nach Norwegen) verkaufen – denn nur diese Länder haben einen formalen Widerspruch gegen das internationale CITES-Handelsverbot für diese Walart. Und ob Anämie im Industrieland Japan ein bedeutendes Gesundheitsrisiko ist, darf bezweifelt werden. Auch in Island selbst dürfte die Nachfrage nach solchen Pseudo-Mittelchen eher gering sein. Eine absurde Posse also – die Loftsson noch immer als Option für künftigen Walfang aufrechterhalten will.

Walfang in Island: grausam und ein sterbender Zweig

Beim Walfang in Island getötet: ein Finnwal mit zwei Harpunen
Finnwal mit zwei Harpunen, Sommer 2022 © Arne Feuerhahn / Hard to Port
  • Islands Zwergwalfang, bei dem Fischer als Nebenerwerb nur wenige Dutzend Tiere jährlich fingen und über Supermärkte und Restaurants (z.B. als Wal-Carpaccio oder Whale-Burger) zu vermarkten suchten, ist wenig einträglich. Im Frühjahr 2020 verschrottete der Fischer, der bisher am eifrigsten Zwergwale fing, deshalb seine Harpunen. Auch die anderen Fischer haben die unrentable Jagd auf Zwergwale inzwischen aufgegeben.
  • Es stellt sich jedoch die Frage, wie lange Island noch die internationale Staatengemeinschaft mit seiner Jagd auf Finnwale brüskiert – einer Art, die auf der Roten Liste noch immer als bedroht eingestuft ist.
  • Loftsson ist inzwischen 80 Jahre alt und damit längst im Rentenalter. 2019 bis 2021 blieb Loftssons Flotte im Hafen. Mit drei Jahren in Folge, in denen Harpunen der Hvalur hf Schiffen ruhten, standen die Zeichen also gut, dass die Finnwaljagd nicht weitergeht. Doch Loftssons Quote ist noch bis einschließlich 2023 gültig. 2022 ließ er erneut 148 der Meeresriesen töten…
  • Im Februar 2022 vermeldete das isländische Fischereiministerium jedoch, dass man ab 2024 keine Walfangquoten mehr erteilen wolle.
  • Im Sommer 2022 dokumentierten Aktivisten der Organisation Hard to Port am Hafen mit Fotos, wie grausam die Finnwaljagd ist: Einige der angelandeten Tiere zeigten mehrere (bis zu vier) Harpunen im Leib. Bedenkt man, dass es acht Minuten braucht, um die Harpune nachzuladen, leiden manche Finnwale knapp eine halbe Stunde, bevor sie sterben. Dies zeigt unser Briefing für die IWC-Tagung im Oktober 2022.
  • Aufgrund der schockierenden Fotos von Hard to Port veranlasste Islands Fischereiministerin Svandís Svavarsdóttir im August 2022, dass die Waljagd ab sofort an Bord durch die Veterinärbehörde MAST überwacht werden muss.

2023 – eine Chronik der letzten Walfangsaison?

  • Im Februar 2023 erreichte die Rekord-Lieferung von 2.500 Tonnen Walfleisch v.a. aus Island den Hafen von Shimonoseki, Japan – die größte Lieferung seit 35 Jahren. Ein letztes Leerräumen der Kühlhäuser, bevor die Waljagd in Island endlich ein Ende findet?
  • Der Abschlussbericht der isländischen Ernährungs- und Veterinärbehörde MAST wurde im Mai 2023 veröffentlicht und bestätigt: Viele der Finnwale sterben einen langsamen, qualvollen Tod – die Jagd widerspricht dem isländischen Tierschutzgesetz. Der Bericht von MAST könnte das ausschlaggebende letzte Steinchen sein, damit ab 2024 tatsächlich keine Quote mehr erteilt wird…
  • Am 19. Juni 2023 schließlich bestätigte Islands Fachrat für Tierwohl, dass die Finnwaljagd allein aufgrund der Größe der Tiere grundsätzlich nicht tierschutzkonform möglich sei. Am 20. Juni 2023 – nur zwei Tage vor dem offiziellen Auslaufen von Loftsson Schiffen – zog die Fischereiministerin die Reißleine und verbot die Finnwaljagd, zunächst bis zum 31. August, also bis kurz vor Ende der Saison.
  • Am 14. Juli 2023 gab Loftsson bekannt, dass seine komplette Mannschaft trotz des Verbotes bereit stehe und die Schiffe und die Verarbeitungsstation an Land instand setzen würde.
  • Am 20. August 2023 veröffentlichte das Fischereiministerium einen Bericht, der bestätigt, dass die Finnwaljagd keinerlei wirtschaftliche Relevanz hat.
  • Am 28. August 2023 folgte ein weiterer Bericht des Ministeriums, demnach eine Verbesserung der Fangmethoden nun doch prinzipiell möglich sei. Nur einen Tag später verließen zwei Schiffe Loftssons den Hafen – noch vor der offiziellen Erlaubnis der Ministerin.
  • Hollywood-Größen wie Leonardo di Caprio und Hillary Swank sowie Filmregisseure wie James Cameron und Peter Jackson appellierten bis zur letzten Minute, die Waljagd nicht zu genehmigen.
  • Doch am 31. August 2023, dem letzten Tag des geltenden Fangverbotes, gab die Ministerin grünes Licht für die restliche Fangsaison (die wetterabhängig noch bis ca. Ende September geht).
  • Am 1. September startete die Jagd, doch nur eine Woche später musste eines der beiden Schiffe zurück in den Hafen, da bereits schwere Verstöße gegen die Tierschutzauflagen festgestellt wurden. Das Schiff musste deshalb mehrere Tage im Hafen bleiben, was mehreren Finnwalen das Leben rettet.
  • Am 2.10. vermeldete die isländische Presse das Ende der diesjährigen Walfangsaison: Insgesamt 24 Finnwale wurden 2023 getötet. Die Entscheidung der Ministerin steht jedoch noch immer aus, ob Loftsson ab 2024 erneut für fünf Jahre Fangquoten erhält. Derzeit liegt im isländischen Parlament allerdings ein Antrag auf dem Tisch, Walfang gesetzlich zu verbieten…

Das tut Pro Wildlife

Pro Wildlife setzt sich innerhalb der EU und im Rahmen der Internationalen Walfangkommission für ein lückenloses kommerzielles Walfangverbot ein. Unser größter Erfolg (gemeinsam mit anderen Verbänden und engagierten Ländern) ist, dass das IWC-Moratorium bis heute noch in Kraft ist – trotz aller Versuche der Walfangländer, diese lästige Einschränkung zu beseitigen. Doch das reicht uns nicht:

Die Gesetzeslücken, mit denen Japan, Island und Norwegen das Moratorium umgehen, müssen endlich geschlossen werden. Um dies zu erreichen, informiert Pro Wildlife regelmäßig die Walschutzländer über Entwicklungen im Walfang und liefert ständig neue Argumente für den internationalen Verhandlungstisch. Die letzte Verhandlungsrunde war im Oktober 2022 in Slowenien, die nächste ist im September 2024 in Peru.

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