München, 5. Juni 2025 – Ob Krokodil im Kleingarten, Anakonda im Bachlauf oder bissige Geierschildkröte auf Abwegen – in jüngster Zeit häufen sich in Deutschland Berichte zu entkommenen, ausgesetzten oder beschlagnahmten exotischen Tieren. „Jeder kann sich auf Tierbörsen oder im Internet ganz leicht eine Klapperschlange oder ein Krokodil kaufen – das ist absurd und gefährlich. Deutschland braucht endlich klare und bundesweite Regeln, welche Tiere als Haustiere erlaubt sind“, fordert Dr. Sandra Altherr, Mitgründerin der Tier- und Artenschutzorganisation Pro Wildlife.
Krokodile, Anakondas, Giftschlangen: Es kreucht und fleucht in Deutschland
Die Bilanz der vergangenen Monate ist alarmierend:
- Quickborn (Schleswig-Holstein): Passanten entdeckten Anfang Juni eine freilebende Anakonda in einem Bachlauf.
- Gimbsheim (Rheinland-Pfalz): Am gleichen Tag verschwand kurzfristig ein Netzpython – eine der größten Schlangenarten der Welt – aus einem privaten Terrarium.
- Nordhausen (Thüringen): Im Mai wurden ein Nilkrokodil sowie mehrere Gift- und Würgeschlangen aus einem Kleingarten beschlagnahmt.
- Kellinghusen (Schleswig-Holstein): Eine gefährliche Geierschildkröte wurde ebenfalls im Mai gefunden, die vermutlich ausgesetzt worden war.
- Duisburg (NRW): Im August 2024 wurde eine giftige Kobra vor einer Arztpraxis entdeckt.
- Pinneberg (Schleswig-Holstein): Einsatzkräfte versuchten vergangenen Sommer monatelang erfolglos, eine hochgiftige Afrikanische Baumschlange aufzuspüren.
Lückenhafte Gesetzgebung gefährdet Mensch und Tier
„Diese Fälle zeigen, wie unzureichend der Handel und die Privathaltung von Wildtieren in Deutschland geregelt sind“, warnt die Pro Wildlife Sprecherin. „Selbst gefährliche Tiere wie Riesenschlangen, Krokodile oder Giftschlangen können vielerorts ohne Erlaubnis gehalten werden.“
Während der Kauf von Klapperschlange & Co. über Tierbörsen und Internet problemlos möglich ist, existieren nur in zehn von 16 Bundesländern überhaupt Regelungen für Gefahrtiere – und diese variieren stark voneinander. Ein bundesweites Gefahrtierregister oder gar eine verbindliche Liste erlaubter Tierarten, eine sogenannte Positivliste, fehlt bislang komplett.
Forderung nach Positivliste
Pro Wildlife fordert daher seit Jahren die Einführung einer bundesweiten Positivliste, die eindeutig festlegt, welche Tiere überhaupt für eine Privathaltung geeignet und zulässig sind. „Eine Positivliste würde dreifach schützen: Tierhalter vor bösen Überraschungen, die Öffentlichkeit vor gefährlichen Ausbrüchen und die Tiere selbst vor nicht artgerechter Haltung “, so Altherr. Andere Länder, wie Belgien, die Niederlande oder Malta haben längst Positivlisten beschlossen. Pro Wildlife fordert von Bundesminister Alois Rainer, möglichst schnell auch in Deutschland mit der Erarbeitung einer solchen Liste zu beginnen.
Sommerzeit: Hochsaison für Reptiliensichtungen
Dass sich solche Vorfälle gerade jetzt häufen, hat zwei Gründe: Zum einen werden Haustiere oft zur Ferienzeit ausgesetzt – aus Überforderung oder weil sie bei Urlaubsplänen stören. „Zum anderen steigt bei wärmeren Temperaturen die Aktivität von Reptilien, die als wechselwarme Tiere besonders im Sommer mobil werden“, erläutert die Biologin Altherr. Ausgesetzte Tiere werden also häufig erst viel später „sichtbar“.
Bundesregierung muss handeln
„Die Haltung exotischer Tiere ist kein harmloses Hobby, sondern ein Tier- und Artenschutzproblem und oft auch ein Gesundheitsrisiko“, warnt die Pro Wildlife Sprecherin abschließend. „Wir brauchen eine gesetzliche Positivliste auf Bundesebene – zum Schutz von Menschen, Tieren und Umwelt.”