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Am 29. Juli 2025 tötete der Tiergarten Nürnberg zwölf gesunde Guinea-Paviane. Die Leitung des Zoos versuchte, diesen drastischen Schritt mit Platzmangel und angeblichen Artenschutzgründen zu rechtfertigen. Doch eine genaue Betrachtung zeigt: Diese Tötungen sind das Ergebnis jahrelanger Fehlentscheidungen. Zudem sollen sie dazu genutzt werden, eine verfehlte Zucht- und Tötungspolitik gesellschaftsfähig zu machen.
Töten für den Artenschutz
Die Behauptung, die Tötung der Paviane diene dem Artenschutz, ist nicht haltbar.
Der Tiergarten züchtet seit 83 Jahren Guinea-Paviane, ohne dass jemals ein Tier ausgewildert wurde – und ohne dies zukünftig zu planen. Es existiert keine realistische Perspektive für eine Wiederauswilderung dieser Tiere, die Zucht dient somit rein institutionellen Zwecken, nicht dem Erhalt der Art.
Das oft zitierte Konzept der „Reservepopulation“ ist kein gesetzlicher Auftrag, sondern eine selbst definierte Zielsetzung der Zoos. Es rechtfertigt weder die Erzeugung überzähliger Tiere noch deren Tötung.
Wirklicher Artenschutz findet dort statt, wo Lebensräume erhalten und Wildtiere vor Ort geschützt werden. Wir unterstützen Organisationen in Afrika und anderen Erdteilen, die solche Arbeit unter teils lebensgefährlichen Bedingungen leisten.
Selbstverschuldeter Platzmangel
Das Argument, die Tötung sei wegen Platzmangels unausweichlich ist vorgeschoben.
Der Tiergarten wusste seit Jahren, dass die Haltungskapazität überschritten ist, ohne wirksame Gegenmaßnahmen einzuleiten. Statt die Zucht auszusetzen oder konkrete Konzepte zur Abgabe von Tieren und Erweiterung der Gehege zu entwickeln, setzte man auf „weiter wie bisher“ – mit absehbarem Ergebnis.
Obwohl seit Jahren klar war, dass es kaum Abnehmer für Nachzuchten gibt, wurde unbeirrt weitergezüchtet.
Verstoß gegen das Tierschutzgesetz
Der Zoo beruft sich auf eine angebliche rechtliche Grauzone. Doch das Tierschutzgesetz ist klar:
Die vorsätzliche Tötung eines Wirbeltiers ohne vernünftigen Grund ist strafbar. Weder der selbst herbeigeführte Zuchtüberschuss noch das selbst gesteckte Ziel der Reservepopulation erfüllen die Voraussetzungen eines vernünftigen Grunds.
Bereits 2011 wurde in einem ähnlichen Fall das Töten gesunder Tigerbabys in einem deutschen Zoo vom Oberlandesgericht Naumburg als strafbar beurteilt. Auch dort diente der vermeintliche Artenschutz als Vorwand. Der Fall in Nürnberg zeigt erschreckende Parallelen.
Nicht tierschutzgerechte Tötungsmethoden
Die Tötung der Affen durch Kopfschuss, während sie in Transportboxen gesperrt waren, wurde vom Zoo als „schnellste und für die Tiere sauberste Methode“ bezeichnet.
In Wahrheit ist dies ein hochproblematischer Umgang mit empfindsamen und intelligenten Tieren. Tiere in menschlicher Obhut werden üblicherweise eingeschläfert – warum sollten andere Maßstäbe für Zootiere gelten?
Es scheint vielmehr, der Tiergarten Nürnberg habe unter allen Umständen vermeiden wollen, die Affen einzuschläfern – um sie anschließend an andere Zootiere verfüttern zu können. Die Gretchenfrage ist: Ist die Erschießung unbetäubter Tiere in einer Transportkiste tatsächlich eine humane Tötungsmethode – oder geht es darum vor Gericht straffrei davon zu kommen? Offenbar will man die Verfütterung der Affen an Raubtiere als vernünftigen Tötungsgrund gemäß Tierschutzgesetz darstellen. Dabei wurden die Paviane nicht als Futtertiere gezüchtet, sondern zum Erhalt der Art. Ein Widerspruch der vor Gericht hoffentlich keinen Bestand haben wird.
Tötung als neue „Normalität“?
Besonders besorgniserregend: Der Direktor des Nürnberger Tiergartens, unter dessen Verantwortung die Tötungen erfolgten, ist seit kurzem Präsident des Verbands der Zoologischen Gärten (VdZ). Er wird künftig die Standards für Zoos in Deutschland entscheidend mitbestimmen. Schon jetzt fordern weitere Einrichtungen offen die Möglichkeit, überzählige Tiere – sogar Menschenaffen – systematisch töten zu dürfen.
Hier soll offenbar ein Präzedenzfall geschaffen werden. Was als „Einzelfall“ dargestellt wird, könnte schon bald Schule machen.
Schlussfolgerung: Tötung als „Zoo-Management“ – ein beunruhigendes Signal
Der Fall der Paviane zeigt mit erschreckender Klarheit, wohin es führt, wenn wirtschaftliche Zwänge, institutionelles Versagen und eine verfehlte Zoopolitik das Leben von Tieren entwerten. Die Praxis, eigens gezüchtete Tiere als „Probleme“ zu behandeln und durch Tötung zu „entsorgen“, ist nicht nur ethisch fragwürdig, sondern auch juristisch anfechtbar.
Zoos in ihrer heutigen Form sind nicht mehr zeitgemäß. Was wir brauchen ist wirksamer Artenschutz vor Ort und Auffangstationen, die sich um heimische Tierarten kümmern und dabei jedes einzelne Individuum wertschätzen.
Pro Wildlife hat Strafanzeige gestellt und fordert politische Konsequenzen. Es ist Zeit, dass die Gesellschaft über den ethischen Rahmen von Tierhaltung in Zoos neu diskutiert.
Zoologische Gärten müssen verpflichtet werden, Tiere nur dann zu züchten, wenn sie für die Nachkommen auch eine artgemäße Unterbringung gewährleisten können.
Quellen:
- Pressemeldung Tiergarten Nürnberg
- SZ-Artikel vom 31. Juli 2025: „Die Paviane zu töten, wäre skandalös“
- ZEIT-Interview vom 31. Juli 2025: „Pavian-Tötung in Nürnberg nachvollziehbar“