Tierhandel: Giftfischerei für europäische Aquarien

Neue Studie zeigt: Jeder sechste Meereszierfisch in der EU ist mit Nervengift Cyanid belastet

München, 24. August 2017. Einer neuen Studie der Universität Aveiro in Portugal zufolge weisen 15 Prozent der Korallenfische im EU-Tierhandel hohe Natriumcyanid-Werte auf. Die Wissenschaftler belegen, dass für den zerstörerischen Handel mit Meeresfischen noch immer tödliches Nervengift eingesetzt wird. Die Fischer lähmen die im Aquaristik-Handel so beliebten Korallenfische kurzzeitig, um sie leichter einfangen zu können. „ Diese Praxis ist ökologisch unverantwortlich: Viele Fische sterben dabei, andere Riffbewohner inklusive der Korallen selbst werden gleich mitvergiftet und so das gesamte Ökosystem geschädigt. Weil der Fang mit Cyanid ungleich effektiver ist als die Jagd mit Netzen, lohnt sich der Einsatz für die Fischer trotz der hohen Todesrate“, kritisiert Dr. Sandra Altherr von der Tier- und Naturschutzorganisation Pro Wildlife. Obwohl Cyanid-Fischerei in den beiden Hauptlieferländern Indonesien und Philippinen seit langem verboten ist, ist der Anteil so gefangener Fische in den vergangenen 20 Jahren im Handel gleichgeblieben.

Deutschland ist zweitgrößter Importeur in der EU

Millionen Fische werden jährlich in tropischen Korallenriffen gefangen, etwa die Hälfte der knapp 4.000 bekannten Korallenfischarten ist im Aquarienhandel zu finden. Die Europäische Union ist der größte Absatzmarkt weltweit, mit steigenden Importen und einem aktuellen Handelswert von 14 Millionen Euro. Deutschland ist dabei nach Großbritannien der zweitgrößte Importeur von Meereszierfischen. Besonders begehrt in der Meeresaquaristik sind die leuchtend bunten oder auch kontrastreich gemusterten Doktorfische, Falterfische, Kaiserfische und Riffbarsche. Viele der Tiere stammen aus Indonesien und den Philippinen. Vor 15 Jahren sorgte die Fischerei mit dem Nervengift Cyanid und ihre katastrophalen ökologischen Folgen für internationale Schlagzeilen, diverse Länder verboten den Einsatz, Importeure und Großhändler kündigten an, auf Tiere aus Cyanidfischerei zu verzichten. Die neue Studie entlarvt, was von diesen Versprechen zu halten ist.

Verbotene Fangmethode noch immer im Einsatz

Die Wissenschaftler um Marcela Vaz betonen, dass der Anteil an mit Cyanid gefangenen Fischen möglicherweise noch höher liegt. Denn die während Fang und Transport bereits verstorbenen Fische sind in der Studie nicht berücksichtigt. Die Autoren kritisieren, dass der Tierhandel seit langem von der Cyanid-Praxis weiß. In der Studie heißt es: „Die meisten Großhändler, die lebende Korallenfische für die Aquaristik verkaufen, behaupten, sie würden verantwortungsvolle Fangpraktiken unterstützen. Sie präsentieren oft Pseudo-Zertifikate, die belegen sollen, dass ihre Firma keine Fische aus Cyanid-Fang verkauft.“ Die Organisation Pro Wildlife bestätigt die Vorwürfe: „Noch immer sind die allermeisten Meereszierfische Wildfänge aus den Ozeanen. Der Tierhandel muss endlich sicherstellen, dass er sich nicht länger am Sterben der Korallenriffe mitschuldig macht“, so Altherr. „Und wir appellieren an die Aquarienbesitzer: Finger weg von Wildfängen.“

Tonnenweise Gift im Riff

Cyanid lähmt die Muskeln der Fische und lässt sie im Wasser treiben, wo sie von den Fischern mühelos eingesammelt werden können. Der Fang mit Netzen ist hingegen viel schwieriger: „Die Fische fliehen in die kantigen und verwinkelten Korallen hinein, wo man sie kaum mit dem Netz erwischt. Die scharfen Korallenkanten beschädigen zudem die Netze, die Fische müssen einzeln in das Netz getrieben werden – das sind alles Gründe, warum die Fischer trotz Verbot lieber zum günstigen und aus ihrer Sicht hocheffizienten Gift greifen,“ erläutert die Pro Wildlife Sprecherin. Schätzungen aus den 1980ern zufolge landen jährlich 150 Tonnen Natriumcyanid allein in den Korallenriffen der Philippinen. Die neue Studie lässt befürchten, dass diese rücksichtslose Vergiftung der Riffe bis heute anhält.

Download der Studie von Vaz et al.

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