Tourismus: Selfie mit Tiger

Massenzucht für Schnappschuss und die Traditionelle Asiatische Medizin

Tourismus: Selfie mit Tiger

Millionen von Tourist*innen reisen jährlich nach Südostasien. Bei vielen von ihnen stehen ein Selfie mit Tiger, das Füttern von Tigerbabys, der Besuch eines Tigertempels oder andere Attraktionen mit Wildtieren ganz oben auf dem Urlaubsprogramm. Unmengen von Tourist*innen posieren so jedes Jahr mit Wildtieren vor der Kamera. Doch hinter diesen vermeintlich schönen Angeboten versteckt sich für die Tiere eine lebenslange Qual. Weltweit leben dreimal mehr Tiger in Gefangenschaft als in freier Wildbahn.

Gestreichelt, gekuschelt und für Selfies gequält

In der freien Natur bleibt eine Tigermutter mit ihrem Nachwuchs mehrere Jahre zusammen. Doch die Realität in Tigerfarmen und ähnlichen Urlaubsattraktionen sieht anders aus. Hier werden die Jungtiere bereits kurz nach der Geburt von der Mutter getrennt. Das sogenannte „Speed-breeding“ ist die gängigste Methode der Tigerzucht, denn durch das frühe Trennen der Jungtiere kann das Tigerweibchen schneller neuen Nachwuchs gebären und so für ständigen Nachschub an Jungtieren sorgen. Urlaubenden und Volunteers können die Jungtiere dann für viel Geld mit der Flasche füttern und ein Selfie mit ihnen machen.

Damit Tiger den direkten Kontakt mit Menschen zulassen, werden sie mithilfe von Schlägen und Medikamenten gefügig gemacht. Die wenige Wochen alten Tiger werden jeden Tag von Schoss zu Schoss gereicht. Eine Qual für die Tiere – sie müssen stundenlang ruhig liegen, für die Kamera posieren, auf Anweisung die Zähne zeigen, Brüllen und gegebenenfalls Kunststücke vollführen. Für die gewünschten Posen werden die Tiger mit Stöcken ins Gesicht gestoßen, geschlagen und in die richtige Position gezerrt. Während der Fotostunden liegen sie zudem häufig in der prallen Sonne.

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Der ständige direkte Kontakt mit Tourist*innen und die laute Umgebung stellen für die Tiere einen enormen Stress dar. Die restliche Zeit verbringen sie zusammengepfercht mit ihren Artgenossen in viel zu kleinen Käfigen. Eine Zumutung für die einzelgängerischen Raubkatzen. Aufgrund des fehlenden Bewegungsfreiraums und fehlender Beschäftigungsmöglichkeiten erlernen die Jungtiere weder natürliches Verhalten noch können sie dieses in den kargen Gehegen ausleben. Darüber hinaus werden die Tiger in Touristenattraktionen nicht artgerecht ernährt. Ihnen fehlt es an wichtigen Mineralien und Vitaminen, was zu Schäden an den Augen, den Muskeln und den Knochen führt.

Neben dem Leid, das die Tiger täglich erleben, ist der direkte Kontakt mit den Tieren auch für den Menschen mit enormen Risiken verbunden. Trotzdem dürfen sogar Kinder die majestätischen Raubkatzen streicheln, sich auf ihren Rücken oder Bauch setzen oder den Kopf des Tigers in ihren Schoss legen. Um die Gefahr für die Besuchenden zu minimieren, sind die Raubkatzen häufig mit Medikamenten ruhiggestellt und an kurzen Eisenketten fixiert. Trotzdem kommt es jährlich zu zahlreichen Angriffen mit Biss- und Kratzwunden.

Selfie mit Tiger: Tigerjunges © Jo-Anne McArthur We Animals
Tigerjunges © Jo-Anne McArthur We Animals

Tiger aus dem Tourismus für Traditionelle Asiatische Medizin getötet

Mit Eintreten der Geschlechtsreife werden Tiger für den Umgang mit Tourist*innen zu gefährlich und verschwinden häufig aus den Urlaubsattraktionen. Oft werden sie dann für viel Geld auf dem Schwarzmarkt verkauft. Denn in der Traditionellen Asiatischen Medizin gelten Tigerprodukte als wertvolle Zutaten. Ihnen werden verschiedenste angeblich heilende und potenzsteigernde Wirkungen zugeschrieben. Knochen, Zähne, Krallen, Geschlechtsteile und innere Organe werden unter anderem für die Behandlung von Malaria, Rheuma, Arthritis und anderen Gelenkbeschwerden verwendet. Darüber hinaus wird Tigerprodukten nachgesagt, dass sie vor einer Infektion mit COVID schützen.

Obwohl China 1993 den Handel mit Nashorn-Horn und Tigerknochen verboten und aus dem Arzneibuch der Traditionellen Chinesischen Medizin gestrichen hat, floriert der Schwarzmarkt noch immer. Auch die Tatsache, dass Wildtierfarmen in China weiter erlaubt sind, befeuert den Handel mit Wildtierprodukten für die Traditionelle Asiatische Medizin. Doch nicht nur als vermeintliche Medizin werden Tiger(produkte) illegal gehandelt: Tigerfleisch und -fell sind genauso wie Deko-Objekte aus Tigern immer noch angesehene Statussymbole, gerade unter Einflussreichen und Wohlhabenden.

Sibirischer Tiger
Sibirischer Tiger

Der illegale Tigerhandel

Seit 1975 sind Tiger durch das Washingtoner Artenschutzabkommen (CITES) international streng geschützt und der internationale Handel mit Produkten von wilden Tigern verboten. 2007 wurde zusätzlich beschlossen, dass Tiger nicht mehr für den Handel gezüchtet werden dürfen. Darüber hinaus gibt es in vielen Ländern nationale Verbote des Handels mit Tigerprodukten und lebenden Tieren. Trotzdem floriert der illegale Handel immer weiter, denn bestehende Gesetze werden nur äußerst unzureichend umgesetzt und die Verantwortlichen häufig nicht zur Rechenschaft gezogen.

Auch Tourist*innen unterstützen ungewollt den illegalen Tigerhandel, zum Beispiel wenn sie Felle, Zähne und Krallen von Tigern als Souvenirs kaufen. Aus Tigerknochen hergestellter Kuchen und Wein sowie Tiger-Fleisch gelten als Delikatesse und sollen ebenfalls pharmazeutische Wirkung haben. Reisende probieren diese Produkte immer wieder, weil sie denken, es gehöre zum kulturellen Erlebnis dazu. Doch tatsächlich befeuern sie so den illegalen Handel.

Tigerpfote in Myanmar © Soggydan Benenovitch
Tigerpfote in Myanmar © Soggydan Benenovitch

Zuchtfarmen – Massenproduktion von Raubkatzen trifft auf Tigertourismus

Der Handel mit Tigerprodukten ist äußerst lukrativ, denn Tiger egal ob lebendig oder tot bringen den Besitzer*innen große Summen ein. Neben Prostitution und Drogenhandel gehört der Handel mit illegalen Tierprodukten weltweit zu den lukrativsten Geschäften auf dem internationalen Schwarzmarkt.

In Zuchtfarmen in Asien werden daher Tiger sowie in Afrika Löwen massenhaft gezüchtet, um sie zuerst im Tourismus gewinnbringend einzusetzen und später ihre Knochen in der Traditionellen Asiatischen Medizin zu Geld zu machen. Mit diesem Angebot treiben sie die Nachfrage nach Tigerprodukten weiter an und befeuern so zusätzlich den illegalen Handel.

Noch höhere Preise auf dem Schwarzmarkt erzielen Produkte von wilden Tigern. In der Traditionellen Asiatischen Medizin gelten sie als besonders potenzsteigernd und edler als gezüchtete Tiere. Deshalb werden die ohnehin stark dezimierten Populationen in freier Natur durch Wilderei weiter gefährdet.

Allein in Asien fristen mehr als 8.900 Tiger ihr Dasein in Gefangenschaft auf Zuchtfarmen und in touristischen Attraktionen. Das sind annähernd doppelt so viele Tiere wie heute in freier Wildbahn überleben.

Als Hotspots für Zuchtfarmen und den illegalen Handel mit Tigerprodukten gelten China, Vietnam und Thailand. Die meisten Farmen befinden sich in China, wo etwa 5.000 bis 6.000 Tiger gehalten werden. Einige der Einrichtungen besitzen mehr als 1.000 Tiere. Während der Großteil dieser Farmen in China für Reisende nicht zugänglich sind, eröffnen in Südostasien immer mehr „Tigertempel“, Zoos und selbsternannte „Arterhaltungszentren“. Hier werden täglich bis zu 800 Tourist*innen mit ihrem persönlichen Selfie versorgt.

Auch Urlaubsattraktionen, wie zum Beispiel der Tigertempel in Thailand, sind in den illegalen Handel mit Tigerteilen und -produkten verwickelt. Es ist üblich, dass Urlaubsattraktionen und Tigerfarmen Tiere austauschen, um aggressive und ältere Tiere durch jüngere und ruhigere zu ersetzen.

In Thailand gibt es mittlerweile mehr als 50 Urlaubsattraktionen mit etwa 1.500 Tigern, die sich größtenteils in Privatbesitz vermögender und einflussreicher Mogule befinden. Die Anzahl der Tiger ist in den letzten Jahren rasant angestiegen, denn noch 2007 wurden „nur“ 600 Tiger in thailändischen Tigerattraktionen in Gefangenschaft gehalten. Gleichzeitig wird die Zucht der Tiere kaum überwacht.

Selfie mit Tiger: Tigerfarm
Tigerfarm

Artenschutz als Argument?

Urlaubsattraktionen mit Wildtieren werden oft unter dem Deckmantel der Arterhaltung präsentiert. Sie locken Tourist*innen in dem Glauben an, etwas für den Schutz der Tiger in freier Wildbahn beizutragen. Doch damit haben sie nichts zu tun. Denn Tiere aus der Tourismusbranche werden von klein auf an Menschen gewöhnt, viele zeigen unnatürliches Verhalten. Eine Wiederauswilderung ist zum einen gar nicht vorgesehen, zum anderen wäre sie höchst gefährlich, da die Tiere keinerlei Scheu vor Menschen zeigen. Tiger in Zuchtfarmen sind zudem häufig Hybride aus verschiedenen Unterarten, die an Inzucht leiden und auch deshalb nicht zur Auswilderung geeignet wären. Zudem fehlen geeignete, geschützte Habitate zur Wiederansiedlung.

Dennoch plant China den Sibirischen Tiger (Panthera tigris altaica), dessen Wildpopulation in China nur noch etwa 20 Tiere umfasst, aus Zuchtfarmen wieder auszuwildern. Laut eines Mitarbeiters erhalten die Tiger ein Wildnistraining, um auf das Leben in Freiheit vorbereitet zu werden. Zusätzlich sollen Waldschutzprojekte sicherstellen, dass die Habitate der Tiger geschützt und renaturiert werden. Angeblich herrsche keine Inzucht, da die Zucht seit Jahren streng kontrolliert würde.

Was Sie tun können

Besuchen Sie keine Urlaubsattraktionen mit Großkatzen in Gefangenschaft. Einrichtungen, die ein Selfie mit Tiger, das Streicheln oder Füttern der Tiere anbieten oder Zirkus-ähnliche Shows aufführen, sollten Sie in jedem Fall meiden. Beobachten Sie Wildtiere lieber in freier Wildbahn mit gebührendem Abstand und tragen Sie so deren Schutz bei. Weltweit leben rund 60 % der in freier Natur vorkommenden Tiger in Schutzgebieten.

Das tut Pro Wildlife

Pro Wildlife informiert Reisende und Reiseveranstalter über die Tier- und Artenschutzprobleme im Wildtiertourismus und gibt Tipps, worauf sie im Urlaub achten sollten. Zusätzlich setzen wir uns für strengere Gesetze und Verbote im Handel mit Wildtieren ein und helfen diese international zu schützen.

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