Haltungsverbot für Kobra und Co

NRW verbietet giftige Tiere als Haustier – endlich!

Haltungsverbot für Kobra und Co

In einer der letzten Sitzungen vor der Sommerpause, zudem spät in der Nacht, hat die Landesregierung in NRW am 24. Juni 2020 ihr Gifttiergesetz verabschiedet. Damit reagierte sie auf das Entkommen einer Kobra im August 2019, was die Evakuierung mehrerer Wohnungen und einen tagelangen Großeinsatz der Feuerwehr zur Folge hatte. Pro Wildlife und acht weitere Verbände hatten damals an die Umwelt- und Verbraucherschutzministerin von NRW geschrieben und ein Gefahrtiergesetz gefordert. Wenige Monate später legte die Ministerin ihren Entwurf vor. Mit seinem Gifttiergesetz wird NRW das neunte Bundesland, das die Haltung giftiger Tiere als Haustier einschränkt.

Kobra & Co: Ein bundesweiter Flickenteppich an Regelungen

Bayern, Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen haben bereits Regelungen zur Haltung gefährlicher Tiere als Haustier – diese weichen jedoch stark voneinander ab: Während Giftschlangen in all diesen Bundesländern unter die Regelungen fallen, gelten Berberaffen und Gibbons beispielsweise in Bayern als gefährlich, fehlen aber auf der Liste in Hamburg. Und auch die Strenge der Regelungen variiert stark: Von einer Zuverlässigkeitsprüfung (wie in Berlin) über strenge Auflagen (z.B. in Bayern) bis zum strikten Haltungsverbot in Hessen ist alles dabei. NRW hat sich für einen Mittelweg entschieden – zwar ein Haltungsverbot, allerdings nur für stark giftige Tiere. In sieben Bundesländern gibt es weiterhin keinerlei Auflagen.

Was bedeutet das Gesetz für die Privathaltung gefährlicher Tiere in NRW?

Nun reiht sich in die Liste derer, die die Gefahrtierhaltung reglementieren, also NRW ein – das Bundesland, in dem (außer in Corona-Zeiten) in der Stadt Hamm viermal jährlich die Terraristika, eine der weltweit größten Reptilienbörsen, stattfindet. Dort kann jedermann im Gifttierraum von der Klapperschlange für 30 Euro bis zum Inland-Taipan für 1.000 Euro quasi alles an Giftschlangen kaufen, was in der Natur so kreucht und fleucht. Außerhalb des Gifttierraums gibt es dann das Who-is-Who der giftigsten Spinnen und Skorpione im praktischen To-Go-Plastikbecher: Schwarze Witwe, gelber Mittelmeer-Skorpion oder Kammspinne werden für wenige Euro als Haustier mit Nervenkitzel angeboten.

Die Schwarze Witwe (Latrodectus tredecimguttatus) ist laut Gifttiergesetz künftig für Privathalter in NRW verboten
Die Schwarze Witwe (Latrodectus tredecimguttatus) ist laut Gifttiergesetz künftig für Privathalter in NRW verboten

Der Verkauf solcher Tiere bleibt in NRW leider erlaubt. Der Politik fehlte bisher der Mut, auch den Handel einzuschränken. Für Privathalter gilt künftig jedoch: Sie müssen innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes vorhandene Gifttiere melden (es gilt Bestandsschutz), dürfen aber weder ihre Tiere an andere Privatpersonen abgeben, noch neue giftige Tiere halten. Die Privathaltung von nicht-giftigen, aber dennoch für den Menschen sehr gefährlichen Tieren wie Krokodil, Löwe oder Anakonda bleibt jedoch erlaubt. Die Logik dahinter erschließt sich uns nicht, aber das Gifttierverbot ist zumindest ein Anfang.

Das Monokelkobra-Déjà-vu

Bereits vor ein paar Jahren hatte die damals noch rot-grüne Landesregierung in NRW ein Gefahrtiergesetz geplant – ebenfalls ausgelöst durch eine 2010 entkommene Monokelkobra, die ein 19-Jähriger wenige Tage zuvor auf der Terraristika in Hamm gekauft hatte. Damals wurde die Schlange über drei Wochen gesucht, dabei eine Straße gesperrt, ein Mehrfamilienhaus evakuiert und eine Wohnung entkernt. Auf den Gesamtkosten von 100.000 Euro blieb die Stadt sitzen – bei dem arbeitslosen Schlangenhalter war nichts zu holen.

Warum setzt sich Pro Wildlife für Gefahrtiergesetze ein?

Nilkrokodile (Crocodylus niloticus) bleiben in NRW als Haustier erlaubt. Es braucht ein Haltungsverbot für Kobra & Co
Nilkrokodile (Crocodylus niloticus) bleiben in NRW als Haustier erlaubt

Der Grund, warum sich Pro Wildlife gegen die Haltung von Krokodil, Kobra & Co. als Haustier ausspricht, ist, dass die Haltung vieler exotischer Tiere im Wohnzimmer ohnehin kaum oder nur mit hohem Aufwand und großer Expertise tierschutzkonform funktionieren kann. Sind solche Tiere dann auch noch gefährlich, ist ihre Versorgung nochmals schwieriger: Ein regelmäßiger Umgang mit den Tieren, um den Gesundheitszustand zu checken oder mal eben das Terrarium bzw. das Gehege zu säubern? Nicht praktikabel. Der Besuch beim nächstgelegenen Tierarzt um die Ecke, im Falle einer Verletzung oder Erkrankung? Mit Krokodil, Puma oder Kobra wohl kaum möglich. Für Tierheime und Auffangstationen sind die Versorgung und Vermittlung gefährlicher Tiere zudem weit schwieriger als für „normale“ Haustiere.

Wie beurteilt Pro Wildlife das Gifttiergesetz in NRW?

NRW-Umwelt- und Verbraucherschutzministerin Ursula Heinen-Esser begründete ihren Gesetzesentwurf im November 2019: „Giftige Tiere gehören grundsätzlich nicht in private Hände“. Der Meinung sind wir auch – aber das gilt nicht nur für Giftschlangen. Was ist mit anderen gefährlichen Tieren wie z.B. Krokodile, Großkatzen, großwüchsige Warane und Würgeschlangen? In unserer Stellungnahme, die wir im Januar 2020 an die Ministerin und den NRW-Landtag schickten, begrüßten wir ausdrücklich, dass NRW ein Verbot der Privathaltung stark giftiger Tiere plant. Gleichzeitig forderten wir eine Ausweitung der Liste verbotener Arten. Tatsächlich sind in den letzten Tagen noch einzelne Nachbesserungen erfolgt; so wurden nun u.a. auch weitere Skorpione sowie Mausspinnen in die Liste der verbotenen Tierarten aufgenommen. Aber es ist für uns nicht nachvollziehbar, warum das Gesetz nur bis zum 31.12.2025 gelten soll und warum auf ein Zuchtverbot für Gifttiere ausdrücklich verzichtet wurde. Auch tritt das neue Gesetz erst zum 1. Januar 2021 in Kraft (statt ursprünglich geplant mit sofortiger Wirkung) – was den Freunden giftiger Haustiere die Möglichkeit gibt, bis zum Jahresende nochmal einzukaufen…

Die Gefahrtierregelungen der Bundesländer bleiben damit uneinheitlich und unvollständig – und trotzdem sind sie wichtig, solange nicht die Bundesregierung den Handel mit und die Privathaltung von Wildtieren endlich begrenzt. Und zwar auf solche Arten, die aus Sicht des Artenschutzes, Tierschutzes, Naturschutzes und der Gesundheit überhaupt geeignet sind.

Autorin: Dr. Sandra Altherr
Veröffentlicht am: 25. Juni 2020

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