Lebensraumverlust und Tierhandel

Bulldozer contra Tierhandel: Wer sind die größten Übeltäter?

Lebensraumverlust und Tierhandel

Im Artenschutz erlebt man teils bizarre Diskussionen: Wenn wir beispielsweise für eine seltene Echse aus den Regenwäldern Malaysias einen internationalen Handelsstopp aushandeln wollen, hören wir von Haltern exotischer Tiere, diese Echse hätte nur in ihrem Terrarium eine Überlebenschance. Private Exotenhaltung als Arche Noah – echt jetzt? Gerne wird auch argumentiert, das Waldstück, in dem die Echse lebt, würde nur erhalten, wenn sich die Echse zu Geld machen lässt – ach ja? Regierungen, die ihre letzten intakten Waldgebiete zerstören und in Plantagen verwandeln lassen, behaupten, dies sei ein Beitrag gegen Armut und Hunger – soso… Auch Trophäenjäger begründen ihr blutiges Hobby gerne damit, dass sie quasi Entwicklungshilfe betrieben – na klar! Anlass für uns, einmal mit solchen Alibi-Argumenten aufzuräumen. Nicht umsonst benennt die Weltnaturschutzunion IUCN die Agrarindustrie und den Fang von Wildtieren als größte Ursachen für das Artensterben. Bulldozer oder Tierhandel: Wer ist der größere Übeltäter?

Plantagen gegen den Welthunger?

Artensterben: Palmöl-Plantage
Palmöl-Plantage

Rosenanbau in Äthiopien, Soja-Plantagen in Paraguay und die berüchtigten Ölpalmen-Wüsten in Indonesien: Landgrabbing ist der Fachbegriff dafür, wenn westliche Konzerne in Afrika, Lateinamerika oder Asien riesige Flächen kaufen oder pachten, um profitable Monokulturen anzulegen. Die lokale Bevölkerung hat in den allermeisten Fällen wenig davon (von ein paar schlecht bezahlten saisonalen Arbeitsplätzen abgesehen) – im Gegenteil: Oft werden Indigene und Kleinbauern von ihren angestammten Äckern und Dörfern vertrieben und damit ihrer Nahrungsgrundlage beraubt. Gewinner sind globale Konzerne wie Cargill oder Wilmar, die die großen Player im Welthandel mit Palmöl sind.

Der US-Konzern Herakles hielt uns auf Trab, als er 2011 in Kamerun 70.000 ha pachtete, um inmitten mehrerer Schutzgebiete Palmöl-Monokulturen anzulegen. Von den katastrophalen Folgen für Waldelefanten, Schimpansen und andere bedrohte Tiere einmal abgesehen: Die lokale Bevölkerung, der die Vertreibung drohte, kämpfte damals gemeinsam mit Pro Wildlife und anderen Verbänden gegen diesen Landraub. In dem Fall mit Erfolg: Nach drei Jahren Widerstand gab Herakles auf – doch ihre Bulldozer hatten bereits erheblichen Schaden angerichtet.

In vielen anderen Ländern scheitert der lokale Widerstand gegen die finanzstarken Konzerne – oft mit Unterstützung korrupter Regierungen, die auf schnelles Geld (auch für die eigenen Taschen) hoffen, riesige Gebiete verpachten und dabei die Lebensgrundlage ihrer Bevölkerung aufs Spiel setzen.

Äthiopien, das immer wieder mit großer Hungersnot zu kämpfen hat, wird von internationalen Konzernen ausgebeutet und ausgeblutet:

  • Ein Unternehmen aus Indien baut auf 300.000 ha Rosen für den Export an, verbraucht dabei immense Wassermengen und belastet mit Düngern und Pestiziden die fragile Umwelt.
  • Investoren aus Saudi-Arabien produzieren auf 500.000 ha Reis und Ölpflanzen für den Export – Nahrungsmittel, die in Äthiopien fehlen.
  • Sogar Schutzgebiete werden nicht geschont: 2008 begann die deutsche Firma Flora Ecopower, im Elefantenwald Babile Jatropha-Plantagen anzulegen – und konnte erst nach intensiven Protesten von Pro Wildlife und anderen Verbänden gestoppt werden. Die Firma ist inzwischen insolvent; doch andere Konzerne stehen längst zur Landübernahme bereit.

Ein Kampf gegen Windmühlen, den die lokale Bevölkerung hier führt. Nicht nur in Äthiopien, sondern auch in Mali, Südafrika, Brasilien, Kolumbien, Peru, Indien und vielen anderen Ländern.

Exotenhandel als Beitrag zum Artenschutz?

Lange Zeit wurde der internationale Handel mit exotischen Tieren damit gerechtfertigt, dass vor allem Entwicklungsländer hierdurch eine Einnahmequelle hätten und eine nachhaltige Nutzung die Artenvielfalt nicht bedrohen würde. Das klingt in der Theorie verlockend und überzeugend – doch die Praxis sieht leider anders aus: Tierfänger bedienen eine riesige Nachfrage vor allem in Europa, USA und Japan. Was bunt, hübsch gemustert und klein genug ist, um in einen Glastank zu passen, wird eingesammelt. Wenn die Bestände in der Natur selten werden (oder wir endlich Handelsverbote für einige Arten erwirken können), weicht der Markt auf den nächsten farbigen Frosch und den wild-getupften Gecko aus. Und die Rote Liste bedrohter Arten wächst weiter…

Pantherchamäleon aus Madagaskar
Pantherchamäleon aus Madagaskar

Das große Geld verdient nicht die lokale Bevölkerung, deren Natur ausverkauft wird, sondern die Händler exotischer Haustiere in den Industrieländern. In Laos beispielsweise erhält ein Tierfänger 10-20 Cent pro seltenem Molch, der dann in Europa für 200 Euro verkauft wird. In Vietnam werden lokale Fänger ebenfalls mit Centbeträgen pro seltenem Gecko abgespeist, während die Tiere hier in Europa vierstellige Beträge erzielen. Eine neue Studie zeigt, wie sich in abgelegenen Regionen Madagaskars zwar jeder Zwanzigste ein Zubrot durch das Einfangen von Reptilien und Amphibien verdient, aber der Job gilt als gefährlich und meist unrentabel. Entsprechend gering ist auch der Anreiz, den Lebensraum dieser Tiere zu schützen. Ein weiteres Argument der Exotenhalter, der Handel mit Wildfängen würde helfen, den Lebensraum zu erhalten, ist damit ebenfalls widerlegt. Sogar das Gegenteil ist häufig der Fall.

Immer mehr begehrte Arten landen auf der Roten Liste – bedroht durch Lebensraumzerstörung UND den Tierhandel. Und auch die Kollateralschäden für die Umwelt können beträchtlich sein, wenn beim Fangen der Tiere ihr vormals intaktes Micro-Habitat gleich mit zerstört wird: So werden Schildkröten und Taranteln aus ihren Erdlöchern gegraben, kleine Felsspalten aufgebrochen, um darin versteckte Echsen einzusammeln, und sogar Bäume gefällt, um darauf sitzende bunte Geckos abzusammeln. Farbenfrohe Korallenfische werden in Asien, trotz Verbot, noch immer mit dem Nervengift Natriumcyanid eingefangen – was nicht nur den gewünschten Fisch betäubt, sondern gleich mal eben großflächig alle anderen Riffbewohner mit vergiftet.

Raubbau bleibt Raubbau

Kein Wunder also, wenn immer mehr Wissenschaftlicher warnen, dass der Lebendtierhandel für bestimmte Arten längst zur Hauptgefahr geworden ist. Und auch bei Trophäenjägern, die nicht einmal vor dem Abschuss von Löwen des Krüger-Nationalparks oder den letzten Wüstenelefanten Namibias Halt machen, wird schnell deutlich, dass hier wohl kaum ein Beitrag zum Artenschutz geleistet wird. Auch wenn Kettensägen und Bulldozer den flächenmäßig größeren Schaden anrichten als Fallen und Gewehre: Die Kombination der Gefährdungsfaktoren verschärft die Situation.

Wir hoffen jedenfalls, dass sich Politiker und andere Entscheidungsträger nicht länger von den fadenscheinigen Argumenten des Handels blenden lassen: Ob Tierhandel oder Plantagenwüsten, Raubbau bleibt Raubbau.

Autorin: Dr. Sandra Altherr
Veröffentlicht am: 10. Juli 2018

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