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Im Oktober 2020 erhielten wir von einem Informanten den Hinweis, dass zwei Elefanten der deutschen Zirkusfamilie Casselly bereits im August in einem Elefantentransporter qualvoll gestorben seien – mutmaßlich, weil sie erstickten. Mambo, der letzte männliche Zirkuselefant in Europa, und Artgenossin Betty. Ihre Körper seien in einer Nacht- und Nebel-Aktion auf dem Gelände eines Safariparks in Ungarn verscharrt worden, zuvor hätte man den Tieren noch die wertvollen Stoßzähne entfernt. Ein drittes Tier, Tonga, sei ebenfalls regungslos im Transporter gelegen, überlebte aber.
Was sich zunächst anhört wie ein schlechter Krimi, stellte sich bei unseren Recherchen schnell als wahr heraus: Elefantenbesitzer und Dompteur René Casselly Jr. und seine Familie hatten das Todesdrama zwei Monate lang verschleiert. Erst durch Berichte von Pro Wildlife in den Medien im Oktober wurden die Behörden in Ungarn alarmiert und begannen zu ermitteln.
Casselly, der keine Angaben zu den Hintergründen des Todes macht, ist als zweifacher Gewinner der RTL-Show „Ninja Warrior“ bekannt. Er nennt sich „Elephantboy“ und hatte damit geworben, sein Preisgeld in einen Elefantenpark zu investieren. Während Medien täglich neue Erkenntnisse über den Skandal berichteten und ungarische Behörden Anzeige gegen Casselly erstatteten, strahlte RTL seine Show weiterhin unbeirrt aus und bewarb seinen Favoriten damit, dass er Elefanten als „Haustiere“ besitze. Im Dezember-Finale wurde er Dritter.

Tiere starben mutmaßlich beim Transport
Der aus Deutschland stammende Zirkus Casselly hielt bis dato insgesamt fünf Elefanten – seit drei Jahren gastiert er in Ungarn. Aufgrund der Coronakrise durfte er seit dem Frühjahr 2020 nicht mehr öffentlich auftreten und stellte die Tiere im Safaripark Szada des ungarischen Nationalzirkusses unter, dessen Direktor der Schwager von Casselly Jr. ist. Kurz vor dem Todesdrama wurden alle fünf Tiere in zwei Transportfahrzeuge verfrachtet und 200 km nach Györ und wieder zurück transportiert. Casselly behauptet wenig glaubwürdig, alle fünf Elefanten hätten dort ein „mögliches neues Zuhause besichtigen“ sollen. Seine Mutter saß am Steuer des Transporters. Im Morgengrauen wurden die Tiere darin tot aufgefunden. Darüber, was während des Transports und danach geschah, schweigt sich die gesamte Zirkusfamilie aus. Ebenso wie der Tierarzt, der Tonga behandelte und am 18. August einen Totenschein für Mambo und Betty ausstellte.
Stoßzähne wurden toten Elefanten entfernt
Erst nach einem Bericht der BILD-Zeitung sah sich Casselly Jr. genötigt, ein Statement zu veröffentlichen, in dem er den Tod seiner Elefanten mit zwei Monaten Verspätung bestätigte. Angeblich aus Trauer hätte die Familie nicht früher über den Tod gesprochen – denn die Elefanten seien wie Familienmitglieder gewesen. Auch eine Obduktion wäre aus „Ehrfurcht vor den Tieren“ nicht veranlasst worden. Berichte, dass den Tieren die wertvollen Stoßzähne entfernt wurden, bevor man sie verscharrt hat, zeugen allerdings eher von Geldgier als Ehrfurcht. Auch Cassellys Facebook-Posts kurz nach dem Tod von Zirkuselefanten, u.a. ein herabwürdigendes Foto, das ihn mit einem Elefanten bei Yoga-Übungen zeigt, sprechen eine ganz andere Sprache als seine mitleidsheischenden Aussagen.
Ungarische Behörden ermitteln wegen Tierquälerei
Es bleibt die große Frage, was der Zirkus verbergen will, wenn er den Todesfall monatelang vor Behörden und Öffentlichkeit verheimlicht, die Körper der Tiere verschwinden lässt und keine Angaben zur Todesursache machen will. Immerhin ermitteln inzwischen Polizei und Behörden in Ungarn wegen Verdacht auf Tierquälerei, Verstoß gegen die Tierschutzbestimmungen und illegalem Vergraben der Tierkörper.
Elefanten als Turngeräte missbraucht

Der Zirkus Casselly steht schon lange in der Kritik von Tierschützern: Nicht nur, weil die Elefanten ohne Rücksicht auf Verluste für medienwirksame Auftritte herhalten mussten – sei es als lebende Turngeräte für Cassellys Akrobatiknummern, bei Hochzeiten, Taufen, oder um Kinder auf dem Schlitten durch den Schnee zu ziehen. Auch weil Mambo auf Medienbildern bereits vor drei Jahren aussah wie sein eigener Tod: abgemagert und eingefallen. Videoaufnahmen belegen zudem, dass die Casselly-Elefanten aufgrund der schlechten Haltungsbedingungen im Zirkus unter deutlichen Verhaltensstörungen litten. Leider ist der tragische Tod von Zirkuselefanten nicht der erste Vorfall dieser Art – und er wird aller Voraussicht nach auch nicht der letzte sein.
Wildtiere müssen raus aus dem Zirkus
Zeitgleich zu dem jüngsten einer langen Reihe von Zirkus-Skandalen hat Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner im November 2020 einen Verordnungsentwurf vorgelegt, der die Zurschaustellung von Elefanten und einigen anderen Wildtieren im reisenden Zirkus verbieten soll. Viel zu lange hat dieser Entwurf auf sich warten lassen und viel zu viele Probleme lässt er ungelöst: Das Verbot gilt nicht für Tiere, die bereits im Zirkusbesitz sind, wie die drei verbliebenen Casselly-Elefanten. Diese dürfen weiterhin unter katastrophalen Bedingungen gehalten und transportiert werden. Und für die besonders häufig gehaltenen Raubkatzen soll das Verbot ohnehin nicht gelten. Wir sind leider noch lange nicht am Ziel!
Autorin: Daniela Freyer
Veröffentlicht am: 10. Dezember 2020