Schildkröten in Not

Handel, Lebensraumsverlust, Umweltverschmutzung

Schildkröten in Not

Drei Fünftel aller Schildkrötenarten weltweit stehen kurz davor, auszusterben oder sind bereits stark bedroht. Laut einer US-amerikanischen Studie in der Fachzeitschrift BioScience sind Schildkröten damit die am meisten gefährdeten Wirbeltiere weltweit und stehen vor Säugetieren, Vögeln, Fischen oder Amphibien.

Schildkröten wichtig für das Ökosystem

Bereits seit über 200 Millionen Jahren bevölkern Schildkröten die Erde. Aktuell sind mehr als 340 Arten wissenschaftlich beschrieben, unterteilt werden sie in Landschildkröten, Sumpfschildkröten und Meeresschildkröten. Allen gemein ist der charakteristische Panzer. Sie sind sehr anpassungsfähig und können erstaunlich alt werden: Die Aldabra-Riesenschildkröte (Aldabrachelys gigantea) wird beispielsweise bis zu 256 Jahre alt. Kleinere Schildkrötenarten erreichen im Schnitt ein Alter zwischen 30 und 40 Jahren.

Landschildkröten sind bei Privathaltern beliebt
Landschildkröten sind bei Privathaltern beliebt

Doch die Menschen machen den Schildkröten das Überleben schwer. Den Tieren setzt der Klimawandel zu, die Zerstörung ihres Lebensraumes, der übermäßige Handel mit lebenden Tieren, der Verkauf ihres Fleisches und ihrer Panzer sowie die Umweltverschmutzung. So schätzten australische Wissenschaftler, dass mittlerweile jede fünfte Meeresschildkröte an zu viel gefressenen Plastikteilchen stirbt. Bei 14 verschluckten Plastikteilchen steigt das Sterberisiko auf 50 Prozent. Ab 200 verschluckten Teilen ist die Meeresschildkröte nicht mehr lebensfähig. Die Plastikteile bleiben stecken oder verursachen innere Verletzungen.

Alle Meeresschildkröten sind heute vom Aussterben bedroht. Die Meeresschildkröten stellen eine Familie innerhalb der Schildkröten dar. Insgesamt gibt es acht Arten, die eine Reihe gemeinsamer Merkmale aufweisen. Die Beine sind etwa zu großen Paddeln umgestaltet, der Panzer ist deutlich stromlinienförmig und abgeflacht. Dadurch können sie beispielsweise ihren Kopf bei Gefahr nicht einziehen. Meeresschildkröten verbringen ihr gesamtes Leben im Meer und orientieren sich an Strömungen und am Mond.

Die Weibchen kehren alle drei Jahre an ihren Geburtsstrand zurück, um zwischen 50 und 200 Eier abzulegen. Das Ausbrüten übernimmt der warme Strand. Das Geschlecht der Jungtiere ist abhängig von der Temperatur während der Brutzeit: Weibliche Tiere entwickeln sich bei höherer Temperatur als männliche Tiere. Die Entwicklungstemperatur ist abhängig von der Art und liegt zwischen 28 Grad und 32 Grad Celsius. Deshalb ist die weltweite Klimaerwärmung für das Fortbestehen der Art ein großes Problem, da die Balance zwischen den Geschlechtern nicht mehr gewährleistet ist.

Viele Fressfeinde

Statistisch gesehen erreicht von 1.000 Jungtieren nur ein einziges die Geschlechtsreife. Die meisten fallen bereits auf dem Weg ins Meer Fressfeinden zum Opfer. Gelangen sie ins Wasser, werden die Jungtiere, die noch keinen festen Panzer besitzen, von Fischen und Krabben gefressen. Eigentlich trägt die Natur diesem Missverhältnis durch die hohe Menge an abgelegten Eiern Rechnung. Da es aber immer weniger geeignete Eiablageplätze gibt und ihr Lebensraum zerstört wird, ist das natürliche Gleichgewicht verloren gegangen. Die Niststrände der Meeresschildkröten sind in den letzten 20 Jahren um rund 90 Prozent zurückgegangen.

Es wäre fatal, wenn diese faszinierenden Panzertiere aussterben. Nicht nur um ihrer selbst willen, sie tragen auch wesentlich zu einem gesunden Ökosystem bei. Die Pflanzen-, Fleisch- oder Allesfresser sind zugleich Jäger, Schädlingsbekämpfer und Nahrungsquelle für andere Tiere. Die aasfressenden Arten sorgen etwa für eine saubere Umwelt und die pflanzenfressenden Schildkröten leisten einen wichtigen Beitrag, Pflanzensamen zu verbreiten.

Gefahren gehen vor allem vom Menschen aus

Schildkröten haben je nach Art und Größe verschiedene natürliche Fressfeinde. Krabben und Vögel fressen Baby-Schildkröten und Schildkröteneier. Ausgewachsene Schildkröten haben wenige natürliche Feinde, darunter Alligatoren oder Panzerechsen, die den Panzer aufbrechen können.

Die größte Bedrohung für Schildkröten ist und bleibt jedoch der Mensch. In einigen Regionen der Welt gelten Schildkröten als Delikatesse, weltweit werden sie als exotische Haustiere gehalten. Das Fleisch größerer Arten landet etwa auf Märkten in Asien, Afrika und Lateinamerika, kleinere Arten werden international vor allem als Haustiere gehandelt. Der Schildkrötenpanzer endet in pulverisierter Form in Pillen und Pasten der Traditionellen Asiatischen Medizin (u.a. TCM). Einige Arten, denen eine besondere medizinische Wirkung nachgesagt wird, wie die Dreistreifen-Scharnierschildkröte (Cuora trifasciata) erzielen dabei Preise von mehreren tausend US-Dollar pro Tier. Sogar in Europa können Schildkröten immer noch Bestandteile von TCM-Rezepturen sein.

Bauchpanzer (unten rechts) auf einem Markt für traditionelle Medizin in China © V. Berger
Bauchpanzer (unten rechts) auf einem Markt für traditionelle Medizin in China © V. Berger

Schildkröten im Artenschutzabkommen gelistet

Bis heute werden viele Land- und Sumpfschildkröten für den internationalen Heimtierhandel gefangen und die Bestände in der Natur geplündert. Viele Schildkrötenarten sind jedoch im Washingtoner Artenschutzübereinkommen (CITES) gelistet. Das internationale Abkommen soll den nachhaltigen Handel oder ein Handelsverbot für stark bedrohte Arten gewährleisten. So lange wildlebende Tiere und Pflanzen nicht explizit durch CITES geschützt sind, dürfen sie international gehandelt und die Wildbestände geplündert werden.

Nach dem Washingtoner Artenschutzübereinkommen ist der internationale Handel mit allen Meeresschildkröten sowie einer Reihe von Land- und Sumpfschildkröten und deren Produkte für Vertragsstaaten verboten: Sie sind im Anhang I (die höchste Schutzstufe von insgesamt drei) gelistet.

Im Anhang II sind bereits seit den 1970er Jahren alle Landschildkröten aufgeführt, die nicht dem höchsten CITES-Status unterliegen. Damit verpflichten sich die Exportländer, den Handel mit ihnen zu kontrollieren und zu beschränken. Seither wurden nach und nach auch immer mehr Sumpfschildkröten in Anhang II gelistet. Der Handel muss legal sein und darf die Tierart und deren Rolle im Ökosystem nicht beeinträchtigen.

Ferner hat etwa die USA Höckerschildkröten, die in Flüssen der östlichen USA leben, im Anhang III von CITES gelistet. Auch China hat eine Reihe seiner Sumpfschildkrötenarten für diesen Schutzstatus gemeldet. Anhang III enthält Arten, die lediglich von einzelnen Vertragsstaaten für ihren Hoheitsbereich unter Schutz gestellt werden – für Exemplare aus allen anderen Ländern reicht ein Herkunftszertifikat.

Händler verkaufen Raritäten für 10.000 Euro

Der Handel mit Schildkröten ist lukrativ, deshalb werden sie immer wieder gefangen, obwohl viele von ihnen in ihrer Heimat eigentlich geschützt sind. Im April 2018 wurden etwa mehr als 10.000 streng geschützte Strahlenschildkröten (Astrochelys radiata) auf Madagaskar beschlagnahmt. Und Anfang Oktober wurden gar 123 junge Galapagos-Riesenschildkröten aus einer Zuchtstation auf den Galapagos-Inseln gestohlen. Auf den Inseln leben zwölf verschiedene Arten der Riesenschildkröten. Laut dem Umweltministerium gehören die vermissten Babys zu den Arten Chelonoidis vicina und Chelonoidis guntheri, die beide als gefährdet eingestuft sind. Die Diebe wurden bislang nicht gefasst. 

Schildkröten in Not: Galapagos-Riesenschildkröten
Galapagos-Riesenschildkröten

In europäischen Online-Foren bieten Händler Schildkrötenarten an, die als akut vom Aussterben bedroht gelten. Sammler bezahlen für Raritäten bis zu 10.000 Euro pro ausgewachsenem Tier.

Deutschland ist ein großer Absatzmarkt

Alleine im Jahr 2016 importierten Händler nach Deutschland fast 60.000 lebende Schildkröten, ergaben eigene Recherchen von Pro Wildlife. Exportiert wurden sie vor allem aus China, Usbekistan und Mazedonien. Und das ist nur der legale Markt für CITES-geschützte Arten – die Importe ungeschützter Arten wird nicht einmal erfasst. ­

Das tut Pro Wildlife

Bedrohte Schildkröten gehören nicht auf den Teller oder ins Wohnzimmer. Pro Wildlife kämpft für den Schutz der Panzertiere und fordert härtere Gesetze und Strafen beim Handel mit exotischen TierenBasierend auf unserer Arbeit wurden Dutzende bislang ungeschützte asiatische Sumpfschildkrötenarten in CITES Anhang II aufgenommen, für die seltenen Flachrücken- und Spinnenschildkröten aus Madagaskar konnten wir sogar eine Anhang I-Listung erreichen.

Autorin: Johanna Greuter
Veröffentlicht am: 23. Oktober 2018

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