Kritik an Delfinjagd auf den Färöer-Inseln

Das Abschlachten von 1.428 Weißstreifendelfinen hat Konsequenzen

Kritik an Delfinjagd auf den Färöer-Inseln

Am 12. September 2021 fand die größte Delfinjagd auf den Färöer-Inseln seit hunderten von Jahren statt: An einem einzigen Tag starben nach offiziellen Berichten mindestens 1.428 Weißstreifendelfine in der Bucht von Skálabotnur einen qualvollen Tod. Videoaufnahmen der Massentötung gingen um die Welt und lösten einen internationalen Aufschrei aus. Die EU hat das Blutbad aufs Schärfste verurteilt und fordert ein Ende der Jagd. Doch die jüngsten Entwicklungen auf den Färöer sind schockierend…

Die Färöer-Inseln sind für ihre Treibjagden von normalerweise etwa 600 Grindwalen (gehören zu den Kleinwalen) und 200-300 Delfinen jährlich berüchtigt. Aber in diesem Jahr näherte sich eine Riesengruppe an Delfinen, ein sogenannter Super-Pod, den Küsten der Färöer-Inseln. Es endete in einem unerträglichen Blutbad. Offiziell starben 1.428 Tiere, aber da nur Tiere ab 1,5 Meter gezählt werden, fehlen in dieser Zahl etwa 100 Jungtiere, die ebenfalls starben.

Tote Delfine auf den Färöer Inseln © Erik Christensen
Tote Delfine auf den Färöer Inseln © Erik Christensen

Grausame Wikingermethoden im 21. Jahrhundert

Die Bewohner der Färöer-Inseln berufen sich auf eine Tradition aus Wikingertagen. Bis heute gibt es keinerlei Limit, wie viele Kleinwale oder Delfine pro Jahr getötet werden dürfen. Sobald eine Delfin- oder Grindwalschule in Küstennähe gesichtet wird, werden Fischer und Dorfbewohner zusammengerufen und die Treibjagd beginnt: Die Fischerboote kesseln die Tiere ein, treiben sie Richtung Strand. Dort warten schon die Dorfbewohner, ziehen die Meeressäuger der Reihe nach mit einem Metallhaken („Gaff“ genannt) ins seichte Wasser und versuchen mit scharfen Klingen, Halsschlagader und Rückenmark zu durchtrennen. Sie beginnen mit dem Leittier, wodurch sie sicherstellen, dass der Rest der Schule hilflos und panisch zusammenbleibt.

Brutalität der Jagd schon lange in der Kritik

Bereits seit den 1980er Jahren hagelte es internationale Kritik an der Brutalität der Delfinjagd auf den Färöer-Inseln, was jedoch nur zu marginalen Nachbesserungen führte. Erstens hatte der Gaff früher eine pfeilartige scharfe Spitze, die den Tieren ins Fleisch geschlagen wurde. Seit 1993 hat der Metallhaken ein kugelförmiges Ende, das ins Blasloch gesteckt wird, um die Tiere an Land zu ziehen. Ein kaum weniger grausames Prozedere: Mit dem Gaff im Blasloch können die Meeressäuger kaum atmen, das nervenreiche Gewebe ist zudem sehr schmerzempfindlich. Zweitens wurden die Messer durch etwas längere Lanzen ersetzt. Für jedes einzelne Tier bleibt das Töten dennoch schmerzhaft und oft langwierig. Einer nach dem andern ist an der Reihe; die ganze Schule ist in Panik und kann doch nicht entkommen. Die Rekordtötung von 1.428 und mehr Delfinen sorgte für immense Empörung, denn das Gemetzel an so vielen Tieren dauerte besonders lange – und Videos ihres Leidens gingen um die Welt.

Delfinjagd auf den Färöer-Inseln: Abtransport getöteter Delfine © Erik Christensen CC 3.0 (Archivbild)
Abtransport getöteter Delfine © Erik Christensen CC 3.0 (Archivbild)

September 2021: Delfinjagd auf den Färöer-Inseln hat erste Konsequenzen

Einen Tag nach der Massentötung – und angesichts weltweiter Schlagzeilen – sicherte der Premierminister in einer öffentlichen Erklärung zu, die Jagd auf Delfine nun zu überprüfen. Gleichzeitig betonte er, wie „nachhaltig“ die Jagd angeblich sei und dass Grindwale auch weiterhin bejagt werden dürften. Schließlich wäre die Grindwaljagd („Grindadrap“) ja eine traditionelle Möglichkeit, sich von Fleischimporten unabhängig zu machen. Dass die Färöer hieran festhalten wollen, zeigte sich bereits wenige Tage später, als 53 Grindwale in Kollafjordur getötet wurden, einem Dorf nur einige Kilometer von Skálabotnur entfernt.

Und dennoch haben wir Hoffnung, dass das Blutbad an den Weißstreifendelfinen etwas in Bewegung gebracht hat: Insider berichten uns, dass noch nie so viel Kritik auch von Färingern selbst geäußert wurde. In zwei lokalen Umfragen lehnten 58 bzw. 63 Prozent der Bewohner die Delfinjagd ab – das gab es vorher noch nie. Der Dachverband der färingischen Aquakultur veröffentlichte ein Statement, in dem er die Delfinjagd vom 12. September scharf verurteilte und versicherte, kein Boot des Verbandes hätte an der Treibjagd teilgenommen. Ein einmaliger Vorgang, denn bisher wiesen die Inselbewohner Kritik von außen als „Einmischung“ zurück und mögliche interne Kontroversen gelangten nicht an die Öffentlichkeit.

Grindwale gehören zu den Kleinwalen © Mario Müller CC 2.0
Grindwale gehören zu den Kleinwalen © Mario Müller CC 2.0

Dezember 2021: Scharfe Reaktion der EU

Pro Wildlife kämpft seit vielen Jahren gegen die Delfinjagd auf den Färöer-Inseln und weltweit. Nun haben wir uns erneut an EU-Parlamentarier und die EU-Kommission gewandt und Konsequenzen gefordert. Das EU-Parlament hatte bereits im Juni in einer Resolution zur EU-Biodiversitätsstrategie die Färöer-Inseln aufgefordert, die Jagd zu beenden. Auch ging ein Appell an die EU-Kommission, gegen die Jagd auf den Färöer-Inseln tätig zu werden. Pro Wildlife hat seit September immer wieder an die EU und auch das Bundeslandwirtschaftsministerium appelliert, bei der Färöer-Regierung mit klaren Worten zu protestieren – und wenige Tage vor Weihnachten ist dies auch erfolgt: In einem offiziellen Schreiben der EU vom 21. Dezember 2021 an alle Mitglieder der Internationalen Walfangkommission heißt es u.a.:

„Wir verurteilen das grausame und überflüssige Töten von mehr als 1.400 Weißseitendelfinen… Wir fordern die Färingische Regierung auf, die antiquierte Wal- und Delfinjagd umgehend zu stoppen… Wir fordern, die Überprüfung der Jagd auch auf Grindwale auszudehnen… Wir begrüßen die Ankündigung der färingischen Regierung, die Regulierungen für die Jagd auf Weißseitendelfine zu überprüfen, die, wie wir glauben, schon sehr bald streng reguliert oder komplett verboten wird.“     

Juli 2022: Regierung der Färöer gibt erstmals Delfinquote frei

Am 10. Juli 2022, zehn Monate nach dem Rekordmassaker und zahllosen Appellen, mit der Treibjagd aufzuhören, verkündete die Regierung der Färöer-Inseln, eine vorläufige Fangquote von 500 Delfinen festzusetzen. Diese Zahl sollte die internationalen Kritiker beruhigen, da sie ja deutlich unter dem Rekordfang von 1.428 Tieren liegt. Wer sich jedoch die Fangzahlen der letzten Jahrzehnte anschaut sieht, dass mit Ausnahme von 2021 im Schnitt „nur“ etwa 230 Weißstreifendelfine getötet wurden. Mit der Quote von 500 Tieren wird nun also sogar ein Anreiz gesetzt, künftig mehr Delfine als üblich zu fangen! Dass dies auch von den Bewohnern genau so verstanden wird, zeigt das Töten von dutzenden Großen Tümmlern am 29. Juli 2022 – einer Delfinart, die auf den Färöer immer nur vereinzelt und seit mehr als zehn Jahren gar nicht mehr gefangen wurde…

Gegen die Entscheidung der färingischen Regierung haben acht führende Wal- und Delfinschutz-Organisationen ein gemeinsames Statement veröffentlicht, dass nun der internationalen Staatengemeinschaft verdeutlichen soll, welch dramatische Entwicklungen auf den Färöer-Inseln geschehen.

Autorin: Dr. Sandra Altherr
Veröffentlicht am: 28. September 2021. Aktualisiert am: 29. Juli 2022

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