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Eland, Männchen 3.200 Euro – Nyala, Männchen 330 Euro – Serval, Weibchen 877 Euro – Nashorn, Paket (inkl. 2 Bullen, 1 Weibchen, 1 Jungtier) 52.600 Euro. Das sieht nicht nur aus wie ein Bestellzettel, es ist auch einer, und zwar für Wildtiere im südlichen Afrika. Private Reservate gibt es viele in dem Land am Kap, und sie wollen ihren Tierbestand regelmäßig aufstocken, erneuern, verkleinern oder umbauen. Werden zu viele Büffel gezeugt oder zu wenige Nashörner geboren, kaufen die privaten Reservate bei Wildtier-Auktionen ein oder verkaufen an Jagdfarmen. In Südafrikas Kruger Nationalpark gibt es sogar ein neu renoviertes Schlachthaus: Angebliche Überbestände an Wildtieren werden von Rangern geschossen und im „Skukuza Abattoir“ zu Fleisch verarbeitet. In der Vergangenheit waren es Elefanten, heute Büffel und Flusspferde. Hat das noch etwas mit Wildnis zu tun?
Das Geschäft mit den Wildtieren
Der Tourismus hat das südliche Afrika verändert. Viele Menschen kommen in die Region, um die „Big Five“ zu sehen. Löwe, Elefant, Nashorn, Leopard und Büffel müssen einmal vor die Linse laufen, sonst sind die Urlauber nicht zufrieden. Das wissen natürlich auch die Betreiber der privaten Farmen. Sie stellen ihren Kunden zur Verfügung, was diese sehen wollen. Zum Teil werden dann Tiere von Arten hin und hergefahren, die in der Region gar nicht ursprünglich beheimatet waren. Diese Reservate funktionieren eher wie große Zoos. Einige Tierarten werden gemeinsam gehalten, andere, wie zum Beispiel Kaffernbüffel, separat von den Raubkatzen. Denn Büffel sind teuer und wertvoll und werden extra gezüchtet. Viele enden dann als Jagdtrophäen, sie werden für tausende Dollar verkauft.

Die beliebtesten Tiere wie Löwen, Leoparden und Geparden werden häufig mit Funksendern ausgestattet. Das Aufspüren der Katzen gestaltet sich dementsprechend auch eher wie eine Schnitzeljagd, ohne Fährtenlesen oder Kenntnis der natürlichen Habitate. Vielmehr kommen Geräte zum Einsatz, der Fahrer bringt Urlauber zielgerichtet zum Foto-Objekt der Begierde (Nachtrag Herbst 2019: Die südafrikanische Regierung hat zahlreiche Tierarten sogar offiziell als Farm- und Zuchttiere deklariert; darunter Nashörnern und Löwen).
Stau im Nationalpark
Auch in vielen Nationalparks Afrikas fühlt man sich zumindest zeitweise nicht wie in der Wildnis, sondern eher wie im Safaripark Hodenhagen. Ist eine der beliebten Big-Five-Arten in Sicht, müssen sich die Jeeps zum Teil in einer Schlange anstellen, um auch einen Platz zum Fotografieren zu ergattern. Das wiederum ist kein südafrikanisches Phänomen, auch in den berühmten Parks Ostafrikas scharen sich mitunter zehn Jeeps um einen Löwen. Das Problem verstärkt sich dadurch, dass manche Reservate kleiner und die Tiere seltener werden.
Natürlich sind besonders die Parks voll, die den Urlaubern einen möglichst einfachen Einstieg in die afrikanische Wildnis ermöglichen. Je billiger die Flüge, je besser die Infrastruktur und je sicherer die Umgebung, desto mehr Besucher kommen. Grundsätzlich ist die Entwicklung des Tourismus durchaus begrüßenswert, denn das Geld der Touristen sorgt unter anderem dafür, dass die Parks und Reservate überhaupt weiter bestehen können.
Auf der anderen Seite wird es zum Teil so voll, dass Fachleute von „Overtourismus“ sprechen, also von zu vielen Urlaubern an einem Ort. Die Authentizität geht verloren, im Fall der afrikanischen Parks ist das die Wildnis. Den Tieren macht das im Übrigen auch sehr wohl etwas aus: Besonders Katzen scheuen eigentlich die Begegnung mit dem Menschen. Werden beispielsweise Geparden beim Fressen durch einen Jeep gestört, lassen sie von ihrer Beute ab.
Überall nur Zäune

Ein weiteres Phänomen sind Zäune, die Parks und Reservate ganz oder teilweise umschließen. Sie sollen zum einen dafür sorgen, die Zusammenstöße mit Menschen und dementsprechend Schäden am Ackerland oder Verlust von Weidevieh zu minimieren. Zum anderen sollen sie Menschen den Zutritt zu den Parks erschweren, was auch Wilderer abhalten soll. Ein zweischneidiges Schwert, da Zäune zum einen das Zusammenleben von Mensch und Tier vereinfachen können. Zum anderen unterbrechen sie aber uralte Wanderrouten jäh und zerstören ökologische Zusammenhänge ebenso wie das natürliche Verhalten der Tiere, das im Fall von beispielsweise Elefanten über Generationen hinweg weitergegeben wird.
Auch der Weg zu natürlichen Wasserstellen wird häufig abgebrochen, was dazu führt, dass künstliche Wasserlöcher angelegt werden – was wiederum zur Übernutzung mancher Gebiete führen kann. Das Wildnis-Feeling wird sehr klein, wenn man in der Savanne betonierte Wannen entdeckt. In Namibias Etosha-Nationalpark müssen Urlauber nur von Wasserloch zu Wasserloch fahren, um Tiere zu erspähen. Einfach für die Touristen, aber die natürlichen Wanderungen zu Wasserstellen außerhalb des Parks sind verschlossen.
Zoo Afrika? Oder unendliche Wildnis?
Dass Afrika nicht mehr so ist, wie zu Zeiten von „Jenseits von Afrika“ oder „die Serengeti darf nicht sterben“, ist wohl inzwischen allen Urlaubern klar. Trotzdem stellt sich die Frage: Wie soll sich das Zusammenspiel aus Wildnisgebieten, Tourismus und lokalen Communitys weiter entwickeln? Es wäre blauäugig, zu glauben, dass sich viele Regionen in den kommenden Jahren nicht in die oben beschriebene Richtung entwickeln werden. Vielleicht hilft es ja bereits, wenn Urlauber sich der Probleme bewusst sind und ganz gezielt weniger bekannte Safari-Destinationen für ihre Reise auswählen, einen der unbekannteren Parks besuchen oder in der Nebensaison reisen. Außerdem haben Touristen in der Regel großen Einfluss auf die Gestaltung einer Safari. Klären Sie Ihren Guide darüber auf, dass Sie nicht, nur um noch näher an ein Tier heranzukommen, die vorgegebenen Straßen und Pisten verlassen wollen. Dasselbe gilt für Selbstfahrer: Verlassen Sie die vorgegebenen Wege nicht.

Natürlich hilft es auch, wenn Urlauber ebenso wie politische Entscheidungsträger etwas zum Schutz der afrikanischen Wildnis beitragen und für ihren Erhalt kämpfen. Denn je mehr unberührte Natur in Afrika übrig bleibt, desto besser sind die Chancen der Tiere, sich wieder auszubreiten. Einige Länder haben sich inzwischen außerdem dazu entschlossen, Zäune abzubauen und Reservate auch grenzüberschreitend zusammenzulegen.
Im Falle der privaten Reservate insbesondere in Südafrika, Namibia und Simbabwe müssen sich Urlauber dessen bewusst sein, dass diese häufig mit Jagdfarmen zusammen arbeiten oder sogar Trophäenjagd anbieten. Und wer will schon einen Löwen, Elefanten oder Büffel in dem Wissen fotografieren, dass dieser schon übermorgen an der Wand eines Jägers enden könnte?
Autorin: Sandra Henoch
Veröffentlicht am: 31. August 2018