Dr. Sandra Altherr
Energiebündel, Diplom-Biologin und Mitbegründerin von Pro Wildlife. Kämpft auch für kleine Tiere.
Artikel von Dr. Sandra Altherr:
Dr. Sandra Altherr
Energiebündel, Diplom-Biologin und Mitbegründerin von Pro Wildlife. Kämpft auch für kleine Tiere.
Artikel von Dr. Sandra Altherr:
10. Januar 2021. Donald Trump: Freund der Ölbarone und Feind des Naturschutzes. Vier Jahre lang verfolgte der scheidende US-Präsident Donald Trump eine destruktive Politik: Diplomatische Beziehungen, das internationale Ansehen der USA, der globale Klimaschutz und – wie auch der Sturm radikaler Trump-Anhänger auf das Kapitol am 6. Januar 2021 zeigte – die Demokratie in den USA wurden schwer beschädigt. Leiser und international oft weniger beachtet war sein konsequenter Feldzug gegen den Naturschutz: So ließ Trump den Endangered Species Act zugunsten ökonomischer Interessen aufweichen, ebenso den Schutz von Zugvögeln. Er erhöhte die Abholzung auf öffentlichen Flächen um 30 Prozent. Und er riskierte die Gesundheit von Walen, Robben und anderen Meeresbewohnern, indem er den Einsatz von Schallkanonen für seismische Untersuchungen genehmigte, um Ölvorkommen im Boden des Atlantiks zu orten. Überhaupt war Trump schon immer dicke mit den Ölkonzernen. Eine seiner letzten Amtshandlungen war denn auch konsequenterweise die Freigabe eines der größten Naturschutzgebiete der USA für die Ölindustrie: Dem Arctic National Wildlife Reserve (ANWR) im Norden Alaskas. Eisbären wären von der Ölförderung im ANWR besonders betroffen © Hans-Jürgen Mager unsplash ANWR: Kinderstube für Eisbären im Visier der Ölindustrie Das Arctic National Wildlife Refuge ist ein wichtiger Lebensraum für Eisbären, Karibus (nordamerikanische Rentiere), Orcas und zahlreiche andere Arten. Viele Eisbären und die allermeisten Alaska-Karibus bringen hier ihre Jungen zur Welt. Eine komplexe marine Nahrungskette ist auf dieses Schutzgebiet angewiesen. 1960 wurde das ANWR erstmals unter Schutz gestellt, 1980 auf 78.000 km² erweitert – und zwar ausgerechnet um das sogenannte „1002-Gebiet“ entlang der Küste, in dem laut Studien der 1970er Jahre 7,7 Milliarden Barrel Ölvorkommen vermutet werden. Seither hatten Exxon Valdez, BP, Chevron und andere Mineralölkonzerne ein Auge auf das „1002-Gebiet“ geworfen. Auf Druck von Umweltverbänden und dank kritischer US-Gerichte konnte eine Öffnung des Gebietes für die Ölindustrie lange verhindert werden. Doch die US-Regierung unter Präsident Trump kündigte im September 2019 an, das 1002-Gebiet für Gas- und Ölförderung freigeben zu wollen. Im August 2020 schaffte der US-Innenminister schließlich die formalen Voraussetzungen; die Auktion der Förderkonzessionen wurde auf den 6. Januar 2021 festgesetzt – also gerade noch rechtzeitig vor dem Amtswechsel im Weißen Haus… US-Präsident Trump (li.) ist ein Förderer der Ölindustrie (History in HD) Proteste erwirken Teilerfolg für das ANWR Dass die Ölförderung im Naturschutzgebiet in Alaska freigegeben werden soll, löste eine breite Welle der Kritik aus. Diverse US-Umweltorganisationen wie auch Pro Wildlife starteten Petitionen, erarbeiteten ökologische Stellungnahmen und schrieben Protestbriefe an die Bundesregierung der USA sowie die Behörden von Alaska; lokale Naturschutzinitiativen legten erneut Klagen vor Gericht ein. Die breite Kritik blieb nicht ohne Folgen: Große US-Banken, darunter Goldman Sachs, kündigten an, keine Gas- und Ölprojekte im ANWR finanzieren zu wollen. Noch im Dezember 2020, wenige Tage vor Weihnachten, reduzierte die Trump-Administration die zur Versteigerung angebotene Fläche von 6.314 km² um 1.850 km² (30 Prozent). Die Auktion am 6. Januar 2021 wurde schließlich zum Flop: Die großen Player der Erdölindustrie Shell, BP und Exxon boten gar nicht erst mit; man wolle künftig mehr auf erneuerbare Energien setzen. Zudem sind die Gutachten zu den Ölvorkommen Jahrzehnte alt und unsicher. Die Auktion endete schließlich mit nur drei kläglichen Geboten und gerade einmal 14,4 Millionen USD (12 Millionen davon von einer halb-staatlichen Industriebehörde aus Alaska), statt der angestrebten 1,8 Milliarden USD. Karibus brauchen das ANWR für ihre Jungenaufzucht © Pixabay Die Ölförderung im ANWR ist zwar dank Trump nun freigegeben, der Beginn jeglicher Bohrungen in dem ökologisch hochsensiblen Gebiet wäre dennoch ein Desaster. Die Explosion der Förderplattform Deepwater Horizon 2010 im Golf von Mexiko hat mehr als deutlich gemacht, welch katastrophale Folgen eine Ölpest für das Leben von Meerestieren hat. Eine ähnliche Katastrophe hätte in der Arktis, wo u.a. die eisige Kälte einen natürlichen Abbau des Ölteppichs durch Mikroorganismen extrem verlangsamen würde, noch weit schlimmere Folgen. Wir bedanken uns bei den tausenden Menschen, die unsere Petition unterzeichnet haben, und hoffen jetzt, dass unter dem neuen US-Präsidenten die Gerichte den Beginn einer Gas- und Ölförderung im ANWR endgültig stoppen. Zum Wohle der Eisbären, der Karibus und des globalen Klima- und Umweltschutzes. Autorin: Dr. Sandra Altherr, 10. Januar 2021 Mehr Informationen Eisbär Der Eisbär ist das traurige Symbol des Klimawandels: Ihm schmilzt das Eis unter den Pfoten weg. Zudem werden Hunderte Eisbären jedes Jahr von Fellhändlern und Trophäenjägern getötet – ganz legal. Pro Wildlife setzt sich dafür ein, die Jagd auf den König der Arktis für den kommerziellen Handel und Trophäen zu beenden. » Eisbären: Eine Art geht unter Orangwaise © SOCP 7 Millionen Hektar Wald werden jährlich gerodet, die Hälfte aller Tropenwälder ist bereits verschwunden. Wildtiere werden gefangen, vertrieben, vergiftet… » Raum für Wildtiere
27. Dezember 2020. Sechs Ereignisse, die uns in Erinnerung bleiben 2020 war das Jahr, das den Menschen weltweit eindrücklich vor Augen geführt hat, was uns droht, wenn Klimaschutz, Artenschutz und Naturschutz nicht endlich ernst genommen werden: Verheerende Brände in Australien (wie auch in Indonesien und Brasilien) sowie die Corona-Pandemie, ausgelöst durch Naturzerstörung und Wildtierhandel – das waren die Schlagzeilen, die das Jahr beherrschten. Doch es gibt auch Entwicklungen, die Mut machen. Ein Rückblick: Flammeninferno Down Under Nach dem Inferno © HSI In Australien begannen im Januar 2020 die schlimmsten Waldbrände, die das Land bis dato heimgesucht hatten. Die Bilder hilfloser Koalas, die über brennenden Waldboden zu entkommen versuchten, und von verkohlten Kängurus, deren vergebliche Flucht an Weidezäunen endete, schockierten die Welt. Pro Wildlife stellte sofort eine Spendenaktion auf die Beine, um unsere Kollegen vor Ort zu unterstützen. Etwa 100 Wildtiere, v.a. Koalas, rettete die Humane Society International aus den Flammen. Auch dank unserer Spender konnten zudem 100 private Auffangstationen unterstützt und ausgebaut werden, um weitere verletzte Wildtiere aufnehmen zu können. Für künftige Feuer sind die Pflegestellen nun besser gewappnet. Doch das Grauen über das endlose Tierleid bleibt – ebenso wie die Enttäuschung, dass die Regierung Australiens weiterhin nichts gegen die Klimakrise unternimmt. Und die ersten Meldungen zur neuen Brandsaison 2020/21 haben uns bereits erreicht… Ein Jahr Corona – und der Wildtierhandel boomt weiter Wildtierhandel Jiangmen Market Ende 2019 gab es erste Meldungen zu einer neuen Virusinfektion in China, die schwere Lungenerkrankungen beim Menschen verursachen kann. Die Pandemie erreichte im Februar Europa und legte schließlich weltweit Wirtschaft und Sozialleben lahm. Offenbar verbreitete sich der Virus ursprünglich auf einem Wildtiermarkt im chinesischen Wuhan, wo er vermutlich von Fledermäusen oder Schuppentieren auf den Menschen übertragen wurde. Einige Politiker riefen daraufhin medienwirksam dazu auf, „die schlimmsten Tiermärkte in Asien“ zu schließen und den „illegalen Tierhandel“ zu bekämpfen. Doch auch der legale Wildtierhandel ist größtenteils unreguliert und somit eine regelrechte „Blackbox“. Spätestens die Corona-Ausbrüche auf europäischen Nerzfarmen zeigen, dass wir nicht nur mit dem Finger auf Südostasien zeigen dürfen, sondern dass auch hier der Handel mit Wildtieren immense Risiken birgt. Diskutiert wurde viel, doch auch zwölf Monate später läuft der globale Wildtierhandel nahezu ungebremst weiter – allen Warnungen der Wissenschaftler vor der nächsten Pandemie durch Wildtiere zum Trotz. Elefantenwaise Batoka wird flügge Seit 20 Jahren unterstützt Pro Wildlife verschiedene Auffangstationen, die sich um verwaiste oder verletzte Wildtiere kümmern. Sofern möglich, ist immer die Wiederauswilderung das Ziel. Wie großartig das laufen kann, zeigt das Beispiel von Batoka, stellvertretend für viele erfolgreiche Auswilderungen in diesem Jahr: Elefantenwaise Batoka © GRI 2009 wurde an einem Flussbett in Sambia ein verwaistes Elefantenbaby entdeckt, das ausgezehrt und ohne den Schutz seiner Herde herumirrte. Der Kleine kam in die von uns unterstützte Auffangstation von Game Rangers International, wurde dort aufgepäppelt und wurde mit der Zeit immer selbstständiger. Im Mai 2020 schließlich verließ Batoka die Station. Er hat sich wilden Elefanten angeschlossen und ist nun Teil einer großen Herde von 70 Tieren. Ein toller Erfolg und Lohn aller Mühen und Kosten! Japans Delfinfang nähert sich dem Ende Jahr für Jahr ab Herbst schockieren blutige Fotos aus der Bucht des japanischen Fischerortes Taiji Menschen aus aller Welt. Dennoch sind die Entwicklungen der grausamen Delfinjagd in Japan eine Erfolgsstory. Fangquoten gehen stark zurück © Lynsey Smyth Seit 20 Jahren werten wir die offiziellen Fangstatistiken aus Japan akribisch aus und die Zahlen sind Grund zur Freude: In den letzten 18 Jahren ist die Anzahl der gejagten Delfine und Kleinwale in Japan um unglaubliche 93 Prozent zurückgegangen: von 18.748 auf aktuell nur noch 1.734 Tiere. Internationale Proteste (inkl. der Oscar-prämierten Doku „Die Bucht“, bei der Pro Wildlife offizieller Partner war) sind ein Grund für den Rückgang. Aber auch die deutlich sinkende Nachfrage nach Delfinfleisch, das mit Giftstoffen wie beispielsweise Quecksilber und PCB stark belastet ist, reduziert die Treibjagden. Unser Bericht „Toxic Menu“ und eine von uns 2012 ausgelöste Resolution der Internationalen Walfangkommission zu Giftstoffen in Delfinfleisch trugen hierzu bei. Die Entwicklung stimmt uns zuversichtlich, dass in naher Zukunft Schluss sein wird mit dem japanischen Delfinfang. Unsere Känguru-Kampagne zeigt Wirkung Eines unserer Highlights 2020 war der Erfolg unserer Kampagne gegen die Kängurujagd in Australien. Etwa 1,6 Millionen der hüpfenden Beuteltiere, dem Symbol Australiens schlechthin, werden jedes Jahr brutal getötet und ihr Fleisch und Leder in alle Welt verkauft. Denn die Farmer Australiens wollen unliebsame Konkurrenz für ihre Rinder und Schafe im Kampf um Weideflächen ausschalten. Deutschland gehört zu den wichtigsten Abnehmern von Känguruleder und -fleisch. Schließlich sind hier die Sportartikel-Marktführer Adidas und Puma ansässig, die das zarte Leder zu Fußballschuhen verarbeiten. Supermärkte und Discounter bieten vom Steak bis zu Katzenfutter viele Produkte mit Känguru-Fleisch an. Doch unsere Kampagne kann im Herbst 2020 ein wichtiges Etappenziel verbuchen: Die vier Lebensmittel-Einzelhandelsketten Kaufland, Lidl, Real und V-Markt sowie der Tierfuttermittelhersteller Bewital sagten im Herbst zu, Känguru-Produkte aus dem Sortiment zu nehmen. Eine Wendung, die uns hoffen lässt, dass wir künftig noch viele weitere Unternehmen überzeugen werden können. Die Verordnung zu Wildtieren im Zirkus ist eine PR-Farce Im August 2020 kündigte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner in einem SPIEGEL-Interview an, sie wolle „Wildtiere im Zirkus verbieten“. Am 19. November schließlich – drei Monate, nachdem die Maßnahmen angekündigt wurden – präsentierte die Ministerin ihren Verordnungsentwurf mit den großen Worten „Wildtiere haben in der Manege nichts verloren“. Doch der Entwurf hatte mit diesem Versprechen nur wenig gemein: Zwar dürfen Zirkusse künftig keine Elefanten, Affen, Großbären, Giraffen, Flusspferde und Nashörner mehr anschaffen. Jedoch wäre es eh sehr unwahrscheinlich gewesen, dass die Zirkusse hier noch Nachschub bekommen hätten. Für die Tiere, die aktuell in Zirkussen gehalten werden, ändert sich jedoch nichts (Stichwort „Bestandsschutz“). Löwen und Tiger, die die größte Zahl an Wildtieren im Zirkus stellen, bleiben erlaubt und dürfen sogar weiter gezüchtet werden. Wenn der Verordnungsentwurf nicht noch deutlich nachgebessert wird, ist er leider nichts als Augenwischerei. Raubkatzen im Zirkus © Sebastiaan ter Burg Mehr Informationen Geretteter Koala Feisty © HSI Gemeinsam mit der Partnerorganisation Humane Society International (HSI) bekämpft Pro Wildlife die Folgen von Dürre und Feuern: Nach dem Flammen-Inferno Anfang 2020 stand die Rettung verletzter Wildtiere sowie Hilfe für die Auffangstationen im Vordergrund. Unsere Hilfe für Koalas, Kängurus und Co » Hilfe für Wildtiere in Australien Corona: Krankheitsherd Wildtierhandel Es gab schon vor der Corona-Krise sehr gute Gründe, strenge Gesetze für Einfuhr und Handel von Wildtieren zu fordern – wie Tier- und Artenschutz oder Eindämmung invasiver Arten und Krankheiten. Mit der Corona-Krise haben die Gesundheitsaspekte und die massiven wirtschaftlichen sowie gesellschaftlichen Folgen von Zoonosen weitere Aufmerksamkeit bekommen. » Corona-Krise: Krankheitsherd legaler Tierhandel Erbarmungslose Jagd auf Kängurus Kängurus sind die australischen Wappentiere. Gleichzeitig werden 1,6 Million Tiere jedes Jahr getötet, um sie zu Hundefutter, Fleisch und Sportschuhen zu verarbeiten. Die Jagd ist besonders grausam und mit den in Deutschland und Europa geltenden Tierschutzvorschriften nicht vereinbar. » Erbarmungslose Jagd auf Kängurus Autorin: Dr. Sandra Altherr
12. November 2020. Abholzung bedroht Orang-Utans & Co. Auf Borneo, Indonesien, wurden im Sommer 86 Hektar Regenwald dem Erdboden gleichgemacht, in dem zuvor hoch bedrohte Tiere wie Nasenaffen, Orang-Utans, Nebelparder und Schuppentiere gelebt hatten. Die Abholzung soll Platz schaffen, um zwei Palmöl-Fabriken zu errichten. Das ist an sich schon katastrophal genug. Hinzu kommt, dass das Ganze auch noch mit dem Verbrauchersiegel RSPO zusammenhängt, das angeblich nachhaltig produziertes Palmöl ausweisen soll… Wie glaubwürdig ist das Ökosiegel RSPO? Regional, saisonal, plastikfrei, vegetarisch/vegan und fair. Soll all das erfüllt sein, wird die Auswahl beim Shoppen traurig gering. Ökosiegel & Verbraucherlabel könnten dabei eine immense Orientierungshilfe geben – gäbe es nicht so viele von ihnen (allein in Deutschland über 1.000 verschiedene!). Und gäbe es nicht so viele Skandale. Denn nicht selten kommt es vor, dass ein Label doch eher ein Marketing-Gag ist oder sich Konzerne schlichtweg nicht an ihre eigenen Richtlinien halten. Das zeigt auch der aktuelle Fall eines Konzerns aus Singapur: First Resources Limited. Der Konzern ist bereits seit 2008 Mitglied des RSPO, dem „Runden Tisch für nachhaltiges Palmöl“. Träger des RSPO-Siegels verpflichten sich, eine Reihe von Prinzipien und Kriterien einzuhalten, die eine nachhaltige Palmölproduktion garantieren sollen. Dennoch hat die Tochterfirma des Konzerns auf Borneo gerade wichtigen Lebensraum für Nasenaffen und viele andere bedrohte Tiere platt gemacht. Wo bis zum Frühjahr noch artenreicher Wald mit Vogelgezwitscher und Affengrunzen vorhanden war, ist bereits auf 86 ha nur noch eine tote Mondlandschaft, auf der eine Palmölraffinerie und eine „Biodiesel“-Fabrik errichtet werden sollen. Nasenaffen sind akut vom Aussterben bedroht © Pixabay Bulldozer & Kettensägen im Regenwald Dabei hat der Mutterkonzern First Resources Ltd. erst 2015 äußerst medienwirksam erklärt, man wolle künftig Waldrodungen und Menschenrechtsverletzungen aus der gesamten Produktions- und Lieferkette verbannen. Die indonesische Tochterfirma PT Wahana Prima Sejati hingegen hat seit Januar 2020 an der Ostküste Borneos eine Fläche von 86 Hektar äußerst artenreichen Waldes dem Erdboden gleichgemacht. Das entspricht einer Fläche von etwa 123 Fußballfeldern. Zwei Hügel auf dem Gelände wurden abgetragen, um die Fläche zu ebnen und zu erhöhen. Wald und Wildtiere sind verschwunden, der angrenzende Fluss ist verdreckt, die Schneise der Verwüstung zieht sich bis zum Mangrovenwald an der Küste. Kettensägen, Bulldozer und Planierraupen verwüsteten 86 ha Wald © SAVE Wildlife Abholzung für Palmöl: Legal ist noch lange nicht okay Das ökologische Desaster, das PT Wahana Prima Sejati verursacht, ist offenbar nicht einmal illegal: 2019 ließ das Unternehmen die erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung anfertigen (auch wenn sich nun abzeichnet, dass dabei wohl falsche Angaben gemacht wurden). Die indonesische Regierung – ohnehin nicht gerade für großes Naturschutz-Engagement bekannt – hat ihnen eine Konzession für das Gebiet erteilt. Denn obwohl der Wald ökologisch wertvoll ist, ist er kein Schutzgebiet, sondern wurde zur nutzbaren Fläche erklärt. Auch wenn die Rodung kein Fall für die indonesische Justiz zu sein scheint, sollte zumindest RSPO angesichts der Kritik hellhörig werden und schleunigst die Reißleine ziehen. Ende Juni 2020 glich die Fläche bereits einer Mondlandschaft © SAVE Wildlife Kritik am RSPO: Label muss nun Farbe bekennen Eines der RSPO-Kriterien besagt, dass keine Entwaldung stattfinden und kein Wald mit hohem Naturschutzwert („high conservation value forest“) beschädigt werden darf – doch die Kriterien sind schwammig formuliert und lassen Interpretationsspielraum zu. In den Waldgebieten der Balikpapan Bay leben diverse bedrohte Tierarten, darunter eine der größten noch verbliebenen Nasenaffen-Populationen (stark gefährdet), Nebelparder (stark gefährdet), Malaienbär (gefährdet), Malaiisches Schuppentier (akut vom Aussterben bedroht) und Marmorkatze (potenziell gefährdet). Ja, es wurden sogar Orang-Utans in dieser Gegend wieder angesiedelt. Und der Lebensraum all dieser Wildtiere muss weichen, damit ein RSPO-Mitglied über seine Tochterfirma Palmöl-verarbeitende Fabriken aufstellen kann? Eine formale Beschwerde gegen First Resources Ltd. läuft bereits beim RSPO. Pro Wildlife und Rettet den Regenwald haben bei der Firmenleitung offiziell protestiert, RSPO darüber informiert und Online-Petitionen gestartet. Wir fordern: Die Fabriken dürfen nicht errichtet werden, der Wald muss wieder aufgeforstet werden. Kritik: Palmöl wird wegen der umweltzerstörerischen Produktion auch das „grüne Gift“ genannt Immer wieder steht das RSPO-Siegel in der Kritik, wegen der unklaren Kriterien und den vielen Verstößen, die die Mitgliedsfirmen immer wieder begehen. Sollten Kahlschläge wie in der Balikpapan Bay auch noch mit einer RSPO-Zertifizierung belohnt werden, ist jegliche Glaubwürdigkeit des ohnehin angeschlagenen Siegels gänzlich dahin. Mit Nachhaltigkeit hat das alles jedenfalls nichts zu tun, das sollten auch die Verbraucher wissen. Autorin: Dr. Sandra Altherr Mehr Informationen Petition: Nasenaffen in Gefahr Protestaktion gegen die Rodung von wertvollem Tropenwald auf Borneo für die Palmölindustrie » Petition Orangutan © Paul-Williams Wo kommt Palmöl eigentlich her? Warum ist es in so vielen Lebensmitteln vorhanden? Und welche Folgen hat unser Konsum hier auf Orang-Utans und andere Wildtiere? » Blog: Palmöl tötet Orang-Utans Lebensraumverlust © Aidenvironment Der Verlust von Lebensraum ist eine der größten Gefahren für die Artenvielfalt » Schwindende Wälder, verdreckte Meere
07. September 2020. Chinas systematischer Ausbau der TCM als Gefahr für den Artenschutz Wer Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) hört, denkt zunächst wohl v.a. an Akupunktur und Heilkräuter. Doch was Artenschützer seit Jahren auf die Barrikaden bringt, ist die Verwendung von Wildtieren – und das nicht nur in der TCM selbst, sondern auch in den begleitenden Ernährungsempfehlungen zur Balance von Yin und Yang, wie ein aktueller Artikel von Pro Wildlife in der Fachzeitschrift Chinesische Medizin zeigt. Malaiisches Schuppentier, begehrt in der TCM © Frendi Apen Irawan Zwar sind Schildkrötenpanzer, Tigerpenis & Co. schon seit mehr als 1.000 Jahren in den TCM-Rezepturen zu finden, doch Bevölkerungswachstum, steigende Kaufkraft und ein Boom der TCM auch außerhalb Chinas haben eine tödliche Sogwirkung entfacht: Zunächst kollabierten die Wildtier-Bestände in China selbst, dann in den Nachbarländern, die fleißig nach China lieferten. Und schließlich gerieten selbst Wildtiere in Afrika oder gar Lateinamerika ins Visier, wie drei aktuelle Beispiele drastisch zeigen: Die vier asiatischen Arten von Schuppentieren (Manis spp.) gerieten zuerst in Bedrängnis, da ihre getrockneten Schuppen in mehr als 60 TCM-Produkten vermarktet werden: So soll „Chuan Shan Jia“ gegen Abszesse und Schwellungen sowie Menstruations- und Stillprobleme helfen. Seit 2000 galt ein CITES-Handelsverbot für die Wildbestände aller asiatischen Schuppentiere. Dies führte jedoch v.a. dazu, dass nun die afrikanischen Arten systematisch abgesammelt wurden. 2019 beschloss CITES dann ein striktes internationales Handelsverbot für alle Pangolin-Arten. Ob dies reicht, um ihre Ausrottung zu verhindern, werden erst die nächsten Jahre zeigen. Schwimmblasen („Huang Chun Yu Sai“) und Schuppen („Huang Chun Yu Lin“) des Bahabas (Bahaba taipingensis) dienen in der TCM der Behandlung von Nierenerkrankungen, Gebärmutterblutungen und eitrigen Wunden. Der stark begehrte Fisch ist in China bereits so extrem selten geworden, dass er Marktpreise von bis zu 500.000 Euro pro Exemplar erzielt. Als Ersatz ist in den letzten 15 Jahren die Nachfrage nach Totoaba (Totoaba macdonaldi) eskaliert, einem riesigen Fisch aus dem Golf von Mexiko. Ungewollter Kollateralschaden der Totoaba-Wilderei ist der Kalifornische Schweinswal (Phocoena sinus, auch Vaquita genannt), der in den Fischernetzen als Beifang ertrinkt. 1997 gab es noch etwa 600 Vaquitas, inzwischen nur noch weniger als 20 Tiere. Eine tödliche Kettenreaktion also, ausgelöst durch die Nachfrage nach „Huang Chun Yu Sai“… Tokehs (Gecko gekko) sind asiatische Echsen, die in der TCM als „Ge Jie“ u.a. gegen Asthma, Diabetes und Erektionsstörungen helfen sollen. Zwischen 2004 und 2013 importierte allein Taiwan 15 Millionen dieser ehemals häufigen Geckos aus Thailand und Indonesien, fast alles Wildfänge. In China gibt es zwar Zuchtfarmen, aber deren Produktion kann den Bedarf nicht decken, so dass der Raubbau an wilden Tokehs weitergeht. 2019 endlich wurden die Geckos in CITES Anhang II aufgenommen; dies soll den internationalen Handel und damit den bislang ungebremsten Raubbau künftig einschränken. Tokehs sind in der TCM sehr begehrt © Pixabay Höchste politische Priorität in China Die Regierung in China hat größtes Interesse an einer Ausweitung der Traditionellen Chinesischen Medizin auch in anderen Ländern – steht sie doch für die chinesische Lebensweise und ist ein populäres Gegenmodell zur westlichen Schulmedizin. Entsprechend aktiv forciert Staatspräsident Xi Jinping den internationalen Ausbau, mit beachtlichen Erfolgen und teils erschreckenden Maßnahmen: 2013 veröffentlichte die Regierung in Peking ihre „Belt and Road“ Strategie (auch „Neue Seidenstraße“ genannt), mit der sie die Infrastruktur in und Handelsbeziehungen mit mehr als 60 Staaten in Asien, Europa und Afrika ausbauen möchte. Der globale Ausbau der TCM ist ein fester Teil dieser Pläne: Dazu gehören u.a. 30 neue TCM-Zentren weltweit – eines davon öffnete 2018 in der bayerischen Stadt Bad Kötzting. 2018 kündigte die Weltgesundheitsorganisation WHO an, die Traditionelle Chinesische Medizin in ihren offiziellen Krankheits- und Behandlungskatalog aufzunehmen. Im Oktober 2018 kündigte die chinesische Regierung an, ein 25 Jahre altes Verkaufsverbot für Tiger und Nashorn aufzuheben – Körperteile gezüchteter Tiere dürften für medizinische Zwecke verwendet werden. Trotz internationaler Proteste ist die Lockerung bis heute nicht vom Tisch. Für den Weltkongress der IUCN (Januar 2021) wurden zwei Resolutionen zur TCM vorgeschlagen: Eine strengere, die die Verwendung von Wildtieren generell abgelehnt hätte, wurde bereits im Vorfeld verhindert. Stattdessen kommt nun eine weitaus schwächere Resolution zur Abstimmung, die nur vor der Verwendung bereits stark bedrohter Arten warnt. Schildkrötenpanzer und Schlangen auf einem TCM-Markt in China © V. Berger Der Push der Traditionellen Medizin in der Corona-Krise Der Umgang Pekings mit der aktuellen Corona-Pandemie, bei der Chinas Wildtiermärkte als wahrscheinliche Quelle des Virus in die Kritik gerieten, zeigt die enorme politische Bedeutung, die die Traditionelle Chinesische Medizin hat: Im Februar 2020 erließ die chinesische Regierung ein vorläufiges Verbot für Jagd, Transport, Handel und Verzehr zahlreicher Wildtiere; im Mai bot sie zudem Farmern Geld an, um die Zucht von Wildtieren zu beenden. Doch was gut klingt, hat tückische Ausnahmen: Zum einen gilt das Wildtierverbot nur für den Verzehr, nicht aber für die Verwendung in der TCM, zum anderen definierte die Regierung bestimmte Wildtiere als „spezielle Nutztiere“, wodurch auch für sie das Handelsverbot nicht gilt. Im März 2020 schlug die nationale Gesundheitskommission Chinas zur Behandlung schwerer COVID-19-Verläufe „Tan Re Qing”-Injektionen vor – diese Rezeptur enthält u.a. Bärengalle. Dies könnte die Wilderei auf wilde Bären in China wie auch in anderen asiatischen Ländern befeuern und erschwert alle Bemühungen von Tierschützern, die grausame Haltung von bis zu 12.000 „Gallenbären“ auf Bärenfarmen in China und Vietnam zu beenden. Im April 2020 vermeldete die Nationale Naturwissenschaftliche Stiftung in China, Forschungsgelder bereitzustellen, um die medizinische Verwendung Chinesischer Weißer Delfine (Sousa chinensis) untersuchen zu lassen. Diese Forschungspläne sind alarmierend: Chinesische Arzneibücher enthalten tatsächlich mindestens 20 Substanzen von Meeressäugern (Robben und Delfinen), v.a. aus Öl, Pankreas und Leber. Im Juni 2020 schließlich wurden Pläne der chinesischen Regierung bekannt, per Gesetz „falsche oder übertriebene Behauptungen“ zur Traditionellen Chinesischen Medizin zu verbieten. Will Peking künftig also Kritiker der TCM mundtot machen? Bedenkliche TCM-Präparate und -Rezepturen auch in Europa Zwar sind 90 Prozent der verwendeten Substanzen in TCM-Präparaten pflanzlicher Natur, und von den verbleibenden zehn Prozent tierischen Ursprungs stammt nochmals ein Teil von Nutztieren. Doch selbst wenn nur ein Bruchteil der Rezepturen Wildtiere wie Saiga-Antilope, Seegurken oder Seepferdchen verwendet, ist dies angesichts des riesigen und weltweit wachsenden Marktes ein immenses Artenschutzproblem. Pro Wildlife arbeitet deshalb u.a. mit der Internationalen Gesellschaft für Chinesische Medizin, Societas Medicinae Sinensis, zusammen, um das Problembewusstsein zu stärken und die Nachfrage nach Präparaten mit Wildtieren zu senken. Selbst hier in Europa ist das dringend erforderlich, wie unsere Recherche (Stand September 2020) zeigt: Millionen Seepferdchen sterben für die TCM © Pixabay Eine chinesisch-deutsche TCM-Akademie mit Sitz in Nordrhein-Westfalen bietet seit wenigen Jahren Studiengänge zur TCM an und führt in ihrer Online-Arzneimittelliste eine Bandbreite von Wildtieren: u.a. Schuppentier („Chuan Shan Jia“), Seehundpenis („Hai Gou Shen“), Bärengalle („Xiong Dan“), Rhesusaffen-Gallenstein („Hou Zao“), Seegurken („Hai Shen“), Antilopenhorn („Ling Yang Jiao“), Seepferdchen („Hai Ma“), Schlangenhaut („She Tui“), Schildkrötenpanzer („Gui Ban“ bzw. „Gui Jia“), Waldfrosch („Ha Shi Ma“) und sogar Nashorn („Xi Jiao“) sowie Tigerknochen („Hu Gu“). Eine Münchner TCM-Praxis empfiehlt Schildkrötenpanzer („Gui Ban“) gegen unregelmäßige Blutungen. Ein Schweizer TCM-Arzt setzt Seepferdchen („Hai Ma“) gegen Impotenz und Inkontinenz ein – die Tiere unterliegen seit 2007 internationalen Handelsbeschränkungen (CITES Anhang II). Eine Luxemburger Online-Apotheke, bei der man das Präparat „Zuo Gui Wan“gegen nächtliches Schwitzen und Haarausfall kaufen kann, das u.a. Schildkrötenpanzer enthält („Gui Ban“) Selbst auf Ebay können TCM-Präparate mit Tokeh („Ge Jie“) mit einem Mausklick in den digitalen Warenkorb gelegt werden. Die wichtigsten von Pro Wildlife zusammengestellten Gefährdungstrends in der TCM sind auch in der Fachzeitschrift Chinesische Medizin, Ausgabe September 2020, veröffentlicht. Autorin: Dr. Sandra Altherr Weitere Informationen TCM-Apotheke in China © Pixabay Die Verwendung von Wildtieren in der Traditionellen Chinesischen Medizin verursacht immense Artenschutzprobleme » Tee statt Tiger Pangolin © Maria Diekmann Das Schuppentier (Pangolin) ist das am meisten gehandelte Säugetier der Welt. Die Schuppen werden in Asien als Arzneimittel verwendet » Pangolin Wildtierhandel und Coronavirus Der globale Wildtierhandel als tickende Zeitbombe. » Coronaviren und der Tierhandel
25. Juni 2020. NRW verbietet giftige Tiere als Haustier – endlich! In einer der letzten Sitzungen vor der Sommerpause, zudem spät in der Nacht, hat die Landesregierung in NRW am 24. Juni 2020 ihr Gifttiergesetz verabschiedet. Damit reagierte sie auf das Entkommen einer Kobra im August 2019, was die Evakuierung mehrerer Wohnungen und einen tagelangen Großeinsatz der Feuerwehr zur Folge hatte. Pro Wildlife und acht weitere Verbände hatten damals an die Umwelt- und Verbraucherschutzministerin von NRW geschrieben und ein Gefahrtiergesetz gefordert. Wenige Monate später legte die Ministerin ihren Entwurf vor. Mit seinem Gifttiergesetz wird NRW das neunte Bundesland, das die Haltung giftiger Tiere als Haustier einschränkt. Die Gelbflecken-Palmlanzenotter (Bothriechis aurifer) ist eine Giftschlange Kobra & Co: Ein bundesweiter Flickenteppich an Regelungen Bayern, Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen haben bereits Regelungen zur Haltung gefährlicher Tiere als Haustier – diese weichen jedoch stark voneinander ab: Während Giftschlangen in all diesen Bundesländern unter die Regelungen fallen, gelten Berberaffen und Gibbons beispielsweise in Bayern als gefährlich, fehlen aber auf der Liste in Hamburg. Und auch die Strenge der Regelungen variiert stark: Von einer Zuverlässigkeitsprüfung (wie in Berlin) über strenge Auflagen (z.B. in Bayern) bis zum strikten Haltungsverbot in Hessen ist alles dabei. NRW hat sich für einen Mittelweg entschieden – zwar ein Haltungsverbot, allerdings nur für stark giftige Tiere. In sieben Bundesländern gibt es weiterhin keinerlei Auflagen. Was bedeutet das Gesetz für die Privathaltung gefährlicher Tiere in NRW? Nun reiht sich in die Liste derer, die die Gefahrtierhaltung reglementieren, also NRW ein – das Bundesland, in dem (außer in Corona-Zeiten) in der Stadt Hamm viermal jährlich die Terraristika, eine der weltweit größten Reptilienbörsen, stattfindet. Dort kann jedermann im Gifttierraum von der Klapperschlange für 30 Euro bis zum Inland-Taipan für 1.000 Euro quasi alles an Giftschlangen kaufen, was in der Natur so kreucht und fleucht. Außerhalb des Gifttierraums gibt es dann das Who-is-Who der giftigsten Spinnen und Skorpione im praktischen To-Go-Plastikbecher: Schwarze Witwe, gelber Mittelmeer-Skorpion oder Kammspinne werden für wenige Euro als Haustier mit Nervenkitzel angeboten. Der Verkauf solcher Tiere bleibt in NRW leider erlaubt. Der Politik fehlte bisher der Mut, auch den Handel einzuschränken. Für Privathalter gilt künftig jedoch: Sie müssen innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes vorhandene Gifttiere melden (es gilt Bestandsschutz), dürfen aber weder ihre Tiere an andere Privatpersonen abgeben, noch neue giftige Tiere halten. Die Privathaltung von nicht-giftigen, aber dennoch für den Menschen sehr gefährlichen Tieren wie Krokodil, Löwe oder Anakonda bleibt jedoch erlaubt. Die Logik dahinter erschließt sich uns nicht, aber das Gifttierverbot ist zumindest ein Anfang. Die Schwarze Witwe (Latrodectus tredecimguttatus) ist laut Gifttiergesetz künftig für Privathalter in NRW verboten Das Monokelkobra-Déjà-vu Bereits vor ein paar Jahren hatte die damals noch rot-grüne Landesregierung in NRW ein Gefahrtiergesetz geplant – ebenfalls ausgelöst durch eine 2010 entkommene Monokelkobra, die ein 19-Jähriger wenige Tage zuvor auf der Terraristika in Hamm gekauft hatte. Damals wurde die Schlange über drei Wochen gesucht, dabei eine Straße gesperrt, ein Mehrfamilienhaus evakuiert und eine Wohnung entkernt. Auf den Gesamtkosten von 100.000 Euro blieb die Stadt sitzen – bei dem arbeitslosen Schlangenhalter war nichts zu holen. Warum setzt sich Pro Wildlife für Gefahrtiergesetze ein? Der Grund, warum sich Pro Wildlife gegen die Haltung von Krokodil, Kobra & Co. als Haustier ausspricht, ist, dass die Haltung vieler exotischer Tiere im Wohnzimmer ohnehin kaum oder nur mit hohem Aufwand und großer Expertise tierschutzkonform funktionieren kann. Sind solche Tiere dann auch noch gefährlich, ist ihre Versorgung nochmals schwieriger: Ein regelmäßiger Umgang mit den Tieren, um den Gesundheitszustand zu checken oder mal eben das Terrarium bzw. das Gehege zu säubern? Nicht praktikabel. Der Besuch beim nächstgelegenen Tierarzt um die Ecke, im Falle einer Verletzung oder Erkrankung? Mit Krokodil, Puma oder Kobra wohl kaum möglich. Für Tierheime und Auffangstationen sind die Versorgung und Vermittlung gefährlicher Tiere zudem weit schwieriger als für „normale“ Haustiere. Nilkrokodile (Crocodylus niloticus) bleiben in NRW als Haustier erlaubt Wie beurteilt Pro Wildlife das Gifttiergesetz in NRW? NRW-Umwelt- und Verbraucherschutzministerin Ursula Heinen-Esser begründete ihren Gesetzesentwurf im November 2019: „Giftige Tiere gehören grundsätzlich nicht in private Hände“. Der Meinung sind wir auch – aber das gilt nicht nur für Giftschlangen. Was ist mit anderen gefährlichen Tieren wie z.B. Krokodile, Großkatzen, großwüchsige Warane und Würgeschlangen? In unserer Stellungnahme, die wir im Januar 2020 an die Ministerin und den NRW-Landtag schickten, begrüßten wir ausdrücklich, dass NRW ein Verbot der Privathaltung stark giftiger Tiere plant. Gleichzeitig forderten wir eine Ausweitung der Liste verbotener Arten. Tatsächlich sind in den letzten Tagen noch einzelne Nachbesserungen erfolgt; so wurden nun u.a. auch weitere Skorpione sowie Mausspinnen in die Liste der verbotenen Tierarten aufgenommen. Aber es ist für uns nicht nachvollziehbar, warum das Gesetz nur bis zum 31.12.2025 gelten soll und warum auf ein Zuchtverbot für Gifttiere ausdrücklich verzichtet wurde. Auch tritt das neue Gesetz erst zum 1. Januar 2021 in Kraft (statt ursprünglich geplant mit sofortiger Wirkung) – was den Freunden giftiger Haustiere die Möglichkeit gibt, bis zum Jahresende nochmal einzukaufen… Löwen (Panthera leo) sind gefährlich und nicht als Haustier geeignet Die Gefahrtierregelungen der Bundesländer bleiben damit uneinheitlich und unvollständig – und trotzdem sind sie wichtig, solange nicht die Bundesregierung den Handel mit und die Privathaltung von Wildtieren endlich begrenzt. Und zwar auf solche Arten, die aus Sicht des Artenschutzes, Tierschutzes, Naturschutzes und der Gesundheit überhaupt geeignet sind. Autorin: Dr. Sandra Altherr Weitere Informationen Exotische Haustiere Exotische Haustiere sind beliebt wie nie zuvor. Schon für 1.000 Euro kann man im Internet ein Löwenbaby kaufen. Im Wildtierhandel gibt es einen unglaublichen Wildwuchs. » Exotische Haustiere Reptilienschmuggel Reptilienschmuggel: Handel ohne Grenzen » Hintergrund: Reptilienschmuggel Löwe als Haustier Löwe im Bergzoo Halle soll zurück in Privathaltung. Tierschützer fordern strengere Gesetze » Pressemitteilung vom 3. März 2020
19. Mai 2020. Der globale Wildtierhandel als tickende Zeitbombe. Derzeit dominiert ein neues Coronavirus die internationalen Schlagzeilen, denn trotz des Abriegelns von Millionenstädten in China, von Grenzen in Europa und Ausgangssperren in zahlreichen Ländern weltweit breitet sich das Virus rasant aus. Ein chinesischer Wildtiermarkt in Wuhan, auf dem unter anderem Schlangen- und Schuppentierfleisch zum Verzehr angeboten wurde, diente vermutlich als Brandherd für die rasante Ausbreitung des Virus. Der genaue Übertragungsweg ist bisher nicht geklärt. Fakt ist jedoch, dass das Virus nicht künstlich in einem Labor hergestellt wurde, sondern ursprünglich von einem Wildtier stammt, wie die WHO und diverse Wissenschaftler bestätigen. Es wurde zunächst angenommen, eine zum Verzehr angebotene Schlangen hätte sich über das Fressen eines Fledertieres infiziert. Danach vermuteten Forscher, dass Schuppentiere den Erreger übertragen haben könnten. Schlangen auf dem Markt in Jiangmen Auf Wildtiermärkten in Asien verschwindet die Artenvielfalt Wildtiere werden millionenfach auf Märkten in China verkauft, oft lebend oder aber zerlegt, geräuchert oder in Flüssigkeiten eingelegt. Schuppentiere, Ginsterkatzen, Affen, Ratten, Schlangen, Flughunde, Wasserschildkröten: Angeboten wird nahezu alles, was die Natur hergibt. Da Chinas Wälder und Flüsse vielerorts leergefangen sind, kommen große Wildtierlieferungen mittlerweile aus Ländern in aller Welt. Markt in Mong La, Myanmar, an der Grenze zu China © Alex Hofford Der Sog chinesischer Wildtiermärkte gilt als schwarzes Loch für die Artenvielfalt. Die Bedingungen auf den Märkten sind zudem katastrophal, sowohl was die Hygiene angeht, als auch den Tierschutz: Viele Tiere werden noch lebend angeboten, um Frische zu garantieren. Sie sind ohne Wasser und Futter in winzige Käfige eingepfercht oder gestapelt in Bottichen, Boxen oder Netzen. Sonnendachse in winzigen Käfigen auf einem Markt in Jiangmen Arten- und Tierschützer kämpfen schon lange gegen diese Missstände, bislang vergebens. Ausgelöst durch die Coronaviren-Epidemie hat die chinesische Regierung landesweit den Handel mit den meisten Wildtieren zumindest für den Verzehr massiv beschränkt. Die Maßnahme ist drastisch, aber keineswegs hysterisch. Bereits die SARS-Epidemie, der 2002-2003 mehr als 770 Menschen zum Opfer fielen, hatte ihren Ursprung ebenfalls auf einem chinesischen Tiermarkt; Infektionsquelle damals waren wohl Larvenroller (Verwandte der Schleichkatzen). Schuppentiere und Schlangen auf einem Markt © Soggydan Benenovitch Allerdings hat das durch Corona ausgelöste chinesische Tierhandelsverbot bislang noch massive Lücken: Es gilt bisher nur für den Handel mit Wildtieren als „Lebensmittel“, für andere Zwecke wie „Medizin“, als oder für Pelze ist der Wildtierhandel weiterhin erlaubt. Außerdem sind bestimmte Tiergruppen, wie etwa gezüchtete Reptilien und Amphibien oder manche wilde Säugetierarten, die kurzerhand zu „Nutztieren“ umdeklariert wurden, vom Verbot ausgenommen. Wissenschaftler haben schon 2007 gewarnt: Mehr als 70 Prozent der weltweiten Zoonosen – also Krankheiten, die von Tieren auf den Menschen oder andere Tiere übertragen werden – stammen von Wildtieren. Der globale Handel mit exotischen Haustieren spielt hierbei eine erhebliche Rolle. Orientalische Rattenschlange © Avijan Saha Zoonosen: Vom Wildtier auf den Menschen Wer weiß schon, dass China der größte Lieferant der EU für lebende Reptilien ist? Von den 5,6 Millionen Schlangen, Echsen und Schildkröten, die die EU in den letzten fünf Jahren lebend für hiesige Terrarien importierte, stammten mehr als zwei Millionen Tiere aus China! Für alle anderen Tiergruppen, darunter Säuger, Amphibien oder Fische, wird die Einfuhr nicht einmal erfasst, es sei denn, es handelt sich um international geschützte Arten, was nur einen Bruchteil der Importe ausmacht. Natürlich sind nicht alle diese Wildtiere brandgefährlich. Aber das Risiko der Entwicklung und Übertragung von Krankheiten durch den Handel mit Wildtieren, auch für den Heimtiermarkt, sollte nicht verharmlost werden: – 2003 erkrankten in den USA mehr als 70 Menschen, die Präriehunde als Haustiere hielten, an Affenpocken. Das Virus war zuvor offenbar in Tierhandlungen von importierten afrikanischen Nagern und Hörnchen auf die Präriehunde übertragen worden. Die EU erließ daraufhin einen partiellen Importstopp für Präriehunde, allerdings nur aus den USA, sowie für Nager nur aus Subsahara-Afrika. Präriehunde können Affenpocken übertragen – Mindestens zwei Influenza-Viren lösten Vogelgrippe-Wellen aus, die auch auf den Menschen übersprangen, nämlich H5N1 (mit weltweiter Ausbreitung ab 2004) und H7N9 (Erkrankungen beim Menschen vor allem seit 2013, seit 2017 gilt der Erreger als hochpathogen). H5N1 kam über Zugvögel nach Europa, wurde aber auch im Tierhandel bei importierten Papageien nachgewiesen. 2005 beschloss die EU deshalb ein vorläufiges Einfuhrverbot für Vögel wildlebender Arten, das 2007 in ein dauerhaftes umgewandelt wurde. Einfuhren sind für Wildfänge seither verboten, auch Nachzuchten dürfen nur aus registrierten Zuchtbetrieben einiger weniger Länder in die EU importiert werden. – 2012 bis 2013 starben in Sachsen-Anhalt drei Züchter asiatischer Schönhörnchen. Sie hatten sich laut Friedrich-Löffler-Institut bei ihren Tieren mit Bornaviren infiziert und starben an schweren Hirnhautentzündungen. Auch der Tod einer Tierpflegerin, die ebenfalls mit Schönhörnchen in Kontakt war, wird auf das Virus zurückgeführt. Weitere Bornaviren wurden unter anderem in Pythons, Papageien und Prachtfinken nachgewiesen. Schönhörnchen können Bornaviren übertragen – Nicht für den Menschen gefährlich, aber fatal für die heimischen Amphibienbestände, erwies sich ein über den Tierhandel eingeschleppter Hautpilz: Der sogenannte „Salamanderfresser“ (Batrachochytrium salamandrivorans) verursachte seit 2008 ein Massensterben unter Salamandern in Belgien, den Niederlanden und der Eifel. Der Pilz stammt offenbar von asiatischen Schwanzlurchen, die als exotische Haustiere importiert wurden. Einfuhren in die EU sind noch immer möglich; seit Februar 2018 gelten lediglich temporäre Quarantäne-Auflagen für die Einfuhr lebender Salamander, die im November 2019 bis zum 20. April 2021 verlängert wurden. Der Salamanderfresser bedroht heimische Feuersalamander Wildtierhandel: Gefahr für die Gesundheit Die EU reagiert bislang nur mit großer Verzögerung und sehr punktuell auf drohende Zoonosen. Die aktuelle Aufregung um das Coronavirus sollte als Anlass dienen, jetzt endlich den Wissenschaftlern Gehör zu schenken, die bereits seit den 2000er Jahren immer wieder in Studien warnen, dass der Wildtierhandel das größte Risiko bei der Verbreitung von Zoonosen darstellt. Vielleicht wacht Brüssel nun ja auf, Importverbote wären aus vielen Gründen zu empfehlen: Denn neben der Gesundheit der Bevölkerung und dem Schutz der in ihren Heimatländern geplünderten Arten würde auch die hiesige Natur profitieren: Der EU-Importstopp für Wildvögel seit 2005 hat gezeigt, dass die Gefahr durch invasive Vögel stark zurückgegangen ist. Und ein Salamanderfresser hätte nicht so tödlich unter Europas Amphibien wüten können… Dieser Artikel wurde zuerst am 29. Januar 2020 veröffentlicht und am 19. Mai 2020 aktualisiert. Autorin: Dr. Sandra Altherr Weitere Informationen Coronakrise: Naturschutz ist Pandemieschutz! Lebensraumzerstörung, Wildtierhandel und Artensterben fördern die weltweite Verbreitung von Krankheitserregern. Doch eins ist ganz klar: Nicht die Tiere sind schuld, sondern wir selbst! » Coronakrise: Naturschutz ist Pandemieschutz! Exotische Haustiere Exotische Haustiere sind beliebt wie nie zuvor. Schon für 1.000 Euro kann man im Internet ein Löwenbaby kaufen. Im Wildtierhandel gibt es einen unglaublichen Wildwuchs. » Exotische Haustiere Reptilienschmuggel Reptilienschmuggel ist ein einträgliches Geschäft. Viele Tiere sind in ihrer Heimat geschützt, aber in der EU vogelfrei. Eine Gesetzeslücke macht es möglich. » Hintergrund: Reptilienschmuggel Lebensraumverlust und Krankheiten Ökosysteme erhalten zum Schutz vor Krankheiten. » Lebensraumverlust und Krankheiten Appell Wildtiermärkte zu schließen NGO Brief mit Aufforderung, Wildtiermärkte zu schließen. » Öffentlicher Brief
19. Mai 2020. Regelungen für den Wildtierhandel auch in der EU sind überfällig. Seit Monaten bestimmt die COVID-19-Krise alle öffentlichen Debatten, Nachrichten berichten über kaum ein anderes Thema mehr. Dass bei der Übertragung des Corona-Virus auf den Menschen der Wildtierhandel in China eine erhebliche Rolle gespielt hat, ist nicht wirklich überraschend. Gleichzeitig ist die Krise mehr als berechtigter Anlass für eine internationale Debatte darüber, ob ein „Weiter so“ bei unserem rücksichtslosen Umgang mit der Natur, der Zerstörung der letzten Regenwälder und dem unkontrollierten Handel mit Wildtieren aus allen Erdteilen sein darf. Schuppentiere und Schlangen auf einem asiatischen Markt © Soggydan Benenovitch Den „illegalen Tierhandel“ beenden? Dass das Öffnen und Zerstören selbst entlegener Lebensräume in Kombination mit dem Zusammenpferchen von Wildtieren aus diversen Regionen die Ausbreitung des Coronavirus erst ermöglicht haben, wird inzwischen weitgehend anerkannt. Von verschiedensten Seiten ist nun auch die Forderung zu hören, der ILLEGALE Tierhandel müsse eingeschränkt werden. Dies verlangen nicht nur Kollegen des WWF und manch anderer Organisationen, sondern auch die Bundesumweltministerin Svenja Schulze und der Leiter des Robert-Koch-Institutes, Prof. Dr. Lothar Wieler. Das klingt nach einem entschlossenen Kampf gegen das Böse, so als würden die Händler auf Wildtiermärkten per se etwas Illegales tun, was unbestechliche Kontrollbeamte verhindern könnten. Doch dem ist nicht so: Sonnendachse auf dem Markt in Jiangmen, China. Krankheitserreger unterscheiden nicht zwischen legalem und illegalem Handel Ein Großteil des Wildtierhandels auf chinesischen, indonesischen oder anderen asiatischen Tiermärkten ist zwar aus Tier- und Artenschutzsicht unerträglich und inakzeptabel, aber eben nicht per se illegal. Dasselbe gilt für den Handel mit Wildtieren hier in Deutschland und Europa. Die allermeisten gehandelten Tiere unterliegen weder nationalen noch internationalen Schutz-Bestimmungen – und selbst für geschützte Arten gibt es Ausnahmen, zum Beispiel wenn sie aus „Zuchtfarmen“ kommen. Ein wichtiger Faktor, der die Ausbreitung von Erregern und die Empfänglichkeit für Krankheiten beeinflusst, sind die problematischen Bedingungen im Tierhandel: Hier werden Wildtiere aus verschiedensten Regionen und Ländern, die sich in der Natur nie begegnen würden, auf engstem Raum und häufig unter unhygienischen Bedingungen zusammengepfercht. Die Tiere sind gestresst durch Fang, lange Transporte und Zwischenlagerung im Lauf einer oft langen Lieferkette. Viele von ihnen sind verletzt, ihr Immunsystem geschwächt; Bedingungen, wie sie übrigens nicht nur auf asiatischen Wochenmärkten, sondern auch im internationalen Heimtierhandel anzutreffen sind. Und der allergrößte Teil dieses Tierhandels ist bis heute LEGAL. Zibetkatzen auf Tiermarkt in Jakarta, Indonesien © Krotz CC BY-SA 3.0 Die EU als Importland für Millionen Wildtiere Fakt ist: Nicht nur Asien ist ein großer Absatzmarkt für lebende und tote Wildtiere. Auch die EU importiert allein für den Handel mit exotischen Heimtieren Millionen Tiere. Aufgrund mangelnder Erfassung dieser Handelsströme ist das genaue Ausmaß unbekannt. Von den in Deutschland verkauften Wildtieren hat ein erheblicher Teil eine Odyssee vom Fang in der Natur, über mehrfache Transporte im In- und Ausland zu Zwischenhändlern, Ex- und Importeuren bis hin zum Endkunden hinter sich. Dieser Handel ist oftmals grausam und bringt (je nach Länge der Lieferkette und Empfindlichkeit der lebenden Ware) teils große Verlustraten mit sich, die sich jedoch größtenteils im Verborgenen abspielen. Beileibe nicht alle Tiere, die hierzulande online, auf Tierbörsen oder im Zoogeschäft gekauft werden können, sind Nachzuchten aus Deutschland oder Europa. Schildkröten auf Tiermarkt in Jakarta, Indonesien © Sandra Henoch / Pro Wildlife Welche Wildtiere können Zoonosen übertragen? Bei der aktuellen Diskussion um COVID-19 stehen zu Recht Säugetiere im Vordergrund. Der Corona-Virus stammt ursprünglich von Wildtieren. Aktuell gehen Wissenschaftler davon aus, dass der Virus von Fledertieren über einen Zwischenwirt auf den Menschen übertragen wurde. Bei der SARS-Epidemie 2002-2003 dienten Larvenroller (Schleichkatzen) und Marderhunde als Zwischenwirte. Hier konnte nachgewiesen werden, dass die Erstinfektion eines Menschen auf einem chinesischen Markt erfolgte. Doch Erreger verbreiten sich nicht nur über Tiermärkte in Fernost: 2003 erkrankten in den USA dutzende Menschen an Affenpocken, die offenbar von als Heimtieren gehaltenen Präriehunden übertragen wurden – diese wiederum waren davor im Zoohandel im Kontakt mit aus Afrika importierten Nagetieren gewesen. Die EU erließ zeitnah ein Importverbot für Präriehunde und afrikanische Nager. 2012-2013 starben in Deutschland drei Züchter und eine Tierpflegerin an einer Bornaviren-Infektion, mit aus Zentralamerika stammenden Bunthörnchen als Erregerquelle. Bunthörnchen können Bornaviren auf den Menschen übertragen Was ebenfalls unterschätzt wird: Nicht nur Säugetiere kommen als Krankheitsüberträger auf den Menschen in Betracht: Die „Vogelgrippe“ tötete ab 2003 hunderte Menschen – der dafür verantwortliche H5N1-Virus wurde nicht nur in Geflügelzuchtbetrieben, sondern auch bei importierten Papageien nachgewiesen. Dies führte 2005 zu einem EU-Importverbot für Wildvögel. Der Handel mit anderen Tiergruppen ist jedoch nach wie vor weitgehend unkontrolliert. Interessanterweise ist die anfängliche Kritik am Wildvogel-Importverbot aus den Reihen der Tierhändler mittlerweile weitgehend verstummt – während Wissenschaftler und Tierschützer die Vorteile des Importstopps belegen: Er hat nicht nur die Gesundheitsrisiken eingedämmt, sondern auch den Fang von abermillionen Wildvögeln verhindert und die Einschleppung invasiver Vogelarten eingedämmt. Allerdings ist die Einfuhr anderer Tiergruppen, auch aus freier Natur, in der EU weiterhin legal, darunter Fische, Reptilien, Amphibien und Säugetiere. Zoonosen können z.B. auch von Reptilien auf den Menschen übertragen werden, mit teils schweren Krankheitsverläufen. So starben laut Robert-Koch-Institut in Europa bereits mehrere Kleinkinder an Reptilien-assoziierten Salmonellosen. Immer mehr Studien zeigen, dass Zecken und Milben, die über importierte Reptilien eingeschleppt werden, auch den Menschen befallen können. Massenhandel auf einer Tierbörse in München Die Corona-Krise als Chance für einen präventiven Artenschutz Es gab schon vor der Corona-Krise sehr gute Gründe, strenge Gesetze für Einfuhr und Handel von Wildtieren zu fordern – wie Tier- und Artenschutz, Lebensraumerhalt im Herkunftsland, Eindämmung invasiver Arten und Krankheiten, die heimische Arten befallen, aber auch Gesundheitsschutz. Mit der Corona-Krise haben die Gesundheitsaspekte und die massiven wirtschaftlichen sowie gesellschaftlichen Folgen von Zoonosen weitere Aufmerksamkeit bekommen. Wir hoffen eindringlich, dass die Politik nun endlich auch Handel und Privathaltung exotischer Haustiere regelt. Bitte anpacken! Jetzt! Dieser Artikel wurde zuerst am 5. Mai 2020 veröffentlicht und am 19. Mai 2020 aktualisiert. Autorin: Dr. Sandra Altherr Weitere Informationen Coronakrise: Naturschutz ist Pandemieschutz! Lebensraumzerstörung, Wildtierhandel und Artensterben fördern die weltweite Verbreitung von Krankheitserregern. Doch eins ist ganz klar: Nicht die Tiere sind schuld, sondern wir selbst! » Coronakrise: Naturschutz ist Pandemieschutz! Exotische Haustiere Exotische Haustiere sind beliebt wie nie zuvor. Schon für 1.000 Euro kann man im Internet ein Löwenbaby kaufen. Im Wildtierhandel gibt es einen unglaublichen Wildwuchs. » Exotische Haustiere Reptilienschmuggel Reptilienschmuggel ist ein einträgliches Geschäft. Viele Tiere sind in ihrer Heimat geschützt, aber in der EU vogelfrei. Eine Gesetzeslücke macht es möglich. » Hintergrund: Reptilienschmuggel Lebensraumverlust und Krankheiten Ökosysteme erhalten zum Schutz vor Krankheiten. » Lebensraumverlust und Krankheiten Coronaviren und der Tierhandel Der globale Wildtierhandel ist eine tickende Zeitbombe. » Coronaviren und der Tierhandel
10. Dezember 2019. Die großen Tiere werden zuerst ausgerottet. Ich komme gerade von einer Konferenz in Brüssel zum Thema Wildtierhandel zurück, der sehr interessante Informationen über die aktuelle Situation zum Thema Buschfleischjagd brachte, aber auch die Frage aufwirft, was Europa mit diesem Thema zu tun hat. Viele Menschen wird es überraschen, aber unser Konsum kann indirekt Einfluss auf den Verzehr von Wildfleisch in anderen Regionen haben. Bonobos werden häufig Opfer des Bushmeat-Handels © Roberto Isotti Geräucherter Affe im Koffer Anlass der Konferenz war unter anderem die Sorge der belgischen Regierung über die Beschlagnahmen an den landeseigenen Flughäfen, wo aus Gepäckstücken von Reisenden vermehrt Fleisch von Affen, Schuppentieren oder kleinen Antilopen gezogen wird. Geräuchert, gekocht oder sogar roh, es sind Mitbringsel, meist von Afrikanern, die in Belgien leben und auf Heimaturlaub waren. Buschfleisch-Beschlagnahme an einem französischen Flughafen © Douane Francais Ein Artenschutzproblem einerseits, aber auch ein Gesundheitsrisiko für den Menschen durch eingeschleppte Bakterien oder Viren andererseits. Zumindest in Belgien wird das Wildfleisch zwar beschlagnahmt und vernichtet, aber eine Strafe haben die Passagiere hier offenbar nicht zu fürchten. Es ist also nicht weiter verwunderlich, wenn der Buschfleischimport immer weitergeht. Offiziellen Schätzungen zufolge werden mehrere Tonnen Buschfleisch pro Monat über europäische Flughäfen eingeschmuggelt. Doch der Konsum in Europa ist nur ein Bruchteil davon, was in den Wäldern Afrikas, Asiens oder Südamerikas alltäglich gejagt wird – mit fatalen Folgen. Von Schlingfallen, Gewehren und Giftpfeilen Zehn Millionen Tonnen Wildfleisch werden in den Tropen und Subtropen weltweit jährlich konsumiert, allein die Hälfte davon im Kongobecken (vor allem Demokratische Republik Kongo und Republik Kongo, aber auch Äquatorialguinea, Angola, Gabun, Kamerun, Sambia und Zentralafrikanische Republik). Dort werden mehr als 200 Säugetierarten mit Schlingen und Gewehren gejagt. Auch seltenes Okapis werden wegen ihres Fleischs gewildert © Martin Harvey Während Schlingen vor allem auf kleinere und mittelgroße Tiere abzielen, werden die teuren Kugeln für die Jagd auf große Tierarten wie Waldelefanten, Gorillas, Schimpansen und Okapis benutzt. Doch auch diese großen Tiere können in Schlingen geraten. Wildvögel gehören ebenfalls zum Beuteschema der Jäger, während Reptilien und Amphibien in Afrika als Fleischquelle weitgehend verschmäht werden. Geräuchertes Affenfleisch in Yaounde, Kamerun Im Amazonas, dem zweitgrößten Zentrum des globalen Wildfleischmarktes, landen etwa gleich viele Säuger- und Vogelarten im Kochtopf. Die häufigste Fangmethode der indigenen Völker sind Giftpfeile, doch auch in Südamerika breitet sich bereits die Jagd mit Gewehren aus. In Ost- und Südostasien dominieren hingegen Reptilien und Vögel den Wildfleischmarkt, während Säuger hier eine deutlich kleinere Rolle spielen. Dies liegt einerseits an regionalen Präferenzen, aber auch an dem jeweils natürlich vorkommenden Artenspektrum. Schrumpfende Wälder, verstummte Wälder Eins eint alle betroffenen Regionen: Der Lebensraum der Tiere in Asien, Afrika und Lateinamerika schrumpft dramatisch, während gleichzeitig die Bevölkerungszahl und vielerorts auch die Kaufkraft wächst. Neue Straßen machen ehemals entlegene Gebiete für Holzfäller und Jäger zugänglich; die Jagd findet oft nicht mehr zur Selbstversorgung der eigenen Familie statt, sondern das Fleisch wird auf den Märkten und an Holzfäller oder Minenarbeiter verkauft. Gewildertes Gürteltier in Bolivien © Duston Larsen Mit der Kommerzialisierung des Buschfleisches steigt der Jagddruck auf die Wildtiere noch weiter. Selbst in noch augenscheinlich intakten Restwaldgebieten spricht man inzwischen von stillen Wäldern: Die Schreie der Affen, die krächzenden Rufe der Papageien sind verstummt, kein Knacken von Zweigen durch größere Tiere. Keine schnelle Lösung in Sicht Die wachsende Bevölkerung der Tropen und Subtropen ist auf ausreichende Proteinversorgung angewiesen. Verschärft wird die Situation beispielsweise in westafrikanischen Küstenländern noch zusätzlich, wo industrielle Fangflotten aus Europa, China und Japan die Meere leer fischen und die lokale Bevölkerung deshalb noch stärker an Land auf die Jagd geht. Die Erwartung, all die Menschen, die seit vielen Generationen Wildfleisch konsumieren, kurzfristig zu Vegetariern oder Veganern zu machen, wäre naiv und anmaßend. Schädel von Grauer-Gorillas, die beim Coltan-Abbau gewildert wurden © Ian Redmond Um die fünf Millionen Tonnen Buschfleisch jährlich für das Kongobecken mit Fleisch aus Landwirtschaft zu ersetzen, bräuchte es Berechnungen des Bushmeat-Experten Prof. John Fa zufolge 15 Millionen Kühe oder zwei Milliarden Hühner pro Jahr. Vom Flächenverbrauch einmal abgesehen, fehlt es auch an der Akzeptanz für dieses Fleisch. Wildfleisch wird als natürlicher, gesünder und hochwertiger angesehen. Auch dies bietet also keine schnelle Lösung, die Zeichen stehen schlecht für die Tiere dieser Regionen. Unser Fischkonsum kann Einfluss auf den Bushmeat-Handel haben Uns Artenschützern bleibt vor allem Aufklärungsarbeit, um zumindest für die bedrohten und geschützten Arten die Nachfrage zu reduzieren und den Vollzug zu verbessern, aber auch alternative Einkommensquellen statt Jagd zu entwickeln. Deshalb unterstützen wir entsprechende Projekte in Ländern wie beispielsweise Kamerun, Peru, Republik Kongo und Gabun. Und uns Europäern hier drängt sich die Frage auf, inwieweit unser Konsum von Meeresfisch und unser Verbrauch von Rohstoffen wie Coltan die Jagd auf Schimpansen und Gorillas befeuert… Autorin: Dr. Sandra Altherr Mehr Informationen Jagd und Wilderei Wilderei, Jagd und Tierschmuggel sind in vielen Ländern außer Kontrolle geraten. Gleichzeitig wird die Rote Liste gefährdeter Arten immer länger: Etwa 25.000 Tier- und Pflanzenarten gelten weltweit als bedroht. » Jagd und Wilderei Affenjagd Viele Affenarten sind seit Jahrhunderten eine begehrte Fleischquelle. » Affenjagd: Unsere Verwandten im Kochtopf Vor-Ort-Projekte Schimpansen sind sehr sozial und leben in Großgruppen, die sich aus bis zu 150 Tieren zusammensetzen. » Vor-Ort-Projekte Gorillas sterben für unsere Smartphones Gorillas sterben für unsere Smartphones » Coltan und die Gorillas im Kongo
22. November 2019. Wildtiere sterben für Schnickschnack auf Etsy ETSY, mit Sitz in New York, ist eines der weltweit führenden Online-Einkaufsportale für „handgemachte Produkte und Künstlerbedarf“. Das klingt erstmal nach Vintage und selbstgestrickten Socken, aber was sich im ETSY-Online-Katalog auch in Deutschland so alles findet, ist gruselig, makaber und tierverachtend: Beschlagnahmte Fledermäuse © Christina Meister/US FWS Tote Fledermäuse, eingeschweißt und im Zehnerpack als Halloween-Deko, oder wahlweise auch am „heidnischen, makabren Gothic Hexen-Halsband“ als Anhänger befestigt Getrocknete Seepferdchen als Ohrring; oder sollen es eher die Seepferdchen-Babys in der Harzbrosche sein? Schlüsselanhänger aus Eidechsen- oder Pythonleder, neonfarben eingefärbt – schließlich soll es ja stylisch sein Stulpen aus Kojotenfell – dazu gibt’s die passenden Ohrringe aus Kojoten-Krallen Ausgestopfte Ratten im Sado-Maso-Dress Präparierte Wallabys mit Blümchen-Haarreif Haigebisse in allen Größen, gerne auch mit Haizähnen in Silberfassung kombiniert Ausgestopfte Biber, Papageien und Sumpfohreulen Aufgespießte Schmetterlinge aus aller Welt Eichhörnchen-Füße an der Silberkette Krähenklauen mit Silberquaste und und und… So manche dieser Artikel würde man eher in einem Zubehörladen für Hexen-Utensilien vermuten… Die US-Artenschutzbehörden beschlagnahmen beispielsweise seit einigen Jahren ein bis zwei Lieferungen mit toten Fledermäusen pro Monat. Im Herbst, vor Halloween, verdoppelt sich die Zahl sogar. Diese Lieferungen haben keine Importpapiere oder die Fledermäuse sind als eine andere Ware falsch deklariert. Und das ist nur die Spitze eines unentdeckten Eisbergs und eines von vielen Beispielen, für welchen Unfug Wildtiere getötet werden. Tote Schmetterlinge als Deko © Thomas Quine / WIkimedia Bis 2017 waren auf der ETSY-Website sogar die Geschlechtsteile streng geschützter Warane angeboten. Sie wurden fälschlicherweise als „Hatha Jodi“ ausgegeben, eine Pflanzenwurzel, die als angeblicher Glücksbringer hoch begehrt ist. Nach einem internationalen Aufschrei sind zumindest diese – eindeutig illegalen – Angebote inzwischen verschwunden. Die ganzen anderen gruseligen Schnickschnack-Artikel, in denen Wildtiere zu Deko- und Wegwerfartikeln degradiert werden, sind jedoch immer noch hundertfach per Mausklick zu erwerben. Seepferdchen sterben millionenfach für Pseudomedizin und Schnickschnack ETSY ist nicht die einzige Online-Plattform, auf der Wildtiere für unnützen Schnickschnack verramscht werden. Sie ist aber, zumindest nach unserer Kenntnis, eine derjenigen mit den meisten und den geschmacklosesten Angeboten. Erfreulicherweise hat ETSY erstmals Ende 2018 auf unsere Protestaktion geantwortet. Bisher sagen sie zwar konkret nur zu, keine streng geschützten Arten (CITES Anh. I) zu verkaufen – das sollte jedoch ohnehin eine Selbstverständlichkeit sein… Aber immerhin will man unsere Kritik auch in die Firmenphilosphie einfließen lassen. Das ist ein erster Schritt, aber das reicht uns noch nicht. Deshalb bitten wir Sie um Ihre Hilfe: Schreiben Sie an ETSY (» legal@etsy.com) und fordern Sie das Unternehmen auf, den Verkauf von Produkten aus Wildtieren zu stoppen! Einen Textvorschlag finden Sie im Kasten (s.u.). DANKE! Etsy, please ban sales of wildlife products Dear Ladies, dear Sirs, I have noticed with great concern that a wide variety of items made from wild animals are offered on ETSY.com, including dead bats offered as Halloween decoration, earrings made from baby seahorses, cuffs made from coyote fur, jewelleries using squirrel paws or crow claws, and many other products. All those products reduce wildlife to deco articles or knick-knack. Some of the species on sale at your website are even threatened and/or internationally protected, such as all seahorses, pythons or lynx. While those offers are not necessarily illegal they send a wrong signal to clients and the public. Recognizing that ETSY stopped sale of alleged “Hotha Jodi”, which was made from genitals of strictly protected monitor lizards, I strongly urge you to go further now and to ban all sales of all wildlife products from your website. There are plenty of products, which do not require dead wildlife as a basis. It is unacceptable that wildlife is being captured in the wild and killed to produce decoration or accessory articles. Yours sincerely, Teilt dieses Bild! Einfach herunterladen, posten, teilen, weitersagen… Autorin: Dr. Sandra Altherr Mehr Informationen Rote Liste gefährdeter Arten Die Rote Liste der gefährdeten Arten: IUCN stuft 759 weitere Arten als bedroht ein. » Rote Liste gefährdeter Arten Tierhandel © LWC Nach Drogen-, Waffen- und Menschenschmuggel ist der Wildtierhandel mit bedrohten Arten das größte illegale Geschäft weltweit. » Tierhandel Schlange auf einer Börse 16 Tier-, Natur- und Artenschutzverbände fordern strengere Regeln für den Handel mit Wildtieren. » Verbändeforderung
Live-Blog aus dem Konferenzraum. Vom 17. bis 28. August 2019 fand in Genf die 18. Konferenz zum Washingtoner Artenschutzübereinkommen statt. Pro Wildlife war mit drei Expertinnen vor Ort: Die Biologinnen Dr. Sandra Altherr, Daniela Freyer und Katharina Lameter verhandelten für einen besseren Schutz von Wildtieren. In diesem CITES-Tagebuch berichten wir über die Entwicklungen aus dem Konferenzraum – und über Interessantes hinter den Kulissen… 28. August 2019: Erschöpft, aber mehr als zufrieden Es ist vorbei! Heute ging eine der erfolgreichsten Artenschutzkonferenzen ever zu Ende. Nun heißt es Abschied nehmen von Freunden, Kollegen und neuen Bekanntschaften aus allen Kontinenten. Gemeinsam konnten wir in Genf große Erfolge erziehen – diese intensive Zeit verbindet unglaublich. Noch nie war die Agenda einer Artenschutzkonferenz so lang, innerhalb von 12 Tagen wurden 101 Arbeitsdokumenten sowie 56 Schutzanträge diskutiert und verabschiedet. Die Länder stimmten mit einer überwältigenden Mehrheit GEGEN die Freigabe des Handels mit Elfenbein und Nashorn und die Lockerung des Schutzes von Elefanten und Nashörnern. Auch den Schutz für Giraffen konnten wir durchsetzen. Der Handel mit Teilen des größten Landsäugetieres ist nun endlich international beschränkt – ein enormer Erfolg. Warzenmolche sind nun auch geschützt © Kokopellli Die enorme Bedrohung vieler Arten durch den internationalen Heimtierhandel wird hier immer mehr anerkannt: Mehr als ein Drittel der hier diskutierten Schutzanträge betrifft solche Arten. Asiatische Zwergotter sowie 42 Echsen, fünf Schildkröten, eine Schlange, 50 Amphibien und 15 Ornament-Vogelspinnen sind nun zukünftig besser geschützt. Viele waren bislang ungeschützt, für einige wenige galten bereits vorher Handelsbeschränkungen. Auch der Handel mit 18 Hai- und Rochenarten sowie drei Arten von Seegurken muss zukünftig kontrolliert werden. Alles in allem haben wir große Erfolge für den Artenschutz zu verzeichnen und fiebern bereits jetzt auf die nächste Artenschutzkonferenz hin, die 2022 in Costa Rica stattfinden soll. 27. August 2019: Wermutstropfen Glasfrösche Heute war der erste Tag der Vollversammlung und die meisten erarbeiteten Ergebnisse aus den Ausschüssen wurden ohne Einwände bestätigt. Der Schutz der Glasfrösche und die Exportbeschränkungen für Babyelefanten aus Afrika wurden allerdings erneut diskutiert und ein letztes Mal abgestimmt. Simbabwe, Botswana, Namibia und Südafrika dürfen künftig keine wilden Afrikanischen Elefanten mehr nach Übersee exportieren. Sie dürfen nur für Artenschutzmaßnahmen aus ihrem natürlichen Lebensraum ausgeführt werden – ein absolutes Novum und ein großer Erfolg! Der Beschluss wurde allerdings heute auf Druck der EU, die ansonsten gegen den Antrag gestimmt hätte, und mit Zustimmung der afrikanischen Antragsteller abgeschwächt. In „außergewöhnlichen Fällen“ sollen Ausfuhren für Artenschutzmaßnahmen außerhalb Afrikas möglich sein. Gleichzeitig hat sich die EU-Kommission deutlich gegen den Transfer wilder Elefanten ausgesprochen und appelliert, die Ausnahmen auf ein Minimum zu beschränken. Wir werden sie beim Wort nehmen und uns dafür einsetzen, dass diese Regel nicht als Hintertür für erneuten Handel missbraucht wird. Glasfrosch © Brian Gratwicke CC BY 2.0 Auch der Listungsantrag für die Glasfrösche wurde nochmals eröffnet. Costa Rica, Honduras und El Salvador kämpften bis zuletzt um ihre Frösche, die aufgrund ihres besonderen Aussehens durch den Heimtierhandel bedroht sind. Leider reichte es nicht ganz, um die Glasfrösche zukünftig auf Anhang II zu listen. Bei einer erneuten Abstimmung stimmten 83 Länder für und 46 Länder gegen die Listung. Eine Zweidrittelmehrheit wurde somit ganz knapp verfehlt. 26. August 2019: Showdown für die kleinen Tiere Kronenkraniche stehen jetzt unter strengem Schutz © Pixabay Heute war der große Tag der Vögel, Reptilien, Amphibien und Wirbellosen. Der gefährdete Kronenkranich wurde heute unter den höchsten Schutzstatus gestellt. Zusätzlich zum Habitatverlust leidet diese Art unter dem nationalen und internationalen Handel mit lebenden Tieren, der nun glücklicherweise starken Einschränkungen unterliegt. Außerdem hatten wir heute große Erfolge bei den häufig übersehenen Kleintieren zu verzeichnen – und das gleich in Serie. Insgesamt 36 Echsen, eine Schlange, 50 Amphibien und 15 Ornament-Vogelspinnen sind nun endlich dank weltweiter Handelsbeschränkungen vor unkontrollierten Plünderungen geschützt. Für fünf Echsen aus Sri Lanka, eine aus St. Vincent & den Grenadinen, fünf Schildkröten aus Asien und Afrika sowie zwei Schmetterlinge gilt in Zukunft sogar ein weltweites Handelsverbot. Ein riesiger Erfolg für den Artenschutz – und bei vielen dieser Arten das Ergebnis jahrelanger Recherche und Überzeugungsarbeit. Denn es gilt: Nach der Konferenz ist vor der Konferenz… Für diese Hornagame gilt jetzt ein Handelsverbot © Moni Ostermaier Wikimedia Einziger Wermutstropfen ist, dass die EU einen Schutzantrag Sri Lankas für zwei seltene Agamen gekippt hat und aufgrund des Widerstands der EU ein Antrag für Glasfrösche scheiterte, wenn auch nur knapp. Die letzten zwei Tage ist Vollversammlung. Hier werden die Entscheidungen der beiden Komitees offiziell bestätigt und stark umstrittene Themen können hier noch ein letztes Mal diskutiert werden, bevor das endgültige Ergebnis gültig wird. 25. August 2019: Nashörner bleiben geschützt Breitmaulnashorn © Martin Harvey Auch am Nachmittag eine Erfolgsserie: Der Handel mit Nashorn bleibt weiterhin verboten. Jeglicher Freigabe des Handels wurde hier eine klare Absage erteilt: Zuerst scheiterte der Antrag des kleinen Königreichs eSwatini (ehemals Swasiland) den Handel mit dem Horn freizugeben. Eine große Erleichterung, denn eine Handelsfreigabe hätte riskiert, die Nachfrage und damit die Wilderei weiter zu befeuern. Anschließend lehnte die große Mehrheit der Staaten auch Namibias Antrag ab, den strengen Schutz für seine Population aufzuheben und den Handel mit Jagdtrophäen und lebenden Tieren freizugeben. Auch in Namibia hat die Wilderei in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Seit 2008 wurden über 8.000 Breitmaulnashörner gewildert, ihr Horn gilt in Asien als Statussymbol und als vermeintliches Wundermittel in der Traditionellen Medizin. Die Verhandlungen zum Nashorn haben erneut gezeigt, wie der Streit zwischen Handelsbefürwortern und -gegnern, insbesondere in Afrika, zunehmend eskaliert. Es ist mehr als traurig, dass manche Länder die Verhandlungen vor allem als politische Bühne missbrauchen und meinen, sie könnten ihre Ziele erreichen, indem sie mit ihrem Austritt drohen und Regierungsvertreter und Naturschützer verunglimpfen. 25. August: Guter Start für CITES Teil 2: Makohaie endlich geschützt Makohaie sind begehrte Ziele der industriellen Fischerei Was für ein toller Auftakt für den zweiten Teil der CITES-Konferenz (nach zwei Tagen Pause): Der Antrag, Kurzflossen-Makohaie und Langflossen-Makohaie zu schützen, hat heute die notwendige Zweidrittelmehrheit erreicht. Damit wächst die Zahl CITES-geschützter Haiarten auf 14. Haie gehören zu den wertvollsten Arten der kommerziellen Fischerei – entsprechend groß war hier der Widerstand von Japan, Neuseeland, Island, Malaysia und Indonesien. Der Antrag auf Aufnahme in CITES Anhang II wurde mit 102 Ja- zu 40 Nein-Stimmen angenommen, da nutzte auch die von Japan beantragte Geheimabstimmung nichts… Wir sind sehr erleichtert! Der Makohai-Antrag gehörte zu den kontroversesten dieser CITES-Konferenz. Die Fischerei-Lobby hat hier hinter den Kulissen alle Strippen gezogen, um die Unterschutzstellung zu verhindern. Es hat ihnen nichts genutzt. Jetzt hat die unkontrollierte Plünderei der Makos hoffentlich ein Ende. Auch zwei weitere Anträge gegen die Überfischung der Meere sind heute angenommen worden: Künftig sind damit auch sechzehn Arten Geigenrochen in CITES Anhang II, d.h. der Handel unterliegt endlich internationalen Kontrollen. 23. und 24. August: CITES-Pause, aber nicht frei Am 23. und 24. August pausiert die CITES-Konferenz. Und während viele Delegierte hier einen Ausflug zum Mont Blanc machen, nutzen wir die Zeit, Liegengebliebenes abzuarbeiten und uns auf die letzten großen Entscheidungstage einzustimmen. Wortmeldungen müssen entworfen und mit Kollegen koordiniert werden. Am Sonntag geht es hier dann weiter mit Haien, Rochen, Mammut, Ottern und Nashorn. Am Montag wird dann über Kronenkranich, Reptilien, Amphibien und Wirbellose verhandelt… 22. August 2019: Großartige Ergebnisse für Saiga, Giraffe & Elefanten Elefanten bleiben geschützt Zwei Anträge, den Schutz von Elefanten zu lockern, haben heute eine krachende Niederlage erlebt. Mit 22 Ja- zu 102 Nein-Stimmen scheiterte am späten Nachmittag der Antrag Sambias, den höchsten Schutzstatus für seine Elefantenpopulation zu kippen – der kommerzielle Handel mit Elefanten aus Sambia bleibt also verboten, ein großer Erfolg! Ursprünglich wollte das südafrikanische Land den Handel mit Elfenbein durchsetzen, hatte dies aber in letzter Minute zurückgezogen und gehofft, so – quasi als ersten Schritt – zumindest Zustimmung zur Lockerung des Elefantenschutzes zu erreichen. Damit scheiterte Sambias Versuch bereits zum dritten Mal auf einer CITES-Konferenz – aus gutem Grund: Von 200.000 Elefanten in den 1970er und 80er Jahren sind heute nur noch etwa 21.000 Tiere übrig. Verschiedene Berichte belegen, dass Wilderei und illegaler Elfenbeinhandel in Sambia weiterhin ein Problem sind. Auch der Antrag zum Abverkauf von Elfenbein-Lagerbeständen aus Botswana, Namibia, Simbabwe und Südafrika ging mit 22 Ja- zu 101 Nein-Stimmen kläglich baden. Leider scheiterte auch ein Gegenantrag von zehn Ländern, alle afrikanischen Elefanten unter den strengen Schutz von Anhang I zu stellen an der erforderlichen Zweidrittelmehrheit. Immerhin erzielte er mit 51 Ja- und 67 Nein-Stimmen mehr Zustimmung als die Handelsanträge. Das wichtigste Ergebnis für Pro Wildlife ist: Der Elfenbeinhandel bleibt verboten und es wird keine Lockerung des Elefantenschutzes geben. Giraffen sind künftig durch CITES geschützt Vor der kontroversen Debatte über Elefanten hatte der Antrag, die Giraffe erstmals in CITES-Anhang II aufzunehmen, hier eine lange Debatte ausgelöst, die letztlich doch ein Happy End hatte: Mit einer unfassbar klaren Mehrheit (106 Ja- zu 21 Nein-Stimmen) wurde der Antrag angenommen – sehr zum Ärger einiger südafrikanischen Länder und Tansanias, die vergeblich beantragt hatten, dass die Bestände in ihren Ländern von den Handelskontrollen ausgenommen werden. Wäre dies durchgegangen hätte es effektive Kontrollen der Handelsströme unmöglich gemacht. Die Giraffenbestände wurden in den letzten 30 Jahren um bis zu 40 Prozent dezimiert. Zwei der neun Unterarten sind vom Aussterben bedroht, zwei weitere stark gefährdet. Giraffen werden regional als Fleischquelle gehandelt, international für Jagdtrophäen, Deko-Artikel aus Knochen und Fell, sowie lebend für Zoos und Zirkusse. Im Zeitraum 2006-2015 importierten allein die USA fast 40.000 Giraffenprodukte. Eine Online-Untersuchung von Pro Wildlife und Partnern in sieben EU-Ländern, darunter auch Deutschland, belegt, dass Produkte aus Giraffen auch hier regulär angeboten werden. Saiga-Antilope ©Igor-Shpilenok Wir wussten, dass die Debatte schwierig wird, aber schließlich ging es doch gut aus: Heute wurde für die Saiga-Antilope ein Exportverbot („Anhang II mit Nullquote“) im Konsens beschlossen. Ursprünglich beantragten die USA und die Mongolei den höchsten Schutzstatus (CITES Anhang I, absolutes Handelsverbot); dies war jedoch aufgrund des starken Widerstands von Herkunftsländern wie Russland und Kasachstan und des Hauptabsatzmarktes China, aber auch der EU, nicht mehrheitsfähig. 21. August: Tropenholz und Elfenbein Elfenbeinschnitzereien © Pro Wildlife Jetzt geht es richtig los! Heute wurden in Komitee 1 die ersten Anträge heiß diskutiert. Das Thema des Tages: Pflanzen. Auf der 18. Artenschutzkonferenz befassen sich insgesamt acht Anträge mit dem Handel von Pflanzen. Doch nicht alle dienen ihrem Schutz, denn der Handel mit exotischen Tropenhölzern ist ein lukratives Geschäft, und die Gegenseite versucht immer wieder, den internationalen Schutz beliebter Holzarten zu lockern. Trotz des großen Widerstands hat unser Netzwerk Species Survival Network es heute geschafft, dass sechs der Anträge zu unseren Gunsten entschieden wurden – darunter alle Arten Cedrela, also Bäume, die zur Mahagoni-Familie gehören. Nebenan in Komitee 2 standen die nationalen Elfenbeinmärkte in der Kritik: Insbesondere Japan, mit einem großen Elfenbeinmarkt und vielen illegalen Exporten, sowie die EU, in der Gesetzeslücken es ermöglichen, als „antik“ deklariertes Elfenbein frei zu handeln. Mehrere afrikanische Staaten wollten erreichen, dass die bei der letzten CITES-Konferenz erzielte Empfehlung zur Schließung der Inlandsmärkte verschärft wird und ohne Ausnahme für alle Länder gilt. Der Vorschlag stieß erwartungsgemäß auf Widerstand der EU und anderer Länder. Immerhin wurde aber beschlossen, dass Länder künftig Bericht erstatten müssen, wie sie ihre Inlandsmärkte kontrollieren, damit diese nicht illegalen Handel und Wilderei beflügeln. Die EU kündigte zudem an, ihre Regelungen zu verschärfen. Schrittchen für Schrittchen geht es damit voran beim Elfenbein. Ein weiterer Fortschritt für den Schutz der Nashörner war die verabschiedete Aufforderung, dass Länder alle Absatzmärkte schließen sollen, die zum illegalen Handel mit Horn und zur Wilderei beitragen. In Vietnam gibt es Gesetzeslücken, die den Handel ermöglichen und in China gilt zwar ncoh ein Verbot, aber es gibt Überlegungen, dies zu lockern. Der Beschluss ist deshalb eine dringend nötige Ansage an diese beiden Hauptabsatzmärkte. 20. August 2019: Ein Preis für das Affenwaisenhaus in Kamerun Preisverleihung an das Limbe Wildlife Centre Seit fast 20 Jahren unterstützt Pro Wildlife das Limbe Wildlife Centre (LWC) in Kamerun, das sich um beschlagnahmte Gorillas, Schimpansen und andere Wildtiere in Not kümmert, aber auch Aufklärungsarbeit betreibt und Ex-Wilderer im aktiven Affenschutz einbindet, um ihnen alternative Einkommensmöglichkeiten zu bieten. Heute Abend hat das Limbe Wildlife Centre auf der Artenschutzkonferenz den Clark Bavin Award bekommen – einen Preis für den konsequenten Kampf gegen Wilderei und die langjährige Hilfe beim Artenschutzvollzug. Denn ohne gute Auffangstationen, in die Polizei und andere Behörden beschlagnahmte Tiere bringen können, finden erst gar keine Beschlagnahmen statt. Den Preis überreichte die CITES-Generalsekretärin Ivonne Higuero an eine Vertreterin der kamerunischen Delegation – für das LWC-Team war die Anreise zu weit. Ansonsten standen für uns die letzten Vorbereitungen für den großen Showdown im Vordergrund: Ab Mittwoch geht es los mit den Listungsanträgen – und noch läuft bei weitem nicht alles rund. Bei vielen Themen ist der Widerstand der Nutzer-Seite riesig, und es gilt für große wie für kleine Tiere um Unterstützung zu werben, um bei den Abstimmungen nächste Woche die erforderliche Zweidrittelmehrheit zu erreichen. 19. August 2019 – Von Korallenfischen und Elefantenbabys Aktuell und noch bis morgen Abend werden hier Arbeitsdokumente zu zahlreichen Themen abgewickelt. Ein toller Erfolg für Korallenfische konnte heute erreicht werden – CITES beschloss einstimmig, in einem Workshop den Zierfischhandel zu untersuchen, bedrohte Arten zu identifizieren und Regelungen zu entwickeln. Unfassbare 1,5 Milliarden Zierfische werden jährlich weltweit gehandelt, etwa zehn Prozent davon (150 Mio.) sind Meereszierfische – und diese wiederum werden zum allergrößten Teil noch immer aus der Natur gefangen. Die Entscheidung heute ist ein erster Schritt, damit Zierfische endlich Schutz bekommen. Dies ist v.a. dem Einsatz der Kolleginnen der Franz Weber Stiftung aus der Schweiz zu verdanken. Die allermeisten Korallenfische im Handel sind noch immer Wildfänge Schlechte Nachrichten gab es heute für Spitzmaulnashörner: Südafrika darf zukünftig selbst die Quoten festsetzen und mehr Tiere zum Abschuss durch Trophäenjäger freigeben. Gestern Nachmittag hingegen kam es zu einem überraschenden Erfolg für Elefanten – der jedoch noch auf wackligen Füßen steht: Die große Mehrheit afrikanischer Staaten hat einen Beschluss durchgesetzt, demnach wilde Afrikanische Elefanten zukünftig nur noch für Artenschutzprogramme in ihrem Lebensraum, aber nicht mehr in Zoos und Zirkusse in aller Welt exportiert werden dürfen. In Südafrika und Nambia gelten bereits entsprechende Reglen – die Entscheidung zielt v.a. darauf ab, Simbabwe daran zu hindern, jedes Jahr Dutzende Elefantenkinder aus ihren Herden zu reißen, um sie an Zoos und Zirkusse zu verkaufen. Mindestens 107 Tiere hat das Land seit 2012 exportiert, derzeit warten mindestens weitere 30 Tiere auf den Export. Der jetzige CITES-Beschluss erkennt an, dass diese Praxis negative Folgen für die hochintelligenten und sozialen Tiere sowie deren gesamte Herde hat. Dieser Erfolg kam nur zustande, weil die EU, die sich gegen das Verbot ausgesprochen hatte, nicht mit abstimmen konnte. Zooverbände – auch in Europa und den USA – wollen den Beschluss kippen. Die Resolution muss im Plenum nochmal bestätigt werden, Pro Wildlife setzt sich dafür ein, die Entscheidung bei zu behalten. Ansonsten verdichten sich Gerüchte, hilfreiche Interna sickern nach draußen – und unsere Strategien müssen wir immer wieder nachjustieren. Man merkt es an der Stimmung: Die großen Entscheidungen rücken näher, die Nervosität steigt… 18. August – Wildtiere: gestohlen für europäische Wohnzimmer Illegaler Handel mit exotischen Haustieren – eines unserer Themen auf der CITES-Konferenz Heute hatten wir unsere Präsentation zum Thema „Gestohlene Wildtiere“ – sprich Arten, die in ihrem Heimatland streng geschützt sind, aber außer Landes geschmuggelt werden und dann in Europa als exotische Haustiere verkauft werden. Auf unserem Event präsentierten die Regierungsvertreter von Costa Rica, Sri Lanka und Mexiko ihre CITES-Schutzanträge für Glasfrösche, Agamen und Schwarzleguane. Pro Wildlife ergänzte weitere Beispiele, wie die Spinnenschwanzviper aus dem Iran, den Bronze-Riesengecko aus den Seychellen oder Zwerg-Blauzungenskins aus Australien. Europäische Sammler zahlen mehrere tausend Euro, um eines dieser Tiere in ihren Terrarien halten zu können. Da diese Tiere (noch) nicht bei CITES oder international geschützt sind, ist der Verkauf in der EU bisher völlig legal – ein Skandal und einer der Gründe, weshalb wir strengere Regeln für den Tierhandel fordern. Hornagame aus Sri Lanka © Moni Ostermaier Wikimedia Die Präsentation war gut besucht, v.a. von europäischen Regierungsvertretern – was uns besonders freut, denn genau diese Zielgruppe wollen wir für den Handel mit in ihren Heimatländern gestohlenen Tieren sensibilisieren. Die Veranstaltung war zudem eine gute Gelegenheit, für Schutzanträge für Reptilien und Amphibien zu werben, die ab kommenden Donnerstag reihenweise zur Abstimmung stehen. Die Konferenz ist zwar ein 14 Tage Non-Stop Dauerstress, aber es ist eine große Freude, mit so vielen tollen, engagierten Menschen aus aller Welt gemeinsam zu kämpfen, um den Schutz für Wildtiere zu verbessern. 17. August – Die CITES-Konferenz ist eröffnet Die Konferenz begann heute mit einer Schweigeminute für die Opfer der Anschläge am Ostersonntag dieses Jahres in Sri Lanka, wo diese CITES-Konferenz ja eigentlich hätte im Mai stattfinden sollen. In den folgenden Eröffnungsreden wurde gleich deutlich, welche Interessenskonflikte hier aufeinanderprallen – und wie schwierig die Verhandlungen in den nächsten beiden Wochen werden: Die Vertreterin des Umweltprogramms der Vereinten Nationen betonte, CITES wolle eine Balance finden zwischen dem Schutz bedrohter Arten und der Nutzung durch die Länder. Und genau da liegt das Problem, denn diese Interpretation stimmt nicht mit dem im Konventionstext eindeutig erklärten Ziel und Zweck von CITES überein, Wildtiere vor der Bedrohung durch den Handel zu schützen. Trotzdem versuchen einige Regierungen und Institutionen sowie die Jagd- und Handelslobby, wirtschaftliche Interessen in den Entscheidungsprozessen zu verankern und damit Schutzbestimmungen zu unterminieren. Dabei sind Wildtiere und -pflanzen heute bereits auf einen Bruchteil ihrer ursprünglichen Verbreitungsgebiete zurückgedrängt worden. Sie haben mit Klimawandel, Lebensraumverlust und Verschmutzung zu kämpfen – und on top kommen noch Ausbeutung für Tierhandel, Fischerei, Jagd und Wilderei. Eröffnung von CITES CoP18 In den nächsten Stunden und Tagen werden hier zunächst viele Formalitäten abgearbeitet, bevor es dann morgen ans Eingemachte geht – dann werden in zwei parallelen Komitees die vielen Arbeitsdokumente und Anträge zum Schutzstatus von Tieren und Pflanzen sowie zahlreiche Vollzugsthemen abgearbeitet. Mit den Pflanzen-Anträgen geht es am Mittwoch los, die großen Streitpunkte Elefanten und Giraffe sind dann wohl ab Donnerstag dran. Unser CITES-Team in Genf Viele Medien berichten bereits über die Konferenz, u.a. die Tagesschau und Deutschlandfunk. 16. August: Der Ständige Ausschuss – heute reine Nervensache… 1. Japans Jagd auf Seiwale auf hoher See und den Verkauf des Fleisches auf dem heimischen Markt, trotz eines Handels- und Anlandeverbotes unter CITES, hat letztes Jahr bereits zu einer Verwarnung durch den Ständigen Ausschuss geführt. Inzwischen hat Japan ja die Internationale Walfangkommission verlassen und will künftig nur noch in eigenen Küstengewässern auf Waljagd gehen – dort gilt das CITES-Handelsverbot nicht. Heute forderte der Ständige Ausschuss Japan auf, seine älteren Seiwal-Vorräte in den Kühlhäusern zu beschlagnahmen und zu zerstören. Japan wird auf dem nächsten Treffen berichten müssen. Letztlich hat die CITES-Verwarnung von 2018 Japan dazu gebracht, den Hochseewalfang komplett einzustellen. Ein Riesenerfolg, auch wenn in den heimischen Gewässern die Jagd (vorerst?) noch weitergeht. Pro Wildlife beim Ständigen Ausschuss von CITES 2. Es stand heute Spitz auf Knopf für den Vaquita, den bedrohtesten Kleinwal der Welt: Um ein Haar hätte der Ständige Ausschuss heute Mexikos Antrag akzeptiert, eine kommerzielle Zuchtfarm für Totoabas anzuerkennen, auch mithilfe der EU! Dies hätte dem internationalen Handel mit den extrem teuren Schwimmblasen dieser streng geschützten Riesenfische den Weg geebnet. Vaquita – der bedrohteste Kleinwal der Welt © NOAA Bei aller Erleichterung: Wir sind mehr als enttäuscht von der EU, die trotz ihrer Bedenken den Antrag Mexikos unterstützt hat. Nur dank des Vetos von Peru, Niger und Israel konnte die Anerkennung der Farm vorerst verhindert werden. Die Entscheidung ist um ein Jahr vertagt. In China ist die getrocknete Totoaba-Schwimmblase als Delikatesse stark gefragt, der Schwarzmarktpreis beträgt unfassbare 55.000 Euro pro Kilo! Deshalb werden die eigentlich streng geschützten Fische weiterhin illegal gefischt. Die Registrierung der Zuchtfarm könnte einen Deckmantel für den illegalen Handel bieten. Weitere Opfer dieses illegalen Geschäftes sind die Vaquitas, die in den Fischernetzen als Beifang sterben. Die Kleinwale sind mit offenbar weniger als zehn noch lebenden Tieren bereits fast ausgestorben. Die Legalisierung der Totoaba-Zucht würde zudem ein fatales Signal an die Kunden in Fernost senden und vermutlich die Nachfrage steigern, für die letzten Vaquitas wäre das ein weiterer Nagel für ihren Sarg. Jetzt wurde zumindest ein Jahr Zeit gewonnen, um die Pläne der Zuchtfarm zu verhindern… Davon abgesehen haben wir den Tag genutzt, um bei möglichst vielen Delegierten um Unterstützung für bedrohte Arten zu werben. Und die letzten organisatorischen Dinge für unsere Info-Veranstaltung am Sonntag müssen wir heute Abend noch erledigen. 15. August 2019: Countdown der Vorbereitungen Um 4.00 Uhr klingelten heute die Wecker unserer Campaignerinnen – Aufbruch nach Genf, wo heute Morgen um 10.00 Uhr schon das erste Strategie-Treffen des Species Survival Network (SSN) stattfand. SSN-Strategie-Meeting zur CITES-Artenschutzkonferenz Pro Wildlife ist Mitglied in diesem weltweiten Netzwerk aus Tier- und Artenschutzorganisationen – über SSN erhalten wir wertvolle Infos aus erster Hand. Wir koordinieren uns in Arbeitsgruppen zu den wichtigsten Themen, erfahren neueste Entwicklungen zu kontroversen Schutzanträgen und finden über SSN Kontakte zu Delegierten aus allen Kontinenten. Und es ist ein Wiedersehen mit Kolleginnen und Kollegen, mit denen wir seit Jahren eng zusammenarbeiten, um Schutzanträge vorzubereiten, Strategien abzusprechen – unglaublich, wie eng verbunden man sich mit Menschen fühlt, die man nur alle drei Jahre sieht. Trotz aller Wiedersehensfreude braucht es so einige Espressos, um nach nur vier Stunden Schlaf dem ganztägigen Meeting mit vielen Details folgen zu können… Autorin: Dr. Sandra Altherr Mehr Informationen CITES 2019 Diese Anträge bewegen uns 2019 am meisten. » Weltartenschutzkonferenz CITES 2019 Elfenbeinhandel Tausende Elefanten sterben jährlich wegen ihrer Stoßzähne. » Elfenbeinhandel Aussterben der Giraffe Verlieren wir die Langhälse? » Das leise Aussterben der Giraffe
8. August 2019. Die CITES-Weltartenschutzkonferenz und die Rolle der EU. Im Mai 2019 schockierte der Bericht des Weltbiodiversitätsrates IPBES die Welt: Eine Million Arten könnten in den kommenden Jahrzehnten von der Erde verschwinden. Die Ausbeutung von Wildbeständen ist als eine der fünf Ursachen des großen Artensterbens klar benannt. Bei solch eindringlichen Warnungen ist es kaum zu glauben, dass es immer noch einen Riesen-Kraftakt bedeutet, das Handelsverbot für Elfenbein und Rhino-Horn aufrechtzuerhalten. Auch werden noch immer zahllose Tiere hunderter, wenn nicht gar tausender bedrohter, dennoch international noch immer ungeschützter Reptilien-, Amphibien- und Fischarten völlig unkontrolliert aus der Wildnis genommen. Cochranella euknemos, ein Glasfrosch aus Costa Rica © Brian Gratwicke CC BY 2.0 Vom 17. bis 28. August 2019 kommen mehrere tausend Experten und Interessensvertreter in Genf zusammen, um miteinander zu streiten, welche Wildtiere und Pflanzen international stärker geschützt werden. Die Weltartenschutzkonferenz (Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora, kurz CITES) findet nur alle drei Jahre statt und ist die wichtigste Veranstaltung, wenn es um den Handel mit bedrohten Arten geht. Ein Blick auf die Teilnehmerliste zeigt schnell, dass die Konferenz kein gemütliches Treffen unter Freunden ist, sondern ein knallharter Kampf zwischen Kommerz und Schutz: Elfenbein- und Nashorn-Händler, Trophäenjäger, die Reptilleder-Industrie und die Tierhändler stehen auf der einen Seite, unterstützt von Regierungen wie Südafrika oder Botswana sowie einer finanzkräftigen Industrie, die weiter ihren Reibach mit bedrohten Wildtieren und Pflanzen sichern will. Ihnen gegenüber stehen Tier- und Artenschutzverbände sowie einige Länder, die alles daran setzen, den Handel mit bedrohten Tieren zu stoppen. Ein ungleicher Kampf, bei dem die Europäische Union eine sehr ambivalente Rolle einnimmt: Für Graupapageien gilt erst seit 2016 ein weltweites Handelsverbot für Wildfänge Einerseits hat die EU 2016 ihren „Wildlife Action Plan“ verabschiedet, der den illegalen und nicht naturverträglichen Handel mit Wildtieren und -Pflanzen bekämpfen soll. Auch ist die EU vergleichsweise aktiv, wenn es darum geht, für die CITES-Konferenzen Schutzanträge für bedrohte Arten auszuarbeiten, diplomatisch zu begleiten und letztlich erfolgreich durchzusetzen. Bei der CITES-Konferenz 2016 war die EU Haupt- oder Mitantragsteller von 14 Schutzanträgen, darunter für Berberaffe, Graupapagei, Fuchshaie sowie zahlreiche Echsen. Auch für die kommende 18. CITES-Konferenz liegen zwölf Schutzanträge als Initiativen der EU auf dem Tisch. Neben diversen Rochen, Seegurken und einem Schmetterling gibt es erneut wieder fünf Anträge für Arten, die als exotische Haustiere gehandelt werden. Ein Schwarzleguan aus Lateinamerika, Ctenosaura sp. Diese aktuelle Bereitschaft der EU, sich für so viele Reptilien- und Amphibien-Arten einzusetzen, kommt nicht von ungefähr. Die EU ist einer der größten Absatzmärkte, auch und vor allem für exotische Haustiere. Mit Ausnahme ihres Engagements bei CITES zeigt die EU derzeit jedoch leider wenig Bereitschaft, den zügellosen Plünderungen von Wildbeständen weltweit grundsätzlichen Einhalt zu gebieten. In der Europäischen Union ist sogar der Handel mit solchen Tieren noch immer erlaubt, die in ihrem Heimatland streng geschützt sind, dort illegal eingefangen und außer Landes geschmuggelt wurden. Hier in Europa werden solche lebenden Raritäten dann zu Höchstpreisen verkauft: Sammler zahlen bis zu 5.000 Euro pro Tier – in dem Wissen, dass es nicht aus legalen Quellen stammt, aber die Behörden bei der aktuellen Gesetzeslage in Europa weder gegen den Verkauf noch den Besitz vorgehen können. Auf der weltgrößten Reptilienbörse Terraristika, einer Art Flohmarkt für exotische Haustiere, die viermal jährlich im deutschen Provinzstädtchen Hamm stattfindet, geben einige Händler sogar offen zu, dass das Tier illegal eingefangen wurde. Hier in Deutschland sei es ja nicht illegal – so der lapidare Kommentar. Bedrohter Oaxacan-Schwarzleguan auf Reptilienbörse in Deutschland Pro Wildlife fordert schon seit Jahren ein Gesetz auf EU-Ebene, das zumindest den Handel mit solchen im Heimatland gestohlenen Tieren verbietet. Die USA hat als einziges Land bereits ein solches Gesetz, den „US Lacey Act“. Die EU hingegen sträubt sich bislang und verharmlost die Auswirkungen dieser Form von Wildtierkriminalität auf die Biodiversität – und das, obwohl die EU sowohl als Umschlagplatz als auch Absatzmarkt eine führende Rolle hat und viele der Tierschmuggler zum Beispiel aus Deutschland, Tschechien oder Spanien kommen. Drei Beispiele, die auch auf der kommenden CITES-Konferenz zur Abstimmung stehen, zeigen die unrühmliche Rolle der EU: Hornagame aus Sri Lanka © Calynn CC BY-SA 4.0 • Der Union-Island-Gecko (Gonatodes daudini), mit einem geschätzten tatsächlichen Verbreitungsgebiet von 0,5 km², ist eine bildhübsch gezeichnete kleine Echse, die erst 2005 überhaupt entdeckt wurde. Die Regierung von St. Vincent & die Grenadinen genehmigt weder den Fang noch den kommerziellen Export dieser akut vom Aussterben bedrohten Art, dennoch tauchen die Tiere immer wieder im internationalen Handel auf. Die meisten Anbieter kommen dabei bemerkenswerterweise aus Deutschland, Holland und Österreich. Union Island Gecko • Sri Lanka hat CITES-Anträge für insgesamt zehn Echsen-Arten eingereicht, die allesamt nur auf Sri Lanka vorkommen und dort seit Jahrzehnten nicht mehr legal exportiert werden dürfen. Dennoch tauchen diese Tiere seit ein paar Jahren regelmäßig im europäischen Tierhandel auf. Raritäten-Sammler zahlen Preise von bis zu 2.200 Euro pro Paar. Eine von ihnen, die Pethioyagodai-Schönechse (Calotes pethiyagodai), wurde erst 2014 als neue Art beschrieben, auch sie ist bereits im hiesigen Handel und somit eindeutig illegal eingefangen. Leierkopfagame (Lyriocephalus scutatus) aus Sri Lanka © Milivoje Krvavac • Im August 2014 fanden wir das Online-Inserat eines deutschen Händlers für eine Reihe ungewöhnlicher Glasfrösche aus Lateinamerika, angeboten für die Terraristika zwei Wochen später. Nur wenige Tage vor der Börse wurde der Geschäftspartner des besagten Händlers am Flughafen in Costa Rica mit 184 Fröschen, 203 Kaulquappen und 51 Reptilien im Gepäck erwischt. Just diese Arten waren zuvor per Internet zum Bestellen inseriert worden, darunter sehr viele Glasfrösche. Einige Monate später inserierte ein Schwede Glasfrösche aus angeblichen Farmen in Costa Rica. Unsere Nachfrage bei den dortigen Behörden ergab, dass es solche Zuchtfarmen nicht gibt. Ausgelöst durch diese beiden Fälle beantragt Costa Rica eine CITES-Unterschutzstellung für 104-Glasfrosch-Arten; wohlwissend, dass nicht alle diese Arten bereits im Handel sind, aber dass ein Zöllner am Flughafen eben auch kaum Glasfrosch X von Glasfrosch Y unterscheiden kann. Durchsichtige Bauchseite eines Glasfroschs © Wikimedia/Matanya CC BY 2.0 Trotz der eindeutigen Verwicklung von EU-Bürgern beim Schmuggel und oder als skrupellose Käufer dieser Tiere unterstützt die EU in ihren vorab veröffentlichten Positionen nur einen Teil dieser Anträge, einige lehnt sie offiziell ab. Artenschutzverbände wie Pro Wildlife werden deshalb alles daran setzen, um auf der CITES-Konferenz zu erreichen, dass die EU den Schutz all dieser Tiere doch noch unterstützt. Und wir werden auch weiterhin einen EU Lacey Act fordern. Es darf nicht sein, das die EU die Artenschutzbemühungen der Herkunftsländer torpediert und dieses kriminelle Geschäftsmodell europäischer Tierschmuggler duldet. Wie einigt sich die EU?Die Position der EU für die CITES-Konferenz wird in zwei EU-Artenschutzgremien vorbereitet, der wissenschaftlichen Prüfgruppe („Scientific Review Group“, bestehend aus Vertretern der CITES-Wissenschaftsbehörden der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten) und dem Ausschuss zum Handel mit Wildtieren und -Pflanzen („Committee on Trade in Wild Fauna and Flora“, zusammengesetzt aus den CITES-Management-Behörden der EU-Mitgliedsstaaten). Einen Vorschlag der EU-Kommission für eine gemeinsame Position beraten dann verschiedene Arbeitsgruppen des EU-Rats. Die finale Position wird dann nochmals im EU-Rat bestätigt. Das EU-Parlament ist hierbei nicht eingebunden. Autorin: Dr. Sandra Altherr Mehr Informationen CITES Washingtoner Artenschutzübereinkommen: Schutz für bedrohte Arten. » CITES CITES 2019 Die wichtigsten CITES-Anträge 2019. »CITES 2019 Reptilienschmuggel Viele Arten sind stark bedroht und dennoch nur in ihrem Ursprungsland geschützt. » Reptilienschmuggel Exotische Haustiere Schon für 1.000 Euro kann man im Internet ein Löwenbaby kaufen, für 500 Euro einen vom Aussterben bedrohten Gecko. Im Wildtierhandel gibt es kaum Grenzen. » Exotische Haustiere
28. Juni 2019. Ein Zustandsbericht aus Hoffen und Bangen. Japan, Island, Norwegen, Russland – die Infos zu Walen aus diesen vier Ländern überschlagen sich gerade. Anlass genug, die neuesten Entwicklungen zu sortieren und zu kommentieren: Am 29. und 30. Juni tagte der G20-Gipfel, zum ersten Mal in Japan – einem Gastgeber, der gerade die internationale Konventionen mit Füßen tritt und ab 1. Juli auf kommerzielle Waljagd gehen will. Die G20-Regierungschefs wurden von Prominenten und 100 Tier- und Artenschutzverbänden aus aller Welt aufgefordert, gegen den kommerziellen Walfang vorzugehen. Ob sie das tun? Verdient hätten es alle drei Länder, die noch des Mammons wegen Meeresriesen mit Explosivharpunen beschießen: Island, Norwegen – und eben Japan. Japan: Künftig eine Art „ehrlicher Piratenwalfang“? Um dem verhassten weltweiten kommerziellen Walfangverbot zu entrinnen, hat Japan Ende 2018 seine Mitgliedschaft bei der Internationalen Walfangkommission (IWC) aufgekündigt. Mit sechsmonatiger Kündigungsfrist – ganz so, als handele es sich dabei nur um einen Fitnessstudio-Vertrag. Ab Juli 2019 will das Land aus Fernost also ganz offiziell auf kommerzielle Waljagd gehen. Zwar wurden auch schon die letzten 32 Jahre harpunierte Wale noch auf dem Fabrikschiff Nisshin Maru in Supermarkt-taugliche Pakete zerlegt und eingefroren; nur musste Tokio dies bislang als „Wissenschaft“ deklarieren, um die IWC-Vorschriften zu wahren. Die Nisshin Maru trug sogar ein Banner mit der zynischen Aufschrift „legal research“ (zu deutsch: „legale Wissenschaft“, siehe Foto). Japanischer Walfänger © Australian Customs and Border Protection Service 32 Jahre legte Japan also der IWC angebliche Forschungsergebnisse vor, die so mau oder gar hanebüchen waren, dass sie es nicht in die ernsthafte Fachliteratur schafften. Nach 32 Jahren der Lügen künftig also mehr Ehrlichkeit – aber eben auch Piratenwalfang, weil außerhalb der zuständigen Konvention… Mit dem Verlassen der IWC stellt sich Japan im Artenschutz endgültig ins Aus, auch wenn es künftig nicht mehr auf hoher See und auch nicht mehr im Antarktis-Schutzgebiet auf die Jagd gehen will. Ob Japan diesen schroffen und ignoranten Kurs dauerhaft einhalten kann, wird sich zeigen. Hoffnung gibt die Tatsache, dass in den letzten 55 Jahren der Walfleischkonsum in Japan um 99 Prozent zurückgegangen ist. Island: Zum ersten Mal seit 17 Jahren ohne Walfang Während alle Welt entsetzt auf Japan schaut, reißen die guten Nachrichten aus Island gerade nicht ab: Zunächst erfuhren wir, dass sich der einzige Finnwalfänger der Welt, Fischerei-Millionär Kristjan Loftsson, bei seiner Regierung in die Nesseln gesetzt hat: Denn nach zwei Jahren Fangpause (2016/2017) war er 2018 wieder auf Finnwaljagd losgezogen – doch durch diese Pause war seine Fischerei-Lizenz erloschen; damit verstieß er gegen die Vorgaben seiner Regierung. Dumm, wenn man gerade wieder den Persilschein fürs aktuelle Jahr beantragt. Finnwaljagd, Island © Dagur Brynjólfsson Und tatsächlich: Anfang Juni verkündete Loftssons Kapitän, man würde dieses Jahr die Finnwaljagd sein lassen, die Genehmigung sei zu spät gekommen, das lohne sich nicht mehr. Unsere Quellen sagen da etwas anderes: Loftsson wurde offenbar die Genehmigung verweigert. Wegen seiner Jagd ohne Lizenz in 2018? Oder weil eine neue Studie zeigt, dass die angeblich ach so blühenden Finnwalbestände im Nordatlantik in Wahrheit wohl deutlich kleiner sind? Ende Juni dann kam es noch besser: Die Fischer, die eine Sondergenehmigung zur Zwergwaljagd haben, verkündeten, dass sie in diesem Jahr auf die Jagd verzichten. Die Nachfrage nach Walfleisch sei zu gering, es würde sich nicht lohnen. Damit bleiben die Wale vor Island zum ersten Mal seit 2003 verschont, 2019 also bis zu 209 Finnwale und 2017 Zwergwale gerettet. So sind wir unserem Ziel, die Waljagd in Island zu beenden, einen wichtigen Schritt nähergekommen. Norwegen – ist da was? Fast unbemerkt hat Norwegen seit Beginn der diesjährigen Walfangsaison bereits 201 Zwergwale getötet, ohne dass dies für internationale Aufregung gesorgt hätte. Zwar sind dies weniger als die 247 Tiere im Vorjahr im gleichen Zeitraum, aber noch immer 201 Meeressäuger zu viel. Walfang Norwegen © Michael Tenten Norwegen ist ein reiches Land, mit riesigen Öl-, Gas- und Aluminiumreserven und boomenden Fischexporten. Walfleisch braucht dort niemand. Umso mehr müssten eigentlich die internationalen Proteste auf Norwegen einprasseln. Doch weit gefehlt: Die Kritik ist verhalten, findet teils im Verborgenen statt (wie 2018 eine Demarche, die die EU still und heimlich an den norwegischen Botschafter überreichte). Man kann jetzt spekulieren, ob es sich die EU-Länder mit ihrem Gas- oder Fischlieferanten einfach nicht verscherzen wollen oder ob dies andere Gründe hat. Unsere Forderung, die Internationale Walfangkommission würde endlich eine deutliche Resolution gegen den kommerziellen Walfang von Norwegen, Island und Japan verabschieden, ist bislang jedenfalls erfolglos. Russland schließt sein „Walgefängnis“ Ende 2018 lösten Drohnen-Aufnahmen aus der russischen Kleinstadt Nakhodka weltweite Schlagzeilen aus: Die Bilder zeigten mehr als 100 Orcas und Weißwale (Belugas), die in winzigen Netzgehegen zusammengepfercht ausharrten. Eingefangen für Delfinarien in China, viele von ihnen noch Jungtiere, alle aus ihrem Familienverbänden herausgerissen. Den Winter über verschwanden mindestens drei Belugas und ein Orca – offenbar Opfer der schlechten Haltungsbedingungen. Der Aufschrei war groß, Pro Wildlife und andere Verbände starteten Petitionen. In den Folgemonaten machte Russlands Präsident Putin das „Walgefängnis“ zur Chefsache, löste strafrechtliche Ermittlungen gegen die Betreiber aus und verordnete die Wiederauswilderung. https://www.prowildlife.de/wp-content/uploads/2019/05/WhaleJail_Masha-Netrebenko.mp4 Im Juni war es nun für die ersten Tiere so weit: Am 23. Juni wurden zwei Orcas und sechs Belugas in Wannen verfrachtet, auf Trucks geladen und 1.800 km gen Osten transportiert, um sie dort auszusetzen, wo ihre Familienverbände vermutet werden. Eigentlich ein Grund zum Jubeln, wären sie besser auf die Auswilderung vorbereitet worden: Sind sie nach der langen Strapaze fit genug für ein Leben im freien Meer? Können sie überhaupt schon eigenständig Fische fangen? Russland muss deshalb aktuell wieder Kritik einstecken – und es bleibt zu hoffen, dass man aus den Fehlern lernt und die anderen 80 Tiere besser vorbereitet. Aber immerhin: Das unsägliche Walgefängnis wird bis Oktober komplett geleert. Unsere Petition soll helfen, ein Fangverbot durchzusetzen, so dass in Russland nie wieder Orcas oder Belugas für die Vergnügungsindustrie eingefangen werden. Autorin: Dr. Sandra Altherr Weitere Informationen Petition Russland ist das einzige Land der Welt, dass lebende Orcas und Belugas für Delfinarien exportiert. » Appell an Russland: Stoppt den Fang für Delfinarien verbieten! Walfang Japan Warum ist Japan aus der IWC ausgetreten? » Japan verlässt IWC Japanischer Walfänger Hintergrund: Walfang in Japan (Foto © Australian Customs and Border Protection Service) » Walfang in Japan Finnwaljagd 2019 Fehlende Lizenzen und Skandale zwingen Kristjan Loftsson zur Pause. » Keine Finnwaljagd 2019 in Island Walfang Island Islands Regierung erlaubt den Fang von Zwergwalen als Nebenerwerb für Fischer, gibt aber auch einem Millionär das Monopol auf das Töten der zweitgrößten Tierart der Welt, den Finnwal. » Hintergrund: Walfang in Island
12. Juni 2019. … und was dies für den Artenschutz bedeutet. Ob Tradition, Sprache, Handlungen, Identität: Kultur wurde lange Zeit als etwas verstanden, was nur den Menschen ausmacht, Tieren jedoch vorenthalten ist. Der Mensch als Krönung der Schöpfung – ein solches Bild erleichtert es ungemein, Tiere einzusperren, zu verdrängen oder zu töten. Doch was ist, wenn sich bestimmte Tiere als hochintelligent, als super-sozial und gar als Wesen mit Traditionen und Kulturen erweisen, die sie als Gemeinschaft verbinden und die Artgenossen und Nachkommen von ihnen erlernen? Immer mehr Studien zeigen genau dies und werfen zentrale Fragen für den Tier- und Artenschutz auf: Bereits 1950 beobachteten Forscher bei Makaken auf der japanischen Insel Koshima ein Verhalten, das ihre Artgenossen anderswo nicht zeigten: Die Affen waschen schmutzige Früchte im Wasser, bevor sie sie verzehren. Und sie geben diese Esskultur offenbar als Tradition von Generation zu Generation weiter. In den 1960er Jahren entdeckte Jane Goodall bei wilden Schimpansen den Gebrauch von Werkzeugen: Mit kleinen Zweigen angeln sie Ameisen und Termiten aus ihren Bauten. Die eine Schimpansen-Horde erbeutet Honig mit Stäben, eine andere nimmt hierfür gekaute Blätter, die wie ein Schwamm wirken. Kein Einzelfall: Orang-Utans und Gorillas wurden dabei beobachtet, wie sie mit einem langen Ast zuerst testen, wie tief ein Gewässer ist, bevor sie hindurchwaten. Eine neuere Studie zeigt: Je mehr Weibchen in einem Schimpansen-Trupp sind, desto mehr Techniken und Traditionen werden in dem Trupp weitergegeben. Werkzeuggebrauch bei Schimpansen© Livia Wittiger LWC Dass mehrere Buckelwale als Team Fischschwärme mit Luftblasen-Netzen umzingeln, um die begehrte Beute zusammenzutreiben, ist schon lange bekannt. Doch Anfang der 1980er Jahre beobachteten Forscher im Golf von Maine (USA) einen einzelnen Buckelwal dabei, wie er jedes Mal vor dem „Bubble-Feeding“ mit der Schwanzflosse auf die Wasseroberfläche schlug, was die Fische zusätzlich verwirrte und ihren Fang nochmals erleichterte. Über die nächsten 20 Jahre übernahmen immer mehr Buckelwale der Region die neue Jagdtechnik ihres Artgenossen; inzwischen ist dies bei fast der Hälfte dieser Buckelwal-Population Teil ihrer Jagdtechnik. Ein großer Selektionsvorteil in Zeiten von industrieller Überfischung… Buckelwale bei der Jagd Bei Orcas weiß man inzwischen, dass verschiedene Gruppen nicht nur unterschiedliche Dialekte haben, sondern dass diese Dialekte sehr unterschiedlich komplex sind. Schließen sich Orca-Gruppen zu sogenannten „Clans“ zusammen, geschieht dies zwischen Gruppen mit ähnlichen Dialekten. Und sie sind nicht die einzigen Meeressäuger: Auch bei Blauwalen und Pottwalen kennt man inzwischen lokale Dialekte. Über diverse Pfiffe rufen Delfine ihre Artgenossen regelrecht beim Namen. Und 2018 entdeckten Forscher, dass Buckelwale die Gesänge ihrer Gruppe alle paar Monate verändern. Delfine, Menschenaffen, Elefanten: Bei immer mehr Tierarten haben Wissenschaftler ein Ich-Bewusstsein nachgewiesen: Sie erkennen sich im Spiegel. Das lässt sich zum Beispiel so nachweisen, dass Schimpansen vor einem Spiegel versuchen, sich einen aufgemalten Punkt auf der eigenen Stirn zu entfernen. Afrikanische Elefanten sind für ihre langen Wanderrouten bekannt. Die erfahrenen Leitkühe haben dabei eine zentrale Funktion: Sie wissen genau, wo es zu welcher Jahreszeit Wasserquellen gibt, wo Salze und andere wertvolle Mineralien zu finden sind. Und sie treffen, das zeigen ganz aktuelle Studien, situationsabhängige Entscheidungen, wann sie ihre Herde wohin führen, um deren ideale Versorgung zu gewährleisten und so auch die Fruchtbarkeit jüngerer Weibchen zu erhöhen. Selbst die jüngsten Herdenmitglieder wissen noch Jahrzehnte später, was sie so gelernt haben. Elefantenherde Dass Tiere trauern, insbesondere wenn es um den Tod ihres Nachwuchses geht, ist hinreichend bekannt. Doch vor allem bei hoch sozial lebenden Tierarten wie Elefanten und verschiedenen Affen verabschieden sich nicht nur die Mutter, sondern auch andere Herdenmitglieder von einem gestorbenen Tier. Sie versuchen, es aufzurichten, beschnuppern und betasten es; teils wird der tote Leib noch eine Weile mit herum getragen oder gegen Fressfeinde verteidigt. Sprache, Werkzeuggebrauch, Ich-Bewusstsein, Trauerkultur… … die Liste bemerkenswerter Verhaltensweisen und Traditionen bei Wildtieren, die von Generation zu Generation weitergegeben werden – durch Nachahmen und Lernen, nicht durch Vererbung – ließe sich endlos fortführen. Sie lässt die einst scharfen Grenzen zwischen Mensch und Tier aufweichen. Dies wirft moralische Fragen auf, wie wir Menschen mit Tieren umgehen. Wie können wir es beispielsweise verantworten, wilde Orcas aus ihrer Gruppe herauszureißen und sie mit ihnen völlig fremden Artgenossen zusammenzupferchen? Dass Elefanten ein tristes Leben in Wanderzirkussen fristen müssen? Dass noch immer Elefantenbabys aus ihren Familien gerissen und in Zoos gebracht werden? Orcas in einem Freizeitpark Im Mai 2019 warnte der Weltbiodiversitätsrat eindringlich davor, dass einem Achtel aller Tier- und Pflanzenarten die baldige Ausrottung droht, wenn wir alle nicht unseren Ressourcen-Verbrauch drastisch senken sowie Klimaerhitzung und Vergiftung beenden. Eine Mammutaufgabe von höchster Dringlichkeit. Und es geht um noch mehr: Die vielen Studien zu Kulturen und Traditionen bei vielen Tierarten zeigen dabei, dass Artenschutz über die rein genetische Vielfalt hinausgehen sollte – auch die kulturelle Vielfalt gilt es zu bewahren. Was uns etwas zuversichtlich stimmt: Noch nie war der Artenschutz-Appell an Wissenschaftler, Öffentlichkeit und Politiker so klar, noch nie die Notwendigkeit zu handeln so klar wie derzeit… Autorin: Dr. Sandra Altherr Weitere Informationen Orcas © Curimedia Orcas in Gefangenschaft leiden für den Spaß der Besucher. Noch immer werden Schwertwale in der Wildnis gefangen und in Delfinarien gesperrt. » Orcas in Gefangenschaft Delfinarium Delfinarien stehen zunehmend in der Kritik. Hunderte aus dem Meer gefangene Kleinwale und Delfine müssen dort Kunststücke vorführen. Auch in Deutschland gibt es noch » Delfinarien Elefanten Elefanten sind die größten noch lebenden Landtiere. Elefanten leben in komplexen Sozialgefügen. » Elefanten Schimpansen Der Schimpanse ist mit einer genetischen Übereinstimmung von 98 Prozent unser nächster Verwandter, die einzelnen Clans bilden sogar Kulturen aus. » Schimpansen Petition Russland exportiert lebende Orcas und Belugas für Delfinarien. » Petition: Russland soll Fang für Delfinarien verbieten!
06. Mai 2019 Wissenschaftler monieren Plünderung Sri Lankas für Heimtierhandel Autsch, wie peinlich! In der aktuellen Ausgabe des Artenschutz-Fachmagazins TRAFFIC Bulletin wurde ein Artikel veröffentlicht, der für die EU-Kommission und die deutsche Bundesregierung ein Schlag ins Gesicht ist: Die Autoren Jordi Janssen (Kanada) und Prof. Dr. Anslem de Silva (Sri Lanka) zeigen einen umfassenden Handel mit Reptilien aus Sri Lanka und bemängeln, dass die Europäische Union bislang bei ihrem Ziel versagt, den Wildtierschmuggel zu bekämpfen. Denn Sri Lanka hat seine heimische und einzigartige Artenvielfalt unter strengen Schutz gestellt: Wildtiere dürfen weder eingefangen noch exportiert werden – und dennoch sind sie hierzulande regelmäßig im Angebot. Gerade wegen ihrer Seltenheit sind sie bei zahlungskräftigen Raritäten-Sammlern in Europa sehr begehrt. Preise von bis zu 2.500 € pro Paar sind keine Seltenheit. Hornagame (Ceratophora stoddartii) © Calynn CC BY-SA 4.0 Deutschland als Drehscheibe des illegalen Reptilienhandels benannt Janssen und de Silva finden in ihrer Studie deutliche Worte: „Deutschland steht im Zentrum des illegalen Handels mit Reptilien aus Sri Lanka… Die deutschen Behörden sollten sich der Rolle bewusst sein, die Deutschland im internationalen Handel mit Reptilien aus Sri Lanka spielt und dass dies gegen die nationale Gesetzgebung im Herkunftsland verstößt.“ Außerdem kritisieren die Autoren, wie sehr Anspruch und Praxis der EU beim Kampf gegen Wilderei und Tierschmuggel auseinanderklaffen: „Während die EU bestätigt, dass der EU-Markt nicht die Nachfrage nach Arten beschleunigen sollte, die illegal oder nicht-nachhaltig gefangen wurden, macht das Fehlen von Schutzbestimmungen für solche Arten die EU zu einem zentralen Akteur im illegalen Handel mit solchen Arten.“ Leierkopfagame (Lyriocephalus scutatus) © Kalyanvarma CC BY-SA 3.0 Warum steht gerade Deutschland in der Kritik? Zum einen sind es vornehmlich deutsche Händler, die Sri Lankas lebende Raritäten im Internet auf einschlägigen Plattformen oder in geschlossenen Facebook-Gruppen anbietet. Zum anderen werden die Deals zwischen Anbieter und Käufer zwar online verabredet, aber die tatsächliche Übergabe der Tiere erfolgt dann meist in Hamm, einer Kleinstadt in Nordrhein-Westfalen, wo sich die internationale Szene viermal jährlich auf der Reptilienbörse „Terraristika“ trifft. Ein Flohmarkt für Wildtiere: Etwa 600 offizielle Verkäufer stapeln tausende Tiere auf engen Tischreihen, zahllose Besucher schieben sich durch die Gänge und suchen nach Schnäppchen. Neben der preiswerten „Massenware“ gibt es eben auch viele Seltenheiten, darunter Schwarzleguane aus Guatemala, Zwergpuffottern aus der Wüste Namib oder Stachelschwanzskinke aus Australien. Massenhandel auf einer deutschen Tierbörse Reptilien aus Sri Lanka? Das Problem ist weitaus größer Bereits 2014 hatte Pro Wildlife seinen Bericht „Stolen Wildlife“ veröffentlicht. Der Bericht zeigte erstmals, wie sich skrupellose Tierschmuggler ein neues Geschäftsmodell aufgebaut haben: Den illegalen Fang und Export seltener und bedrohter Tiere, die bislang nur in ihrem Heimatland geschützt sind. Erst einmal erfolgreich außer Landes geschmuggelt, können solche Tiere hier in Europa straffrei und völlig offen verkauft werden; zu Rekordpreisen bei gleichzeitig geringem Risiko. Betroffen ist nicht nur Sri Lanka, sondern alle Länder, die ihre heimische Artenvielfalt national schützen wollen und in denen attraktive kleinwüchsige Arten vorkommen, die in ein Terrarium passen… Schwarzleguan © Pixabay Die EU braucht strengere Artenschutzgesetze Dabei wäre es so einfach, gegen diese Plünderung bedrohter und gestohlener Tiere vorzugehen. Die USA macht es vor: Sie hat bereits seit 1900 ein Gesetz, das schlichtweg besagt: Was im Herkunftsland illegal eingefangen bzw. exportiert wurde, darf auch in den USA nicht verkauft werden. So einfach ist das. Dieser „US Lacey Act“ wäre ohne weiteres auch für die EU zu empfehlen, doch bislang lehnt die EU-Kommission eine solche Verordnung ab. Aktuell jedoch steigt der Druck auf die EU, zum einen durch die neue Studie, die die EU und Deutschland an den Pranger stellt. Zum anderen liegen für die große CITES-Artenschutzkonferenz Schutzanträge für mehr als 200 Arten auf dem Tisch, die durch den Exotenhandel bedroht sind. Ob Glasfrösche aus Lateinamerika, Geckos aus der Karibik oder Vipern aus dem Iran: Sie alle haben gemein, dass sie im Heimatland geschützt sind und dass Deutschland und die EU am Ausverkauf dieser Arten erhebliche Mitverantwortung tragen. Glasfrosch © Brian Gratwicke CC BY 2.0 Deutschland bräuchte dringend strengere Regeln, um den Wildwuchs auf Tierbörsen zu beenden. Die EU bräuchte den Mut, endlich einen EU Lacey Act anzupacken. Dann, und nur dann, kann Tierschmugglern auch hier in Europa das Handwerk gelegt werden… Autorin: Dr. Sandra Altherr Weitere Informationen Exotische Haustiere Exotische Haustiere sind beliebt wie nie zuvor. Schon für 1.000 Euro kann man im Internet ein Löwenbaby kaufen. Im Wildtierhandel gibt es einen unglaublichen Wildwuchs. » Exotische Haustiere Reptilienschmuggel Reptilienschmuggel ist ein einträgliches Geschäft. Viele Tiere sind in ihrer Heimat geschützt, aber in der EU vogelfrei. Eine Gesetzeslücke macht es möglich. » Hintergrund: Reptilienschmuggel Studie von Janssen & de Silva Studie von Janssen & de Silva zur Rolle der EU im Handel mit Reptilien aus Sri Lanka. » Studie Artenschutzkonferenz 2019 Für bedrohte Arten am Verhandlungstisch. » Artenschutzkonferenz 2019 Rechtsgutachten Rechtsgutachten zur Machbarkeit eines EU Lacey Acts. » Gutachten
27. Februar 2019. Kleinere Arten fallen bei internationalen Schutzinitiativen oft durch das Raster. Am 3. März 1973 wurde das Washingtoner Artenschutzübereinkommens (engl. CITES) ins Leben gerufen. Dieser Tag ist inzwischen zum Internationalen Tag des Artenschutzes ausgerufen, 2019 ist er erstmals den Meerestieren gewidmet. Anlass für uns, Resümee zu ziehen und zu analysieren, wie es um den Schutz der tierischen Ozeanbewohner bestellt ist. Etwa 200.000 Tier- und Pflanzenarten der verschiedenen marinen Ökosysteme sind bislang beschrieben, doch gerade inklusive der wenig untersuchten artenreichen Tiefsee gibt es wohl eher mehrere Millionen. Nur ein Bruchteil von ihnen genießt bislang den Schutz durch CITES. Size matters – auch beim Schutz von Meerestieren Unter Wasser sieht es nicht anders aus als an Land: Es sind meist die großen Arten, die bekannt sind; im Englischen nennt man sie „sexy species“, sie sind die Stars von TV-Dokumentationen und stehen im Fokus der Öffentlichkeit. Entsprechend leichter ist es, auf ihre Bedrohung hinzuweisen und Unterstützer für Schutzmaßnahmen zu gewinnen. Blauwale, Buckelwale, Finnwale – die Großwale gehörten zu Recht zu den ersten Tieren, für die nach dem Inkrafttreten von CITES ein weltweites kommerzielles Handelsverbot beschlossen wurde (durch Listung in CITES Anhang I). Den meisten Delfinen und Kleinwalen bleibt dieser strenge Schutz allerdings bislang verwehrt; der internationale Handel mit ihnen ist nicht verboten, sondern nur reguliert – was bis heute beispielsweise den Verkauf für Delfinarien möglich macht. Haie und Rochen: Eine Erfolgsgeschichte für die Riesen 2003 gelang erstmals der große Coup: Walhaie (mit bis 13 Metern die größten Fische der Welt) und Riesenhaie (bis zehn Meter) wurden in CITES Anhang II aufgenommen – jedoch erst im zweiten Anlauf und gegen den erbitterten Widerstand der Fischereinationen. 2005 folgte der Große Weiße Hai (bis sieben Meter), 2007 die imposanten Sägefische (mehr als fünf Meter möglich). 2014 wurden Heringshai, Weißspitzen-Hochseehai (bis 3,9 Meter), drei Hammerhai-Arten (bis sechs Meter) und die riesigen Mantarochen (Spannweite bis sieben Meter) gelistet; 2017 dann Fuchs- und Seidenhaie (bis 7,5 beziehungsweise 3,3 Meter) sowie die Teufelsrochen (Spannweite bis 3,7 Meter). Auf der bevorstehenden CITES-Konferenz 2019 stehen nun Makohaie (bis vier Meter) und Geigenrochen (von denen nur die wenigsten drei Meter erreichen) zur Abstimmung. All diese Arten sind zweifellos bedroht und haben den CITES-Schutz verdient – gar keine Frage. Aber die CITES-Konferenz findet nur alle zwei bis drei Jahre statt und wenn mit dem aktuellen Tempo weiterhin jedes Mal nur einzelne der mehr als 150 bedrohten Hai- und Rochenarten geschützt werden und der Fokus auf den großen Arten bleibt, könnte es gerade für die kleineren, wenig bekannten Arten eng werden… Kleine Fische sind die Verlierer Noch schlechter sieht es für wirklich kleine Fische aus, nämlich solche, die in ein Aquarium in der heimischen Wohnzimmerwand passen. Mondsichel-Junker, Harlekin-Süßlippe, Sternfleckenmuräne – sie alle werden durch den Fang für den internationalen Zierfischhandel bedroht, wie eine aktuelle Studie von Anfang 2019 zeigt. Doch der Ruf einer breiten Öffentlichkeit nach Schutzmaßnahmen für diese Tiere fehlt. Oder haben Sie schon mal von einer Petition für den Koran-Kaiserfisch gehört? Oder von einer Demonstration zugunsten des Banggai-Kardinalbarsches? Eben. Diese Tiere sind wohl nur speziellen Zoofachhändlern und Besitzern von Meerwasser-Aquarien ein Begriff. 2016 scheiterte ein CITES-Antrag der EU für den Banggai-Kardinalbarsch am Widerstand des einzigen Herkunftslandes Indonesien, das jedoch ein „besseres Management“ für diese Art versprach. 2019 gibt es nun immerhin ein Arbeitsdokument, das die Gefährdung von Fischen durch den Exotenhandel aufzeigt und einen Workshop einfordert, um konkrete Handelszahlen zu bekommen. Die Großen ins Töpfchen, die Kleinen ins Kröpfchen Natürlich ist nicht allein die öffentliche Beliebtheit der ausschlaggebende Faktor für eine CITES-Listung, sondern vor allem die Bedrohung durch intensive Nutzung. Große Arten stehen oft besonders im Fokus von Harpunen, Langleinen und Netzen, denn sie bieten rein mengenmäßig die beste Ausbeute. Die Wissenschaft nennt dieses Vorgehen der Industriefischerei als „entlang der Nahrungskette abfischen“ (fishing down the food web), beginnend mit den großen Arten und wenn diese dezimiert sind, zu der nächstkleineren Stufe wechselnd. Der massenhafte Fang kleiner Meeresfische für den Aquaristikhandel verläuft hingegen weitgehend unbemerkt. Eine breite Öffentlichkeit lässt sich nun mal mehr für die großen, charismatischen Arten begeistern und davon lassen sich auch politische Entscheidungsträger beeinflussen. Blauwale sind beliebter als Paddelbarsche, Hammerhaie für die meisten Menschen faszinierender als der Pazifische Segelflossen-Doktorfisch. Es braucht auch die Kleinen… Wir könnten es uns leicht machen, ebenfalls nur auf die charismatischen Arten setzen und finanzielle und politische Unterstützer für Schutzmaßnahmen gewinnen. Doch das reicht uns nicht. In gesunden Ökosystemen braucht es die großen und die kleinen Arten; jede Stufe in einer natürlichen, stabilen Nahrungskette muss besetzt sein. Gerade erst hat eine neue Studie kritisiert, dass eine Unterschutzstellung bedrohter Arten bei CITES oft viel zu spät kommt. Das können wir gerade für kleine Arten nur bestätigen: Schlappe zehn Jahre hat es uns gekostet, bis 2016 endlich die Perlboote in CITES Anhang II aufgenommen wurden. Die Gehäuse dieser schönen Kopffüßer sind als Deko-Schnickschnack begehrt. Am Internationalen Tag des Artenschutzes 2019 wollen wir deshalb besonders auf die kleineren Meeresbewohner verweisen, auf die Zierfische. Für ihren Schutz muss noch viel getan werden, packen wir es an! Autorin: Dr. Sandra Altherr Weitere Informationen Exotische Haustiere Exotische Haustiere sind beliebt wie nie zuvor. Schon für 1.000 Euro kann man im Internet ein Löwenbaby kaufen. Im Wildtierhandel gibt es einen unglaublichen Wildwuchs. » Exotische Haustiere Malawi-Buntbarsche im Aquarium Wildfänge und bedrohte Arten in deutschen Aquarien. » Malawi-Buntbarsche im Aquarium Korallensterben Korallenriffe weltweit sterben. Zurück bleibt nur eine Unterwasserwüste. » Korallenbleiche und Korallensterben
09. Januar 2019. Artenschutzkonferenz: Die Katze ist aus dem Sack! Der 4. Januar war für uns wie ein zweites Weihnachten, inklusive einer weitgehend schönen Bescherung: Die Anträge, die es auf die Agenda der 18. Konferenz des Washingtoner Artenschutzübereinkommens (CITES CoP18) geschafft haben, wurden veröffentlicht. Und die allermeisten davon sind in unserem Sinne. Doch auch diesmal gibt es leider wieder einige Anträge, die den Ausverkauf bedrohter Tier- und Pflanzenarten noch vorantreiben würden. Auch wenn die endgültigen Entscheidungen erst Ende Mai auf der CoP18 in Sri Lanka fallen werden, war doch die Veröffentlichung der eingereichten Anträge für unsere Nerven der reinste Krimi. Denn an diversen Schutzinitiativen waren wir maßgeblich beteiligt – und bis zuletzt war offen, wer es überhaupt auf die offizielle Agenda schafft. Giraffen sollen endlich besser geschützt werden © Pixabay Um welche Arten geht es auf der nächsten CITES-Konferenz? Insgesamt 57 Anträge liegen nun auf dem Tisch – darunter für Arten, die in Fischtheken (Geigenrochen, Mako-Haie), als Dekoartikel (Giraffen, Schmetterlinge) oder Holzprodukte (z.B. Afrikanisches Teakholz, Zeder) enden. Wie bereits auf der letzten Konferenz 2016 gibt es wieder auffallend viele Anträge zu Arten, die durch den Heimtierhandel bedroht sind. Darunter diesmal mehrere Agamen aus Sri Lanka, Glasfrösche aus Lateinamerika, Geckos aus Madagaskar sowie Molche aus Südostasien. Auch einige Schildkröten sollen zukünftig noch besser geschützt werden; für mehrere Arten wurde ei absolutes Handelsverbot beantragt. Das Horn eines Nashorns erzielt Höchstpreise auf dem Schwarzmarkt All diesen Schutzanträgen stehen einige bedenkliche Anträge gegenüber: Tajikistan will den strengen Schutzstatus des Markhor-Schafes, einer begehrten Jagdtrophäe, lockern. Sambia, Simbabwe, Namibia und Botswana künftig Elfenbein und Eswatini (ehemals Swasiland) Rhino-Horn verkaufen dürfen. Namibia beantragt zudem den Verkauf von Nashörnern als Jagdtrophäen und lebende Tiere. All das wollen wir verhindern. Ein Schutzantrag für Mammuts? Wie schwer es ist, das geltende Elfenbeinhandelsverbot lückenlos umzusetzen, zeigt der Antrag Israels, den Handel mit Mammut-Stoßzähnen einzuschränken. Auf den ersten Blick scheint es ein kurioser Vorschlag, das Mammut in die Liste geschützter Arten aufzunehmen. Denn schließlich ist es seit 4.000 Jahren ausgestorben. Aber da der Handel mit Mammut-Stoßzähnen bisher uneingeschränkt möglich ist, kann hierüber illegales Elefanten-Elfenbein in den Markt eingeschleust werden. Vor wenigen Tagen erst wurde in Kambodscha Elfenbein beschlagnahmt, das teils von Mammuts teils von Elefanten stammt. Dieses gefährliche Schlupfloch soll jetzt geschlossen werden. Es wäre ein absolutes Novum, denn noch nie wurde eine bereits ausgestorbene Art in die CITES Liste aufgenommen. Der Handel mit Mammut-Stoßzähnen heizt den Elfenbeinmarkt an Wie funktioniert eine CITES-Listung? Die Konferenz selbst findet alle drei Jahre statt, aber „nach der Konferenz ist vor der Konferenz“. Soll heißen: Direkt nach der letzten CITES-Tagung 2016 begannen unsere Recherchen zum Handel weiterer bedrohter Arten, für die wir eine Listung auf der nächsten CITES-Konferenz erreichen wollen. Unserer monatelangen Recherche folgt dann der Dialog mit Herkunftsländern, deren Natur geplündert wird, um den internationalen Markt zu versorgen. Denn Artenschutzorganisationen können zwar Ländern zuarbeiten – Schutzanträge einreichen können aber nur Regierungen. Im Idealfall ist die Bedrohung ausreichend gut dokumentiert und ein Herkunftsland erklärt sich bereit, den Antrag einzureichen und zu verteidigen. Damit ist die erste große Hürde auf dem langen Weg zu einer internationalen Unterschutzstellung genommen. Die nächsten viereinhalb Monate bis zur Artenschutzkonferenz bedeuten nun für uns: Eine detaillierte Analyse der Anträge und Ausarbeiten von Argumenten, um möglichst viele Länder davon zu überzeugen, für oder auch gegen Anträge zu stimmen. Denn damit ein Antrag Erfolg hat ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Bei einigen Arten lässt sich bereits Wochen vor der Konferenz die Stimmung abschätzen. Doch bei anderen wird wortwörtlich bis zur letzten Minute verhandelt und gestritten. Glasfrosch Hyalinobatrachium colymbiphyllum © Brian Gratwicke Was bedeutet der Schutz durch CITES? CITES hat drei Schutzstufen (Anhänge) für bedrohte Arten, von denen die ersten beiden die wirksamsten sind: Anhang I bedeutet ein internationales Verbot des kommerziellen Handels mit Tieren aus freier Natur (für nachweisliche Nachzuchten bleibt der Handel erlaubt). Für Arten, die in Anhang II aufgeführt sind, ist ein internationaler kommerzieller Handel nur dann legal, wenn das Ausfuhrland bescheinigt, dass er nicht die Wildbestände der betroffenen Art bedroht. Eine Listung in Anhang I oder II muss auf den CITES-Konferenzen mit mindestens einer Zweidrittelmehrheit beschlossen werden. Plumploris sind dank Pro Wildlife seit 2007 international streng geschützt © IAR Seit der Gründung von Pro Wildlife vor fast zwanzig Jahren konnten wir bereits zur Unterschutzstellung von über 100 Tierarten (darunter diverse Papageien, Schildkröten, Chamäleons, Frösche und Plumploris) beitragen. Dabei hilft uns die sehr gute Vernetzung mit Tier- und Artenschutzverbänden aus aller Welt. Mindestens genauso wichtig: Für viele Arten konnten wir verhindern, dass ihr Schutzstatus aufgehoben oder gelockert wird. Dank der Arbeit von Pro Wildlife und anderen Verbänden ist beispielsweise das Elfenbeinhandelsverbot trotz aller Gegenversuche noch immer in Kraft, der Handel mit Wanderfalken und Zwergwalen bleibt auch weiterhin verboten. Zur CoP18 fahren wir wieder mit großen Zielen, um das Maximale für den Schutz von Wildtieren zu erreichen. Autorin: Dr. Sandra Altherr Mehr Informationen Immer mehr Haie werden bei CITES geschützt Das wichtigste internationale Abkommen, um die Plünderung bedrohter Arten zu stoppen, ist das Washingtoner Artenschutzübereinkommen (CITES). » Hintergründe CITES Wilderer bedrohen Elefanten Etwa 20.000 Elefanten werden jedes Jahr für den Elfenbeinhandel gewildert. » Hintergründe Elfenbeinhandel Reptilien und Amphibien © Thomas Brown Einsatz auch für weniger beachtete Arten. » Artenschutz im Verborgenen
26. Dezember 2018 (aktualisiert). Piratenwalfang statt „Harpunen für die Wissenschaft“ Nun also doch: Ausgerechnet an Weihnachten hat Japan seine jahrelange Drohung wahr gemacht und den Austritt aus der Internationalen Walfangkommission (IWC) verkündet. Die Folgen dieser Entscheidung sind vielschichtig, das Timing sehr bemerkenswert. Japans Regierung hat diesen Schritt schon oft und seit vielen Jahren angedroht; zum 1. Juli 2019 wird Japan die IWC tatsächlich verlassen und dann ganz offiziell kommerziellen Walfang beginnen. Japanisches Walfangschiff in der Antarktis © Australian Customs and Border Protection Service Warum gerade jetzt? Lange Zeit wollte die Regierung in Tokio einen Austritt als Druckmittel nutzen, um bei der Walfangtagung andere Länder verhandlungsbereiter zu machen und doch noch „ein bisschen Küstenwalfang“ zu legalisieren. Dieser Plan ist nicht aufgegangen, das seit 1986 geltende und von Japan gehasste kommerzielle Walfangmoratorium ist noch immer in Kraft. Es wurde gerade erst wieder auf der IWC-Tagung im September 2018 bestätigt. Der vierte große Anlauf, es zu kippen, ist damit gescheitert. Gefangene Zwergwale © Mark Votier Der Zeitpunkt für Tokios Entscheidung ist mit Bedacht gewählt und hat finanzielle und diplomatische Gründe: Internationale Sanktionen sind derzeit kaum zu fürchten. Waren in den 1980er Jahren noch die USA die treibende Kraft bei Sanktionen gegen Walfangländer (so wurde damals Island zum Ende des Walfangs gezwungen), ist unter der Trump-Administration wenig Engagement zu erwarten. Auch Australien, ehemals Speerspitze des Walschutzes, bekleckert sich unter seiner neuen Regierung beim Thema Naturschutz mit wenig Ruhm. Und die Europäische Union? Die hat gerade erst Anfang Dezember ihr Freihandelsabkommen mit Japan ratifiziert, das voraussichtlich im Februar 2019 in Kraft tritt. Entsprechend ist auch aus Brüssel nicht mit Sanktionen zu rechnen. Ohnehin sind alle westlichen Regierungen derzeit im Weihnachtsmodus, dann wird erst einmal Silvester gefeiert – und bis dahin ist die erste öffentliche Empörungswelle sicher abgeebbt… Seiwale © Christian Khan / NOAA Die Waljagd in den weit entfernten und harschen Gewässern der Antarktis ist äußerst kostspielig. Das Fabrikschiff Nisshin Maru, seit 1987 im Einsatz, ist marode geworden, von einem Brand beschädigt und müsste dringend ersetzt werden. Eine dreistellige Millioneninvestition. Zu den finanziellen kommen noch juristische Probleme: Der Internationale Gerichtshof in Den Haag hatte 2014 den „Wissenschaftswalfang“ in der Antarktis als unglaubwürdig und illegal bewertet. Eine immense Blamage. Japans Walfang in der Antarktis © Australian Customs and Border Protection Service Warum ist Walfang für Japan so wichtig? In der japanischen Kultur wiegt ein öffentlicher Gesichtsverlust schwer und mit dem Thema Walfang steht Japan seit vielen Jahren in der internationalen Kritik. Den „Wissenschaftswalfang“ hat ihnen eh niemand abgenommen. Wie also aus diesem Dilemma kommen? Japan will um jeden Preis am Walfang festhalten. Nicht weil die Bevölkerung Walfleisch bräuchte. Ganz im Gegenteil mag die jüngere Generation das tranige Zeug gar nicht, Walfleisch ist ein Ladenhüter. Walfleisch in einem japanischen Supermarkt © S. Powell Nein, Japan sieht im strengen Schutz von Walen einen gefährlichen Präzedenzfall, den es auf Biegen und Brechen beseitigen will: Für Wale gilt bereits ein weltweites Fang- und Handelsverbot. Welche anderen marinen Ressourcen folgen als Nächstes? Haie? Gar der Rote Thunfisch, von denen ein einziges Tier auf den Fischauktionen in Japan bis zu 200.000 USD einbringen kann? Japan will sich den unbegrenzten Zugriff auf die Meere erhalten. Welche Folgen hat Japans Austritt aus der IWC? Japan hat angekündigt, seine umstrittene Waljagd zu angeblichen Forschungszwecken im Antarktis-Schutzgebiet beenden – soweit die gute Nachricht, denn es rettet dort 333 Zwergwalen das Leben. Stattdessen will Japan, nun ganz offiziell und unbehelligt von der IWC, kommerziellen Walfang in seinen Küstengewässern im Nordpazifik beginnen. Offen ist dabei die Frage, ob die kommerzielle Jagd auf Zwerg- und Seiwale beschränkt bleibt oder ob Japan auch andere Arten wie Pottwale ins Visier nimmt. Mit seiner Ankündigung, künftig nur noch Wale innerhalb der Küstengewässer fangen zu wollen, entzieht sich Japan gleichzeitig drohender Sanktionen durch das Artenschutzabkommen CITES. Japans Seiwaljagd auf hoher See gilt als internationaler Handel – und Japan ist mangels formalem Einspruch zumindest für diese Art an das Handelsverbot gebunden. Nach zweimaliger Verwarnung wären wohl die Sanktionen gegen Japan auf dem nächsten CITES-Treffen im Mai 2019 beschlossen worden. Japan entzieht sich mit seinem Austritt ganz offiziell dem kommerziellen Walfangverbot der IWC, das seit 1986 in Kraft ist. Damit torpediert Japan einen der wichtigsten Artenschutzerfolge der letzten Jahrzehnte. Die IWC wird in ihrer Rolle als führendes Gremium in Sachen Walfang und Regulierung geschwächt. Nach Japans Austritt ist damit zu rechnen, dass viele Kleinstaaten aus der Karibik, Afrika und der Südsee folgen, die bislang Tokios Walfang-Interessen unterstützten. Optimisten könnten argumentieren, dass sich die IWC künftig auf mehr Walschutzmaßnahmen konzentrieren könnte, wenn die notorischen Störenfriede wegfielen. Doch es könnte noch dicker kommen, eine wahre Kettenreaktion gestartet werden: Andere Länder wie Südkorea, China und Russland könnten dem Beispiel Japans folgen. Die Gründung eines offiziellen Clubs von Walfängern ist dann nicht mehr auszuschließen. Was machen dann Norwegen und Island? Verlassen sie dann ebenfalls die IWC? Und verkraftet die IWC den Austritt so vieler Mitglieder finanziell? Wird Japan wieder Pottwale jagen? © Tomas Kotouc Noch lässt sich überhaupt nicht einschätzen, wie viele Wale Japan künftig töten und welche Sogwirkung diese Entscheidung haben wird. Japan provoziert mit seinem provokanten und rücksichtslosen Alleingang die Weltgemeinschaft, indem es eine der wichtigsten Errungenschaften im Artenschutz schwer beschädigt. Wir erwarten von der Europäischen Union – Freihandelsabkommen hin oder her – dass sie nun aktiv wird, sich mit den anderen Ländern koordiniert und alle diplomatischen Möglichkeiten ausschöpft, um den Schaden für die Wale zu minimieren. Frohe Weihnachten sehen jedenfalls anders aus… Autorin: Dr. Sandra Altherr Mehr Informationen Walfang © Australian Customs and Border Protection Service Walfang: international verboten, jedoch weiter praktiziert . » Diese Länder betreiben weiterhin Walfang Seiwal-Weibchen mit Kalb, Walfang Japan © Christin Khan NOAA Japan fängt unter dem Deckmantel der Wissenschaft. » Waljagd in Japan Norwegens Zwergwale © Hans Bernhard Das Walfangland Nummer 1 beruft sich auf Wikinger-Traditionen. » Waljagd in Norwegen Gewöhnlicher Delphin © Jessica Redfern Während für alle Großwale weltweit Jagd- und Handlesverbote gelten, sind Delfine und Kleinwale in vielen Ländern nahezu vogelfrei. » Jagd auf Delfine & Kleinwale Frozen in Time Unser Bericht: How modern Norway clings to its whaling past . » Frozen in Time Walfleisch © EIA Unser Bericht „Toxic Menu“ zu Giftstoffen in Walen und Delfinen. » Toxic Menu – Contamination of Whale Meat and Impact on Consumers’ Health
22. November 2018. In der Falle: Vom langsamen Sterben für fragwürdige Pelz-Mode. „Aber eine Jacke mit Kojote ist doch okay, oder? Das ist doch nachhaltig“ sprach mich letztens ein Bekannter an, obwohl er meine Einstellung zu Pelzen kennt. Mit Pelzen verbindet er (und sicher auch die allermeisten Leute) Bilder vom Elend auf nordeuropäischen Fuchs- und Nerzfarmen oder die gruseligen Videos, wie Marderhunde auf chinesischen Pelzfarmen totgeknüppelt werden. Pelz auf einer Modenschau Kojoten-Pelz dagegen stammt aus der nordamerikanischen Fallenjagd – das klingt für viele erst mal nach weitem Land, Trapper-Romantik und Naturverbundenheit. Deshalb vielleicht seine Frage, ob das nicht okay sei… Vielleicht gilt Marderhund inzwischen als Billigware, vielleicht haben die Bilder seiner grausamen Tötung die Kunden vergrault. Fakt ist: In jüngster Zeit tauchen zunehmend Kojoten- und Fuchspelze in den Geschäften und auf Modenschauen auf. Deshalb begannen wir bei Pro Wildlife mit Recherchen zur Fallenjagd. Welche Arten werden auf welche Weise getötet? Aus welchen Ländern kommen welche Pelze? Welche Rolle spielt Deutschland in diesem brutalen Geschäft? Jetzt bestellen Aufkleber „Ich sterbe für deinen Pelz“ 10x10cm, WIEDERABLÖSBAR 10 Stück kostenlos bestellen » mail@prowildlife.de (Bild: Kojote in Beinhaltefalle © Humane Society International) Die Ergebnisse unserer Recherche sind überraschend und schockierend, wie das Beispiel Kanada zeigt: Humane Fallen? Theorie und Wirklichkeit 15 Prozent aller Pelze im Handel stammen aus der Wildnis. Allein in Kanada sind 50.000 kommerzielle Fallensteller aktiv, vor allem in den Provinzen Quebec, Ontario und Alberta. Die Hauptfangsaison ist der Winter, wenn das Fell der Tiere besonders dick und üppig ist. Seit 2007 sind zwar alle Trapper (Fallensteller) verpflichtet, nur noch als „human“ lizenzierte Fallen zu verwenden. Doch wie human ist das? Drei grundsätzliche Fallentypen sind im Einsatz: Schlagfallen sollen mit Stahlbügeln die Tiere möglichst am Genick erwischen – die verschiedenen Bügel-Durchmesser sollen sicherstellen, dass nur die gewünschte Art (z.B. Wiesel, Bisamratte, Biber, Otter, Waschbär) gefangen wird. Soweit die Theorie, doch in die Fallen können natürlich auch andere Tiere hineingeraten. Egal ob Zielart oder nicht: Wird ihr Genick nicht sofort gebrochen, sterben die Tiere alle einen qualvollen, langsamen Tod. Die Fallen für Bisamratten werden unter Wasser aufgestellt, was gar bedeutet, dass verletzte Tiere jämmerlich ertrinken. Nackenschlingen werden für große Pelztiere wie Kojote, Füchse, Rotluchs oder Wolf verwendet: Aufgehängt in Sträuchern oder am Boden ausgelegt, sollen sich die Schlingen mit einem Schnappmechanismus um den Hals der Beute legen. Es braucht wenig Fantasie, um zu ahnen, wie viele Tiere langsam stranguliert werden. Beinhaltefallen („Limb Holding Traps“) sind dafür gedacht, große Pelztiere lebend zu fangen. Ein gepolstertes Schlageisen soll Kojoten, Luchse oder Wölfe möglichst an Zehen oder Krallen festhalten. Insbesondere im tiefsten Winter, in meterhohem Schnee und bei langen Entfernungen ist die Gefahr groß, dass die Trapper nicht täglich ihre Runde drehen und alle Fallen überprüfen, wie es eigentlich Vorschrift wäre. Dann stecken die Tiere tagelang hilflos fest, oft unter großen Schmerzen – im Extremfall ein Sterben über mehrere Tage. Eigentlich sollen Fallengröße und -Position eingrenzen, welches Tier hineingerät. Aber zahlreiche Vorfälle mit Elchen, Rindern, Schafen, Hunden, Hauskatzen und sogar Adlern zeigen, dass die angebliche Selektivität der Fallen eher Wunschdenken denn Wirklichkeit ist. Kojoten werden wegen ihres Pelzes gejagt Kanadas Fellexporte Eine Milliarde kanadische Dollar Umsatz (660 Mio. Euro) wird jährlich in Kanada mit Pelzen erwirtschaftet, das meiste davon über die 259 Pelzfarmen. Die Fallenjagd betrifft insgesamt 25 Arten, vor allem Bisamratte (20 %), Biber (21 %), Marder (13%), Hörnchen (9%) und Waschbär (5%). Alles im allem werden jährlich unfassbare 750.000 Roh-Pelze aus kanadischen Fallen „geerntet“, mit einem Marktwert von 15 Mio. Dollar. Allein rund 400.000 Kojoten werden in Kanada jährlich für die Fallenjagd freigegeben. Die wertvollsten Pelze im Export sind Biber, Rotluchs, kanadischer Luchs, nordamerikanischer Fischotter und Kojote. Die wichtigsten Absatzmärkte liegen in den USA, China, Hongkong und der Europäischen Union. Rotluchse werden in Nordamerika wegen ihrer Felle gejagt Wie viele Felle importiert die EU? Genaue Importzahlen, welche Felle in welcher Anzahl importiert werden, liegen nur für die Arten vor, die durch das Washingtoner Artenschutzübereinkommen (engl. CITES) geschützt sind – selbst sie sind nicht vor der Fallenjagd gefeit. Demnach importierte die EU im Zeitraum 2008-2017 insgesamt knapp 200.000 ganze Felle und mehrere tausend Hautstücke geschützter Füchse (vor allem aus Argentinien), Luchse, Fischotter und Wölfe (aus Kanada und den USA) und südafrikanischer Seebären aus Namibia. Dazu kommen noch 340.000 Häute und 12.000 Hautstücke von Pekaris (südamerikanischen Wildschweinen), fast ausschließlich aus Peru. Pekaris werden jedoch vor allem als Fleischquelle gejagt, die Häute sind – im Gegensatz zu den zuvor genannten Arten – ein Nebenprodukt. Jedes vierte Rotluchs- und Andenfuchs-Fell im weltweiten Handel landet in der EU, beim kanadischen Luchs und nordamerikanischen Fischotter ist es jeder fünfte Pelz. Auch Waschbären sind Opfer des Pelzhandels Für andere Arten wie Kojoten, Bisamratten, Waschbären, Opossum oder Biber liegen keine solchen konkreten Zahlen vor – und auch die Datenbank des europäischen Statistikamtes EUROSTAT ist wenig aussagekräftig, da die Importe auf viele verschiedene Warengruppen verteilt sind und die Importe nicht pro Art erfasst werden. Diese Importe sind also im wahrsten Sinne des Wortes zahllos… Deutschlands unrühmliche Rolle im Pelzgeschäft Bei den meisten Häuten aus Fallenjagd ist Deutschland unter den Top-Importeuren in Europa; bei Rotluchs und kanadischem Luchs halten wir sogar die traurige Spitzenposition. Weitere wichtige Absatzmärkte in der EU sind Italien, Frankreich und Griechenland. International sind auch USA, Kanada, Russland, Japan, China, die Türkei und die Vereinigten Arabischen Emirate wichtige Absatzmärkte. Pelze Es ist wenig überraschend, dass eines der führenden Labels mit Kojotenkrägen aus Kanada kommt: Canada Goose, das auch in Deutschland viele Kunden hat. Doch auch Labels wie Woolrich und Parajumpers leben gut vom qualvollen Geschäft: Jacken mit Kragen und Kapuzen aus Fallenjagd kosten zwischen 700 und 1.500 Euro. Jacken aus dem Pelz des Rotluchses können sogar Preise bis in den sechsstelligen Bereich erzielen! Die Tiere sind aufgrund ihres weichen Bauchfells und der attraktiven, seltenen Musterung besonders begehrt bei der internationalen High Society. Da vorrangig das Bauchfell benutzt wird, werden rund 30 Rotluchse für eine einzige Jacke benötigt. Ein Trapper in den USA verdient pro Rotluchs im Schnitt 300 US-Dollar, wohingegen ein Kojote „nur“ 20 bis 75 Dollar einbringt. Der Pelz des nordamerikanischen Fischotters wird ebenfalls zu Jacken und auch zu klassischen Trapper-Mützen verarbeitet. Er wird weniger wegen des Aussehens, sondern vor allem wegen der extrem hohen Haardichte (50.000-80.000 pro cm²) und Langlebigkeit gekauft. Ab 100 Euro gibt es das Trapper-Accessoire für die Großstadt bereits zu kaufen. Jacke mit Pelzkragen Kojotenpelz ist also nicht okay! Um auf die anfangs gestellte Frage zurückzukommen: Die Fakten sprechen eine klare Sprache – Pelze aus Fallenjagd sind aus Tierschutzsicht ebenso wenig vertretbar wie aus Farmen. Und auch das gerne vorgebrachte Argument, Kojoten, Bisamratten oder Waschbären seien „Schadtiere“ oder potentielle Krankheitsüberträger und müssten deshalb dezimiert werden, sollte kritisch hinterfragt werden: Sind die immensen Kollateralschäden (bis zu 75% der in Fallen gefangenen Tiere sind sogenannte „Fehlfänge“, darunter sogar Adler oder Elche) akzeptabel? Wären nicht Verhütungsmittel oder Impfstoffe sinnvoller als wenig selektive Tötungen? Hinzu kommt, dass diese Darstellung wichtige ökologische Grundregeln ignoriert: Da es sich bei den meisten bejagten Tierarten um Beutegreifer handelt, führt eine Regulation lediglich zur Verschiebung und Zerstörung natürlicher Gleichgewichte eines Ökosystems. Deshalb gilt auch bei Pelz: Nachdenken und Finger weg! Autorin: Dr. Sandra Altherr Mehr Informationen Jagd und Wilderei Wilderei, Jagd und Tierschmuggel sind in vielen Ländern außer Kontrolle geraten. Gleichzeitig wird die Rote Liste gefährdeter Arten immer länger: 23.250 Tier- und Pflanzenarten gelten als bedroht. » Jagd und Wilderei Pelz in Häppchen Pelz in Häppchen und für Jedermann. Aus einem teuren Pelzmantel ist ein billiger Mützenbommel geworden. » Blutiges Milliardengeschäft Pelzhandel Der grausame Modetrend feiert sein Comeback – die Pelzbranche bejubelt Umsatzsteigerungen. » Pelz wächst nicht auf Bäumen
Live aus dem Konferenzraum. Vom 10. bis zum 14. September fand in Florianopolis (Brasilien) die 67. Tagung der Internationalen Walfangkommission (IWC) statt, die Vorverhandlungen begannen bereits am 6. September. Für Pro Wildlife hat Dr. Sandra Altherr an der IWC-Tagung teilgenommen – hier ihr Blog live aus dem Konferenzraum: 14. September 2018 Buckelwal Der letzte Tag der Walfangtagung begann mit einem Paukenschlag: Japans brandgefährlicher Versuch, das kommerzielle Walfangverbot zu kippen, ist krachend gescheitert!!! Mit 27 Ja- zu 41 Nein-Stimmen war Japan meilenweit entfernt von der erforderlichen Dreiviertelmehrheit. Beantragt hatte Japan per Resolution: (a) die Gründung eines „Komitees für nachhaltigen Walfang“ (das zudem aus ausschließlich Walfang-unterstützenden Ländern zusammengesetzt werden sollte) und (b) ein High-Level-Treffen der Länder, um die strengen IWC-Vorgaben zu lockern. Bisher brauchen Änderungen der IWC-Satzung (z.B. Fangquoten, Schutzgebiete, Moratorium) eine Dreiviertelmehrheit. Japan beantragte stattdessen künftig eine einfache Mehrheit per Antrag auf Änderung der IWC-Satzung: Freigabe einer Quote für die kommerzielle Bejagung auf Bestände, „deren Fülle vom Wissenschaftsausschuss als ausreichend beurteilt wurde.“ Dies hätte de facto das Ende des seit 1986 geltenden Moratoriums für kommerziellen Walfang bedeutet. Japans Paket in diesem Jahr war brandgefährlich – entsprechend erleichtert sind wir. Das kommerzielle Walfangmoratorium bleibt unangetastet! Damit sind die Ergebnisse der diesjährigen IWC-Tagung weitaus besser, als zunächst zu erwarten war. Noch vor wenigen Tagen war nicht klar, inwieweit einige Walschutzländer zu Zugeständnissen bereit sind. Immer wieder hörten wir, man müsse Japan doch endlich auch „etwas geben“. Das Ergebnis heute war dann mehr als deutlich – Was für eine schallende Ohrfeige an Japan! Danach wurden nur noch einige Formalitäten abgearbeitet. Die nächste IWC-Tagung findet im Herbst 2020 in Portoroz, Slowenien, statt. Es fällt mir immer ein wenig schwer, mich von Kollegen und Delegierten zu verabschieden. Das gemeinsame Kämpfen für den Schutz der Wale verbindet sehr – und viele dieser Kollegen werde ich erst in zwei Jahren wieder sehen, auch wenn wir über Email und schriftliche Arbeitsgruppen durchweg in Kontakt sind. Bei all der Freude über die wirklich großartigen Ergebnisse, die wir hier erreichen konnten, am Ende also immer auch ein bisschen Wehmut… 13. September 2018 IWC-Tagung 2018, Brasilien Der japanische Chair versuchte zu Beginn heute, die Entscheidung zur „Florianopolis-Deklaration“ zu verzögern und erst nach der Abstimmung zum japanischen „Reformpaket“ abzuhandeln. Aber Brasilien bestand auf eine sofortige Abstimmung. Mit 40 Ja- bei 27 Nein-Stimmen wurde die Deklaration angenommen. Danach hielt Antigua & Barbuda eine empörte, ja unverschämte Rede, was für eine verlogene Konvention die IWC sei – sie würde andere Meinungen ignorieren und sein Land würde überlegen, die IWC zu verlassen. Ein seltsames Verständnis von demokratischen Entscheidungen, wenn man die Position einer deutlichen Mehrheit vom Tisch wischen möchte… Warum dieser Wutausbruch? Die Florianópolis-Deklaration ist quasi die Antimaterie zu Japans vorgeschlagenem Maßnahmenpaket, die IWC zurück in einen Walfänger-Club zu katapultieren. Unter anderem nennt sie das Töten von Walen zu Forschungszwecken unnötig und bekräftigt die Notwendigkeit des Moratoriums zu kommerziellem Walfang. Der wahre Grund für den hohen Blutdruck des Antigua & Barbuda-Delegierten: Sein Land erhält seit Jahren von Japan großzügige finanzielle Unterstützung für Fischerei und Infrastruktur – Tokio erwartet im Gegenzug kräftige Unterstützung in Sachen Walfang. Und dieser karibische Inselstaat ist wahrlich nicht der einzige, den Japan unter Kontrolle hat. Warum nur fällt mir da das böse Wort Stimmenkauf ein? Als Nächstes wurde Japans brandgefährliches Paket zur „Reform“ der IWC debattiert – wie zu erwarten sehr kontrovers. Die gute Nachricht: Bislang hält Japan seine verschiedenen Anträge in einem Paket, was die Gefahr punktueller Kompromisse verringert. Doch nach fast drei Stunden Debatte die Überraschung: Statt noch heute abzustimmen, wurde die Entscheidung auf morgen vertagt. Das macht ein wenig nervös, ob das Paket nicht doch noch aufgeschnürt wird. Wir halten auf jeden Fall dagegen… Am Nachmittag gab es dann einen Eklat, als das Thema kommerzieller Walfang zur Sprache kam. Ein gemeinsames Statement vieler Organisationen, darunter auch Pro Wildlife, setzte Japans Walfang gleich mit Island und Norwegens kommerziellem Walfang – ein Affront, wo doch Japan im Namen der hehren „Wissenschaft“ Wale fängt… Japan bezeichnete dies als Verstoß gegen die Verhaltensregeln für Beobachter und verlangte eine Entschuldigung. Der japanische Chair forderte seine Delegation auf, sich abzustimmen, wie damit umzugehen sei, und brachte auch mögliche Bestrafungen ins Spiel… Endlich eine Chance für die Walfänger, uns lästige Verbände hier auszuschließen? Mal sehen, wohin sich das morgen entwickelt. 12. September 2018 – Nachmittag Delfinjagd mit Harpune © S. Austermühle Mundo Azul In den letzten Stunden ging es hier Schlag auf Schlag: Zunächst hatte ich die Gelegenheit, die Ergebnisse unseres Delfin-Reportes vorzustellen. Etwa 100.000 Delfine und Kleinwale sterben jedes Jahr einen grausamen Tod – viele von ihnen enden als Köder der Hai-, Thunfisch- oder Wels-Fischerei. Meinen Appell an die Regierungen, gegen diese Jagden vorzugehen, unterstützten hier viele Verbände. Wir hoffen, die Saat ist gesät, um für die nächste IWC-Tagung in zwei Jahren Initiativen auf den Weg zu bringen. Im Anschluss wurde gegen den Widerstand von Japan & Co. eine Resolution angenommen, nach der die IWC die Rolle der Wale für marine Ökosysteme stärker untersuchen soll. Und diese Rolle ist immens, z.B. durch ihren immensen Stoffwechsel, ihren Nährstoffeintrag für das marine Nahrungsnetz und ihre indirekte Stärkung gesunder Fischbestände. Das dritte wichtige Thema am Nachmittag war die Resolution der EU zu Unterwasserlärm, die einstimmig angenommen wurde. Lärm durch Schiffe, Ölplattformen, Windparks oder Militär-Sonare ist eine der wahrscheinlichen Ursachen für Strandungen von Walen. Die Orientierung der Wale, aber auch ihre Kommunikation, Reproduktion und ihre Beute-Ortung werden gestört. Als letztes kam die Florianopolis-Deklaration auf den Tisch: Die Deklaration strebt einen Wiederaufbau der Walbestände auf ein Level vor der industriellen Bejagung an, nennt das Töten von Walen zu Forschungszwecken unnötig und bekräftigt die Notwendigkeit des Moratoriums zu kommerziellem Walfang. Also quasi die Antimaterie zu Japans vorgeschlagenem Maßnahmenpaket, die IWC zurück in einen Walfänger-Club zu katapultieren. Es zeichnete sich schnell ab, dass hier keine Einigung möglich ist; eine Abstimmung soll aber erst morgen erfolgen. 12. September 2018 – Vormittag Inuits in der Arktis jagen Robben, Wale und Delfine Soeben wurde über die Quoten für den Ureinwohner-Walfang entschieden. Grundsätzlich unterstützt Pro Wildlife diese Quoten zur Subsistenzjagd – unter der Voraussetzung, dass die Ureinwohner ihren Bedarf nachweisen können und das Walfleisch nicht auf „Grönlandbuffets“ von Kreuzfahrtschiffen oder in Restaurants in Nuuk landet (wie dies zunehmend der Fall ist). Deshalb hatten wir hier nicht gegen die Quoten an sich gekämpft, sondern v.a. gegen den Antrag, eine künftige automatische Verlängerung alle paar Jahre, ohne dass die IWC dies nochmal kritisch hätte prüfen können. Diese automatische Verlängerung wurde in letzter Minute abgeändert – nur ein Detail im Antrag, aber ein wichtiger Erfolg! Konkret wurden folgende Subsistenzquoten für den Zeitraum 2019-2025 genehmigt: jährlich 67 Grönlandwale, aufgeteilt zwischen Russland und USA jährlich 19 Finnwale, 164 Zwergwale, zehn Buckelwale und zwei Grönlandwale für Westgrönland St. Vincent & The Grenadines haben keine Jahresquote, dürfen aber bis 2025 insgesamt 28 Buckelwale töten Erhöht wurde die jährliche Quote für Ostgrönland (von 12 auf 20 Zwergwale) und Russland (von 124 auf 140 Grauwale). Ostgrönland argumentierte einen steigenden Bedarf der lokalen Bewohner, Russland verwies auf das zunehmende Problem „stinkender Wale“ – Tieren, die offenbar aufgrund von Umweltgiften, so streng riechen und schmecken, dass sie ungenießbar sind. Dass die IWC auch künftig die Voraussetzungen für die Subsistenzjagd prüfen wird, war für uns der entscheidende Punkt. Denn ansonsten könnte künftig noch mehr Walfleisch auf den Touristen-Tellern landen. Dies ist das bestmögliche Ergebnis, was wir hier zur Subsistenzjagd erreichen konnten. 11. September 2018 Die erste Entscheidung der IWC-Tagung ist gefallen – und sie war eine Absage an den Walschutz: Seit 22 Jahren versucht Brasilien, unterstützt von der lateinamerikanischen Region, dieses Schutzgebiet durchzusetzen. Jedes Mal verhinderten Japan & Co. das Zustandekommen der erforderlichen Dreiviertelmehrheit. In diesem Jahr bot Japan Brasilien ganz offen ein Entgegenkommen an: Gemeinsam solle man das Abstimmungs-Prozedere lockern, so dass künftig eine einfache Mehrheit reichen sollte (wie dies bislang nur für Resolutionen gilt) – Brasilien könnte endlich sein Schutzgebiet als Erfolg vorweisen und Japan bekäme Quoten für kommerziellen Walfang. Brasilien und seine Verbündeten gingen nicht auf diesen Deal ein. Der Antrag auf das Schutzgebiet im Südatlantik wurde mit 39 Ja- zu 25 Nein- Stimmen abgelehnt. Für mich bedeutet dies gemischte Gefühle: Einerseits Enttäuschung, dass das Südatlantik-Schutzgebiet erneut abgelehnt wurde. Andererseits Erleichterung: Der befürchtete Kuhhandel, den Japan Brasilien offen anbot – „Wir geben euch das Schutzgebiet, wenn wir eine Walfangquote bekommen“ – ist nicht zustande gekommen. Dies lässt hoffen, dass Japans Reformpaket, das ein Ende des kommerziellen Walfangverbotes bedeuten würde, wohl ebenfalls scheitern wird. Zwar bleibt Brasilien damit das Schutzgebiet auch weiter verwehrt, aber es muss sich nicht den Vorwurf machen lassen, die wichtigste Walschutzmaßnahme – das kommerzielle Walfangmoratorium – geopfert zu haben. Eine weitsichtige und uneigennützige Entscheidung! Am Nachmittag ging es um den nächsten Fangquoten-Block für die Ureinwohner in Alaska, Russland, Grönland. Eine schwierige Debatte, denn einerseits ist deren Lebensmittelversorgung äußerst schwierig und Quoten grundsätzlich unbestritten. Aber vor allem in Grönland wird Walfleisch aus der Subsistenzjagd zunehmend an Touristen verkauft – z.B. über „Grönlandbuffets“ auf Kreuzfahrtschiffen oder in Restaurants in der Hauptstadt Nuuk. Die Quoten selbst wären sofort akzeptiert worden, aber viele Länder hatten Probleme mit der Forderung nach einer automatischen Verlängerung der Quoten nach sechs Jahren. Die Diskussion wurde auf morgen vertagt. 10. September 2018 Auftakt der 67. IWC-Tagung, Brasilien Heute ging es also offiziell los. Mit einer flammenden Eröffnungsrede des brasilianischen Umweltministers Edson Duarte, wie wichtig Wale für die Natur sind, wie sehr sie von Umweltverschmutzung bedroht sind und dass sie den bestmöglichen Schutz brauchen und bekommen sollten. Wohltuende Worte eines aktiven Walschutzlandes. Doch Brasilien ist ja nur eine von vielen Stimmen hier… Der japanische Vorsitzende Joji Morishita machte gleich zu Beginn der Konferenz klar, dass alle kontroversen Punkte in Arbeitsgruppen gehen werden, so dass die großen, teils sehr gefährlichen Entscheidungen wohl erst ab Mittwoch zu erwarten sind. Also müssen wir schauen, dass wir unsere Statements zu anderen wichtigen Themen schnell abgestimmt bekommen – z.B. zu kommerziellem Walfang und den Delfinjagden; beides Themen, die nicht einmal auf der offizielle Agenda stehen. Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir Artenschutzverbände sie zur Sprache bringen. 9. September 2018: Glücksmomente Glattwal in Südbrasilien Unser Koordinationstreffen heute ging schneller zu Ende als geplant – und so nutzte ich die gewonnene Zeit am Nachmittag zu einem spontanen Ausflug mit meinen Kollegen von OceanCare. Nach nur einer Stunde Autofahrt erreichten wir eine Meeresbucht, die bekannt ist für ein unglaubliches Schauspiel: Hier in diese geschützte Bucht bringen trächtige Glattwal-Weibchen ab August ihre Kälber zur Welt und mästen sie ein paar Wochen, bevor die Kleinen bereits ab Ende Oktober mit auf Wanderung gehen müssen. Von der Küste aus konnten wir mindestens vier Weibchen mit ihrem Nachwuchs beobachten. Da die Mütter in dieser Zeit nichts fressen, aber am Tag 150 Liter Milch für ihren Nachwuchs produzieren, schonen sie ihre Kräfte. Aber die „Kleinen“ (obwohl – klein ist eigentlich anders…) waren umso aktiver: Sie übten, mit ihren Flossen und ihrer Schwanzfluke auf das Wasser zu schlagen. Was für ein Erlebnis, das beobachten zu dürfen! Und nur ganze 200 Meter von uns entfernt. Balsam für die Seele – und noch mehr Motivation, diese einzigartigen Tiere bestmöglich zu schützen. Aber leider reichte meine Handy-Kamera nicht für bessere Fotos, deshalb nur dieses Suchbild… 8. September 2018 Heute geht es um die Finanzsituation der IWC – nicht gerade eines meiner Kernthemen. Das verschafft mir etwas Luft, in kleineren Arbeitsgruppen die Strategien gegen Japans „Reformpaket“ der IWC, zum kommerziellen Walfang und zur Delfinjagd zu verfeinern. Außerdem sind noch Statements für die nächste Woche auszuformulieren und mit Kollegen zu koordinieren. Am Sonntag pausiert die IWC-Tagung. Auf meiner Agenda steht derweil ein detailliertes Strategie-Treffen aller hier teilnehmenden Artenschutzverbände. Genau dieses Networking ist so wichtig, denn nur gemeinsam können wir hier ein Desaster verhindern. Ein Spaziergang am Meer ist dann aber auch geplant – so viel Zeit muss sein… 7. September 2018 Plastikmüll am Strand Heute standen die Aktivitäten des Erhaltungskomitees im Mittelpunkt, das 2003 ins Leben gerufen wurde, um die IWC schrittweise von der Walfang- zur Walschutzkonvention umzubauen. Auch wenn (oder gerade weil?) das Erhaltungskomitee von Japan und seinen Unterstützern weitgehend boykottiert wird, hat es seither wertvolle Arbeit zum Schutz von Walen geleistet. Untersucht wurde v.a. der Beifang von Meeressäugern, Vermüllung der Meere (Makro- und Mikroplastik) und schließlich der Lärm in den Ozeanen und seine Auswirkungen auf Wale. Hinter den Kulissen hingegen wird heftig diskutiert, wie Japans Attacke auf das Walfangmoratorium abgewehrt werden kann. Erschreckend viele Delegierte zeigen sich beeindruckt von Japans Drohung, aus der IWC auszutreten und dann befreit von allen Regelungen Wale zu jagen. Doch erstens hören wir diese Drohung seit vielen Jahren und zweitens deckt Japan bereits derzeit seinen „Bedarf“ an Großwalen unter dem Deckmantel der „Wissenschaft“. Was würde Tokio gewinnen? Mit einem Bruch mit der IWC würde Japan den Zorn der internationalen Diplomatie und Öffentlichkeit auf sich ziehen. Es gibt also keinen Grund, einen Kompromiss mit Japan einzugehen. 6. September 2018 Pro Wildlife auf der Walfangtagung 2018 Den größten Teil der Diskussionen heute brauchte der Ausschuss zur Subsistenzjagd der Ureinwohner. In diesem Jahr steht ja die Entscheidung über Fangquoten für mehrere Jahre an – bisher wurden die Quotenblöcke für fünf Jahre vergeben, künftig könnte dies auf sieben Jahre verlängert und ggf. gar automatisch verlängert werden. Zwei Punkte liegen uns dabei schwer im Magen: Erstens wird ein „Carry-Over“ diskutiert, d.h. ungenutzte Quoten können auf die folgenden Jahre übertragen werden. Das war zwar bisher auch schon in geringem Umfang möglich, aber nun soll der Übertrag drastisch größer sein und zudem über mehrere Jahre aufsummiert werden können. Das könnte im Extremfall erhebliche Folgen auf die Walbestände haben. Zweitens, bei einer automatischen Verlängerung der Quoten müssten die Ureinwohner in Grönland, Alaska und Russland künftig nicht mehr belegen, ob sie diese Wale tatsächlich zur Ernährung brauchen. Generell wird die Subsistenzjagd zwar auch von den Naturschutzverbänden akzeptiert, aber in den letzten Jahren gab es v.a. zu Grönland Kritik, wo Walfleisch zunehmend in Touristen-Restaurants und auf „Grönlandbuffets“ von Kreuzfahrtschiffen landet. Die offiziellen Diskussionen hierzu liefen heute sehr schleppend, aber ich konnte immerhin mit diversen Delegationen diese kritischen Punkte ansprechen und ich hoffe, sie werden sich hierzu noch kritisch äußern, vor allem nächste Woche im Plenum, wenn die Entscheidungen getroffen werden. 5. September 2018 Am Abend bin ich in Florianopolis angekommen – und habe diesmal ein flaues Gefühl im Magen. Was werden die nächsten Tage bringen? Wird es uns gelingen, das seit 1986 geltende Walfangverbot aufrechtzuerhalten? Für mich persönlich ist die 67. Tagung der Internationalen Walfangkommission (IWC) eine ganz besondere Konferenz, denn genau seit 20 Jahren nehme ich an diesen so schwierigen Verhandlungen teil und helfe, Argumente gegen den Walfang einzubringen und die Finten der Walfangländer aufzudecken. Während dieser 20 Jahre stand es für das seit 1986 geltende kommerzielle Walfangverbot mehrmals Spitz auf Knopf – und doch konnten wir (Artenschutzverbände und einige Dutzend Walschutzländer) bislang ein Kippen des Moratoriums verhindern. Diesmal ist die Lage jedoch besonders brenzlig, mit einem japanischen IWC-Vorsitzenden, einem Gastgeberland, dem Japan einen Kuhhandel anbietet, und schwierigen Verhandlungen um die Fangquoten zur Selbstversorgung der Ureinwohner in Grönland, Alaska und Russland, die Japan sicher nutzen will, um seine eigenen Interessen durchzusetzen. Zwar beginnt die IWC-Tagung offiziell erst am kommenden Montag, doch morgen gehen die Vortreffen los. Sie geben ein erstes Stimmungsbild und sind eine gute Gelegenheit, nochmals mit unseren Verbündeten Strategien abzustimmen und neueste Informationen auszutauschen. An dieser Stelle auch mein ausdrücklicher Dank an die Deutsche Stiftung Meeresschutz, die meine IWC-Teilnahme mit 500 Euro unterstützt hat! Mehr Informationen IWC-Konferenz 2018: Das Moratorium steht unter Beschuss
22. August 2018. Ökotourismus in Bolivien als Pionierarbeit. Seit den 1980er Jahren hat sich vor allem im Osten Boliviens die Agrarindustrie mit riesigen Monokulturen breitgemacht. Platz für Wildtiere gibt es hier kaum mehr, stattdessen Mohrenhirse- und Sojaplantagen, die so groß sind, dass man die Enden der Äcker gar nicht mit bloßem Auge sieht. Neben den Farmern, die sich der maximalen Produktion mit Glyphosat & Co. verschrieben haben, gibt es zahlreiche Rinderzüchter, die, um ihre Herden zu schützen, kaum einen größeren Beutegreifer leben lassen. Doch eine Hoffnung gibt es für Wildtiere in dieser Region – eine einzige Ranch, die sich diesem ökologischen Irrsinn widersetzt: Die Ranch © Pro Wildlife Duston Larsen ist ein Mann um die 40 mit US-amerikanischen Wurzeln, aber in Bolivien geboren. Mit seiner San Miguelito Ranch bietet er Wildtieren ein letztes Paradies. Auf der riesigen Ranch (3.000 Hektar!) vergisst man schnell, dass das Geld eigentlich mit je 300 Rindern und Wasserbüffeln verdient wird. Vom Vieh, das alleine auf dem riesigen Gelände umherstreifen darf, bekommt man kaum etwas mit. Stattdessen naturbelassene Trockenwälder soweit das Auge reicht, durchzogen von einem mäandernden Fluss. Bereits wenige Meter neben der Farm sehen wir den ersten Brüllaffen im Baum, von der Terrasse können wir die Schreiduelle zweier Affenbanden hören – ein beeindruckendes, tiefes Grollen. Männlicher Brüllaffe Am späten Nachmittag brechen wir mit Duston zu einer Bootstour auf, um Wildtiere so nah wie möglich zu beobachten, ohne sie zu stören. Die ersten Meter paddeln wir uns durch dicke Schichten Wasserlinsen und Wasserhyazinthen, dann startet er einen kaum zu hörenden Elektromotor, so dass wir quasi geräuschlos den Fluss entlang fahren. Und wir sind überwältigt, was wir auf wenigen Kilometern alles zu sehen bekommen: Eine Horde Kapuzineraffen, ein bräsiges Faultier, Capybaras (Wasserschweine), Agutis, Tukane, Störche, Geier und dutzende andere Vogelarten. Und natürlich Kaimane, die zwischen den Wasserlinsen bestens getarnt auf Beute lauern. Später umkreisen uns Fledermäuse, wir kehren in absoluter Dunkelheit zurück. Abenteuer pur. Faultier © Pro Wildlife Am nächsten Morgen starten wir um 5.30 Uhr um zu Fuß die Frühschicht der Tierwelt zu erkunden. Sobald es dämmert, geht es los: Vor allem die Vogelwelt begrüßt den neuen Tag mit Gezwitscher, Knarzen, Gezeter, Gurren und Quietschen. Auf unserem Weg kommen wir an mehreren Kamerafallen vorbei, denn Dustons Ranch ist Teil eines Monitoring-Programms für Jaguare. Jaguar Kamerafalle (c) Duston Larsen Abends bei der Auswertung der Foto- und Filmaufnahmen sehen wir dann: Es leben mehrere Jaguare auf der Ranch (Duston schätzt die Zahl auf elf Tiere), ebenso Pumas, Ozelote, Jaguarundis, Margays (Baumozelot) und Geoffroys Katzen. Keine Selbstverständlichkeit, denn die meisten Rancher dulden keine Raubkatzen, sondern schießen sie illegal ab. Sie müssen nicht einmal eine Strafe fürchten. Duston hingegen freut sich, dass sein Gelände diesen herrlichen Raubkatzen eine Zuflucht bietet. Er nimmt sogar in Kauf, dass er erst wenige Tage zuvor ein neugeborenes Rind an ein Jaguar-Weibchen verloren hat. Denn er weiß, dass auch sie ein Jungtier zu versorgen hat. Wasserschwein © Pro Wildlife Nach drei Tagen San Miguelito Jaguar Conservation Reservat ziehen wir Bilanz: Erstens, die Welt braucht mehr Visionäre wie Duston, denen es nicht um maximalen Gewinn geht, sondern die mit ihrer Ranch aktiven Naturschutz betreiben. Zweitens – und gerade als Vegetarier ist dies eine etwas überraschende Erkenntnis: Dustons Paradies kann nur in Form einer extensiven Viehwirtschaft weiterleben, denn Ackerbau hätte in diesem nahezu unberührten Trockenwald verheerende Folgen. Und drittens: Boliviens Ökotourismus steckt zwar noch in den Kinderschuhen, aber das Jaguar Conservation Reservat leistet hier wahre Pionierarbeit. Wir drücken Duston die Daumen, dass ihn genügend Wildtierfans besuchen, damit sich sein Konzept trägt. Der eine oder andere Farmer zeigt sich jedenfalls bereits interessiert, ebenfalls auf Ökotourismus umzustellen… Mehr Informationen Wildlife Conservation Tour Offizielle Website der Jaguar Conservation Ranch >> Wildlife Conservation Tour Auf Safari in Afrika Top 10 Nationalparks für eine Safari in Afrika >> Auf Safari: Die schönsten Nationalparks Afrikas Philippinen: Walhaie und Koboldmakis Philippinen-Erfahrungen und Reisetipps für Wildtierfreunde >> Philippinen: Walhaie und Koboldmakis
10. Juli 2018. Bulldozer contra Tierhandel: Wer sind die größten Übeltäter? Im Artenschutz erlebt man teils bizarre Diskussionen: Wenn wir beispielsweise für eine seltene Echse aus den Regenwäldern Malaysias einen internationalen Handelsstopp aushandeln wollen, hören wir von Haltern exotischer Tiere, diese Echse hätte nur in ihrem Terrarium eine Überlebenschance. Private Exotenhaltung als Arche Noah – echt jetzt?? Gerne wird auch argumentiert, das Waldstück, in dem die Echse lebt, würde nur erhalten, wenn sich die Echse zu Geld machen lässt – ach ja?? Regierungen, die ihre letzten intakten Waldgebiete zerstören und in Plantagen verwandeln lassen, behaupten, dies sei ein Beitrag gegen Armut und Hunger – soso… Auch Trophäenjäger begründen ihr blutiges Hobby gerne damit, dass sie quasi Entwicklungshilfe betrieben – na klar!! Anlass für uns, einmal mit solchen Alibi-Argumenten aufzuräumen. Nicht umsonst benennt die Weltnaturschutzunion IUCN die Agrarindustrie und den Fang von Wildtieren als größte Gefahren für die Biodiversität. Bulldozer oder Tierhandel: Wer ist der größere Übeltäter? Bulldozer in Kamerun Plantagen gegen den Welthunger? Rosenanbau in Äthiopien, Soja-Plantagen in Paraguay und die berüchtigten Ölpalmen-Wüsten in Indonesien: Landgrabbing ist der Fachbegriff dafür, wenn westliche Konzerne in Afrika, Lateinamerika oder Asien riesige Flächen kaufen oder pachten, um profitable Monokulturen anzulegen. Die lokale Bevölkerung hat in den allermeisten Fällen wenig davon (von ein paar schlecht bezahlten saisonalen Arbeitsplätzen abgesehen) – im Gegenteil: Oft werden Indigene und Kleinbauern von ihren angestammten Äckern und Dörfern vertrieben und damit ihrer Nahrungsgrundlage beraubt. Gewinner sind globale Konzerne wie Cargill oder Wilmar, die die großen Player im Welthandel mit Palmöl sind. Klicken Sie für mehr Informationen auf das + Kamerun: Landgrabbing im Regenwald Palmölplantage Der US-Konzern Herakles hielt uns auf Trab, als er 2011 in Kamerun 70.000 ha pachtete, um inmitten mehrerer Schutzgebiete Palmöl-Monokulturen anzulegen. Von den katastrophalen Folgen für Waldelefanten, Schimpansen und andere bedrohte Tiere einmal abgesehen: Die lokale Bevölkerung, der die Vertreibung drohte, kämpfte damals gemeinsam mit Pro Wildlife und anderen Verbänden gegen diesen Landraub. In dem Fall mit Erfolg: Nach drei Jahren Widerstand gab Herakles auf – doch ihre Bulldozer hatten bereits erheblichen Schaden angerichtet. In vielen anderen Ländern scheitert der lokale Widerstand gegen die finanzstarken Konzerne – oft mit Unterstützung korrupter Regierungen, die auf schnelles Geld (auch für die eigenen Taschen) hoffen, riesige Gebiete verpachten und dabei die Lebensgrundlage ihrer Bevölkerung aufs Spiel setzen. Äthiopien: Ein Rosenkrieg der anderen Art In Äthiopien werden Rosen angebaut Äthiopien, das immer wieder mit großer Hungersnot zu kämpfen hat, wird von internationalen Konzernen ausgebeutet und ausgeblutet: • Ein Unternehmen aus Indien baut auf 300.000 ha Rosen für den Export an, verbraucht dabei immense Wassermengen und belastet mit Düngern und Pestiziden die fragile Umwelt. • Investoren aus Saudi-Arabien produzieren auf 500.000 ha Reis und Ölpflanzen für den Export – Nahrungsmittel, die in Äthiopien fehlen. • Sogar Schutzgebiete werden nicht geschont: 2008 begann die deutsche Firma Flora Ecopower, im Elefantenwald Babile Jatropha-Plantagen anzulegen – und konnte erst nach intensiven Protesten von Pro Wildlife und anderen Verbänden gestoppt werden. Die Firma ist inzwischen insolvent; doch andere Konzerne stehen längst zur Landübernahme bereit. Ein Kampf gegen Windmühlen, den die lokale Bevölkerung hier führt. Nicht nur in Äthiopien, sondern auch in Mali, Südafrika, Brasilien, Kolumbien, Peru, Indien und vielen anderen Ländern. Soja-Ernte Exotenhandel als Beitrag zum Artenschutz? Lange Zeit wurde der internationale Handel mit exotischen Tieren damit gerechtfertigt, dass vor allem Entwicklungsländer hierdurch eine Einnahmequelle hätten und eine nachhaltige Nutzung die Artenvielfalt nicht bedrohen würde. Das klingt in der Theorie verlockend und überzeugend – doch die Praxis sieht leider anders aus: Tierfänger bedienen eine riesige Nachfrage vor allem in Europa, USA und Japan. Was bunt, hübsch gemustert und klein genug ist, um in einen Glastank zu passen, wird eingesammelt. Wenn die Bestände in der Natur selten werden (oder wir endlich Handelsverbote für einige Arten erwirken können), weicht der Markt auf den nächsten farbigen Frosch und den wild-getupften Gecko aus. Und die Rote Liste bedrohter Arten wächst weiter… Pantherchamäleon aus Madagaskar Die Mär vom Tierhandel als Entwicklungshilfe Das große Geld verdient nicht die lokale Bevölkerung, deren Natur ausverkauft wird, sondern die Händler exotischer Haustiere in den Industrieländern. In Laos beispielsweise erhält ein Tierfänger 10-20 Cent pro seltenem Molch, der dann in Europa für 200 Euro verkauft wird. In Vietnam werden lokale Fänger ebenfalls mit Centbeträgen pro seltenem Gecko abgespeist, während die Tiere hier in Europa vierstellige Beträge erzielen. Eine neue Studie zeigt, wie sich in abgelegenen Regionen Madagaskars zwar jeder Zwanzigste ein Zubrot durch das Einfangen von Reptilien und Amphibien verdient, aber der Job gilt als gefährlich und meist unrentabel. Entsprechend gering ist auch der Anreiz, den Lebensraum dieser Tiere zu schützen. Ein weiteres Argument der Exotenhalter, der Handel mit Wildfängen würde helfen, den Lebensraum zu erhalten, ist damit ebenfalls widerlegt. Sogar das Gegenteil ist häufig der Fall. Tierfänger zerstören Lebensraum Die allermeisten Korallenfische im Handel sind noch immer Wildfänge Immer mehr begehrte Arten landen auf der Roten Liste – bedroht durch Lebensraumzerstörung UND den Tierhandel. Und auch die Kollateralschäden für die Umwelt können beträchtlich sein, wenn beim Fangen der Tiere ihr vormals intaktes Micro-Habitat gleich mit zerstört wird: So werden Schildkröten und Taranteln aus ihren Erdlöchern gegraben, kleine Felsspalten aufgebrochen, um darin versteckte Echsen einzusammeln, und sogar Bäume gefällt, um darauf sitzende bunte Geckos abzusammeln. Farbenfrohe Korallenfische werden in Asien, trotz Verbot, noch immer mit dem Nervengift Natriumcyanid eingefangen – was nicht nur den gewünschten Fisch betäubt, sondern gleich mal eben großflächig alle anderen Riffbewohner mit vergiftet. Raubbau bleibt Raubbau Kein Wunder also, wenn immer mehr Wissenschaftlicher warnen, dass der Lebendtierhandel für bestimmte Arten längst zur Hauptgefahr geworden ist. Und auch bei Trophäenjägern, die nicht einmal vor dem Abschuss von Löwen des Krüger-Nationalparks oder den letzten Wüstenelefanten Namibias Halt machen, wird schnell deutlich, dass hier wohl kaum ein Beitrag zum Artenschutz geleistet wird. Auch wenn Kettensägen und Bulldozer den flächenmäßig größeren Schaden anrichten als Fallen und Gewehre: Die Kombination der Gefährdungsfaktoren verschärft die Situation. Grüne Baumschleiche, Abronia graminea © Derek Remsey Wir hoffen jedenfalls, dass sich Politiker und andere Entscheidungsträger nicht länger von den fadenscheinigen Argumenten des Handels blenden lassen: Ob Tierhandel oder Plantagenwüsten, Raubbau bleibt Raubbau. Mehr Informationen Lebensraumverlust © Aidenvironment 7 Millionen Hektar Wald werden jährlich gerodet, die Hälfte aller Tropenwälder ist bereits verschwunden. » Raum für Wildtiere Exotische Haustiere Im Wildtierhandel gibt es einen unglaublichen Wildwuchs. » Exotische Haustiere IUCN Studie zum Artensterben Die Auswirkungen von Bulldozern, Netzen und Waffen » IUCN-Studie 2016 zu den Ursachen des Artensterbens Die Folgen des Wildtierhandels Zu Tode geliebt: » Artikel zu den Folgen des Exotenhandels (Conniff 2017, Scientific American) Tierfänger in Madagaskar Tierhandel in Madagaskar » Studie zu Tierfängern in Madagaskar (Robinson et al. 2018)
8. Mai 2018. Eine Herausforderung für den Tier- und Artenschutz. 10.976 streng geschützte Strahlenschildkröten wurden im April 2018 auf Madagaskar beschlagnahmt – eine unglaubliche Zahl. Als wir davon erfuhren, war uns sofort klar: Die Turtle Survival Alliance braucht schnelle und unbürokratische Hilfe. So viele Tiere müssen medizinisch untersucht und behandelt werden; viele von ihnen verwundet, ausgetrocknet, von Parasiten geschwächt. Gesunde Schildkröten sind schnellstmöglich von den kranken Tieren zu trennen, damit sich keine Erreger ausbreiten. Beschlagnahmte Strahlenschildkröte in Madagaskar 2018 © Turtle Survival Alliance Für einige hundert Panzerträger kam die Beschlagnahme zu spät. Die katastrophale Lagerung in einem leerstehenden Haus, ohne Futter und Wasser, forderte ihre Opfer. Für die überlebenden knapp 10.000 Tiere hat diese schreckliche Story hoffentlich ein Happy-End: Sind die Schildkröten wieder gesund, können sie wieder zurück in die Natur. Doch bis dahin heißt es für die vielen fleißigen Helfer: Füttern, Entmisten, Gesundheits-Checks im Akkord – und das noch für die nächsten Wochen. Kontrolle der Tiere, Beschlagnahme Madagaskar 2018 © Turtle Survival Alliance Traurige Rekordaufgriffe Der Aufgriff in Madagaskar ist beileibe kein Einzelfall – und er ist nicht einmal der größte seiner Art: Im Oktober 2017 fanden die Behörden in Indien 1.012 Schildkröten. Gerade noch rechtzeitig vor dem Export nach China und Hongkong gelang die Beschlagnahme von Indischen Sternschildkröten, aber auch 27 Zeltschildkröten – eine Art, die dank Pro Wildlife seit 2002 international geschützt ist. Im September 2016 deckte das von uns unterstützte Undercover-Team EAGLE in Madagaskar einen Schmugglerring auf: In drei Koffern fanden sie 428 Strahlenschildkröten. Der Schwarzmarkt-Wert beträgt über eine halbe Million US Dollar. Im Januar 2015 gelang den Behörden Indonesiens binnen weniger Tage ein Doppelschlag gegen Tierschmuggler. 7.634 Papua-Weichschildkröten wurden gerettet. Die Tiere waren in Kisten gestopft und als „Krabben“ deklariert. Im Juni 2015 fanden die Behörden in einem Warenhauslager auf Palawan, Philippinen, 4.400 Schildkröten. 3.900 von ihnen waren philippinische Erdschildkröten. Die Art ist akut vom Aussterben bedroht und kommt nur auf den Philippinen vor. Auch in diesem Fall leistete Pro Wildlife finanzielle Soforthilfe an die Katala Foundation, die die Tiere professionell versorgte und die Wiederauswilderung organisierte. 1999 gab es auf einem Schiff in Manaus, Brasilien, gar eine Beschlagnahme von 38.000 Schienenschildkröten – der größte uns bekannte Aufgriff. Beschlagnahmte Erdschildkröten, Philippinen 2015 © Katala Foundation Suppentopf oder Terrarium? In all diesen Fällen muss trotz der dringenden Sofortmaßnahmen auch die Frage geklärt werden: Wofür waren diese Tiere bestimmt? Wo sollten sie enden? Das ist wichtig, damit Vollzugsbeamte besser durchgreifen, Mittelsmänner und Auftraggeber bestraft werden und Schmuggelrouten geschlossen werden können. Bei großen Aufgriffen stellt sich immer die Frage, ob die Schildkröten für die Fleischmärkte in Fernost bestimmt sind, auf denen alljährlich Millionen Wildtiere enden. Für hübsch gemusterte Strahlenschildkröte aus Madagaskar zahlen Sammler hier in Europa bis zu 5.000 Euro für ein geschlechtsreifes Tier. Bei einer so seltenen und teuren Art liegt also eher der Schmuggel für den internationalen Heimtiermarkt nahe. Beschlagnahmte Strahlenschildkröten, 2016 Madagaskar © EAGLE Ein Dankeschön für all die Hilfe! Ob Fleischmarkt oder Exotenhandel: Die rücksichtslose Plünderung der Natur muss gestoppt werden. Pro Wildlife kämpft für internationale Handelsverbote für seltene Wildtiere. Doch genauso wichtig ist es, zu helfen, wenn Tiere beschlagnahmt werden. Dass so viele Tierfreunde für die Strahlenschildkröten gespendet haben (3.300 Euro Soforthilfe konnten wir binnen weniger Tage überweisen) macht uns stolz: Schließlich ging es hier nicht um kuschelige Tiere mit großen Kulleraugen, sondern „nur“ um Reptilien. Aber wir haben einfach tolle Unterstützer, für die jedes Tierleben zählt. Danke dafür – das war großartig! Mehr Informationen Reptilienschmuggel Reptilienhandel ist maximaler Profit bei minimalem Risiko. Viele Tiere sind unzureichend geschützt » Reptilienschmuggel Traditionelle Asiatische Medizin Die Traditionelle Asiatische Medizin ist in China eine 2.000 Jahre alte Heilkunst. Die TCM (Traditionelle chinesische Medizin) ist jedoch in Verruf gekommen, weil viele Rezepturen hoch bedrohte Arten verwenden und damit Nashorn, Tiger, Kragenbären und viele andere Arten an den Rand der Ausrottung treibt » Traditionelle Asiatische Medizin Schildkröten Schildkröten bevölkern dank ihrer großen Anpassungsfähigkeit bereits seit über 200 Millionen Jahren die Erde » Schildkröten CITES – das Washingtoner Artenschutzübereinkommen Das wichtigste internationale Abkommen, um die Plünderung bedrohter Arten zu stoppen, ist das Washingtoner Artenschutzübereinkommen (CITES) » Washingtoner Artenschutzübereinkommen (CITES) Massenverkauf von Reptilien auf Reptilienbörsen Besuche auf Reptilienbörsen und Tierbörsen sind immer wieder eine spezielle Erfahrung: Menschenmassen schieben sich an Tischen vorbei, auf denen alles angeboten wird, was die Natur so hergibt » Reptilienbörsen Schildkröten in Not Viele Schildkrötenarten sind durch Handel und Lebensraumverlust vom Aussterben bedroht » Schildkröten in Not
19. April 2018. Das große Fressen in Vittel. Ende April findet im französischen Städtchen Vittel alljährlich das „Fest der Frösche“ statt. Doch was klingt wie eine große Naturschutzveranstaltung zu Gunsten bedrohter Amphibien, ist in Wirklichkeit das krasse Gegenstück: Zum „Foire aux Grenouilles“ kommen vermeintliche Gourmets aus ganz Europa, um drei Tage lang dem Konsum von Froschschenkeln in allen Variationen zu frönen. Bei reichlich Bier und Wein denkt keiner der Gäste daran, dass er einem Exzess beiwohnt, der riesige Tier- und Artenschutzprobleme verursacht… Froschschenkel-Pasteten in Vittel © Pro Wildlife Zwischen Gourmet-Tempel und Grillbude Froschschenkel gelten gemeinhin als Delikatesse. In Edelrestaurants und bei „französischen Wochen“ in Vier-Sterne-Hotels finden sich auch hier in Deutschland Froschschenkel auf der Speisekarte. „À la Creme in Riesling-Sahne“ oder „Froschschenkel auf Espuma vom Knoblauch und Petersilienjus“ für 12 Euro – so heißen die Vorspeisen der Haute Cuisine. In Vittel hingegen herrscht Volksfeststimmung: Holzbuden und Bierzeltgarnituren, die Froschschenkel werden auf Papptellern ausgeteilt. Die Portion für drei Euro, das sind echte Frittenbuden-Preise. Sogar Currypulver zum Nachwürzen steht bereit. Rund 20.000 Gäste konsumieren an diesem Wochenende in Vittel etwa sieben Tonnen Froschschenkel – als Pastete, frittiert, mit Kräutern der Provence oder in Knoblauchsauce: Knapp 350.000 Frösche mussten dafür ihr Leben lassen. Die allermeisten von ihnen stammen aus den Reisfeldern und Tümpeln Indonesiens. Wildfänge, denen die Beine in Akkordarbeit abgehackt werden, der Rest des Körpers wird weggeworfen. Ein grausamer Tod. Die Beinchen werden gehäutet, tiefgefroren und nach Europa gebracht. Froschschenkel in Knoblauchsauce © Gunawan Kartapranata Ein grausamer Handel mit ökologischen Folgen Vittel ist nur der Gipfel eines unfassbaren Konsums: 4.200 Tonnen Froschschenkel importiert die Europäische Union jedes Jahr – das entspricht zwischen 100 und 200 Millionen Fröschen. Bereits in den 1980ern sorgten Froschschenkel für negative Schlagzeilen. Damals waren Bangladesch und Indien die Lieferanten für den Weltmarkt. Mit verheerenden Folgen: Abermillionen Frösche, deren Hauptfutter aus Mücken und anderen Schädlingen besteht, weggefangen. Die natürlichen Insektenvernichter waren fast ausgelöscht. Erst als die Pestizideinsätze in die Höhe schossen und Gesundheitsgefahren für den Menschen drohten, zogen beide Länder die Notbremse und verboten Fang und Export. Das Thema verschwand aus den Schlagzeilen, doch Indonesien nahm still die Rolle des Weltlieferanten ein und der Konsumrausch ging weiter. Südostasiatischer Reisfrosch © Thomas Brown Indonesiens Frösche in Not Indonesien ist unter Artenschützern nicht gerade für einen aktiven, progressiven Naturschutz bekannt. Ob Korallenfische und Echsen für den exotischen Heimtierhandel, Schlangenhäute für Luxustaschen oder eben Froschschenkel: Indonesiens Ökosysteme werden rücksichtslos geplündert, mit Unterstützung der Regierung. Doch der Raubbau bleibt auch dort nicht ohne Folgen, wie das Beispiel der Frösche zeigt: 2017 belegte eine Studie der Universität Sorbonne in Paris, dass mehr als 98 Prozent der in der EU verkauften Froschschenkel falsch deklariert sind. Die ehemals wegen ihrer langen Beine besonders begehrten Java-Frösche (Limnonectes macrodon) sind inzwischen fast ausgerottet und de facto aus dem Handel nahezu verschwunden; sie werden durch andere großschenklige Froscharten wie den südostasiatischen Reisfrosch (Fejervarya limnocharis) ersetzt. Obwohl unsere Studie „Canapés to Extinction“ schon vor Jahren vor den verheerenden ökologischen Folgen warnte, sehen weder Indonesien noch Frankreich bisher Handlungsbedarf. Pro Wildlife hat sich deshalb Unterstützung geholt: Sechs französische Tier- und Artenschutzverbände fordern nun gemeinsam mit uns die französische Regierung auf, den Froschschenkelhandel endlich zu regulieren. Das nächste Froschfest in Vittel wird davon noch nicht betroffen sein, vermutlich auch das übernächste nicht. Doch wenn die Politik nicht endlich reagiert, könnten die Frösche bald ausgequakt haben… Mehr Informationen Froschschenkel © Thomas Brown Tausende Tonnen Froschschenkel landen jährlich auf den Tellern der Menschen in der EU – mit verheerenden Folgen für Natur und Menschen in Asien. » Froschschenkel Canapés to extinction Der Bericht „Canapés to extinction“ von Pro Wildlife dokumentiert den Einfluss des internationalen Handels mit Froschschenkeln auf die Ökosysteme. » Canapés to extinction (pdf, engl.) Reptilien und Ambhibien Reptilien und Amphibien kommen bis auf die Polkappen überall auf der Welt vor. » Reptilien und Amphibien Verbändebrief zum Froschschenkelhandel © TCastelazo Tier-, Natur- und Umweltschutzverbände fordern den französischen Umweltminister auf, den Handel mit Froschschenkeln zu regulieren. » Verbändebrief an den französischen Umweltminister Hulot (frz. pdf)
6. April 2018. Trauriges Naturphänomen und menschengemachter Tod. Strandungen von Walen und Delfinen gab es schon immer und doch häufen sich die Schlagzeilen – wie gerade erst wieder in Neuseeland. Wir sind der Frage nachgegangen, warum jährlich weltweit etwa 2.000 Wale und Delfine stranden, welche Arten besonders betroffen sind und wo die traurigen Hotspots sind. Gestrandeter Schnabelwal, Neuseeland © Avenue Tödliche Irrtümer So traurig die einzelnen Fälle sind: Strandungen von Waltieren gab es schon immer. Drei natürliche Gründe sind hierfür möglich: Wale und Delfine orientieren sich auf ihren Wanderungen mit Echolokation und können sich so in den allermeisten Gebieten ein gutes Bild vom Küstenverlauf machen. Doch bei äußerst flachen Stränden, wie sie zum Beispiel in Westaustralien oder Neuseeland vorkommen, funktioniert die Schallreflektion nicht. Ihr Warnsystem versagt. Wissenschaftler fanden heraus, dass sich Pottwale immer dann in die Nordsee verirren und stranden, wenn alle paar Jahre die Sonnenflecken auf der Sonnenoberfläche besonders hohe Aktivitäten aufzeigten. Dies hat Auswirkungen auf das Magnetfeld der Erde. Gerade für Pottwale fatal, denn sie nutzen Geomagnetismus als eine Art natürliches GPS. Wenn kleinere Delfine stranden, dann kann dies entweder bei ihrer Flucht vor Orcas und anderen Fressfeinden in flachere Gewässer passiert sein. Oder aber sie haben sich bei der Jagd auf Fischschwärme zu sehr in untiefe Stellen vorgewagt und sitzen dann fest. Gestrandeter Zwergpottwal, Florida (USA) © Inwater Research Group Der Mensch verschärft die Situation Doch nicht immer hat eine Strandung natürliche Ursachen: Lärm, Giftstoffe und Militäreinsätze können gravierende Folgen für Meeressäuger haben, sie schwächen oder gar töten: Im Magen eines Schnabelwals, der vor Norwegens Küste strandete, fanden Wissenschaftler 30 Plastiktüten und weiterer Kunststoffmüll. Das Tier war schlicht mit vollem Magen verhungert. Gerade Delfine und Kleinwale sind Top-Predatoren der Meere. Im Verlauf einer langen Nahrungskette sammeln sich gerade in ihnen hohe Schadstoffmengen (zum Beispiel Quecksilber, PCB, DDT) an, die ihre Fruchtbarkeit senken und ihr Immunsystem schwächen. Unterwasserlärm macht Walen und Delfinen zunehmend zu schaffen. Dies kann einerseits der zunehmende Schiffsverkehr sein. Aber auch Militärmanöver mit Sonar stören die Echolokation der Tiere erheblich. 2016 befand ein US-Gericht, dass die Sonar-Einsätze der Navy mit ihren bis zu 235 Dezibel die Sinnesorgane der Wale schwer schädigen und sogar zerstören können. Zum Vergleich: Ein Presslufthammer erzeugt 120 Dezibel… Gestrandete kleine Schwertwale, Australien © Bahnfrend Welche Arten? Wie kann man helfen? Besonders häufig stranden Pottwale (siehe oben), Schnabelwale, Hochsee-Delfine und vor allem Grindwale. Grindwale haben ein ausgesprochen inniges Sozialleben, das ihnen bei Strandungen (und auch bei den Treibjagden auf den Färöer-Inseln) zum Verhängnis wird: Sitzt das Leittier fest, bleibt der Rest der oftmals aus dutzenden Tieren bestehenden Gruppe bei ihm, auch wenn es ihr sicheres Verderben bedeutet. Für Westaustralien, Neuseeland (mit jährlich bis zu 300 gestrandeten Walen), Cape Cod (USA) oder Patagonien (Chile) wurden die meisten Massenstrandungen verzeichnet. Um gestrandeten Walen und Delfinen zu helfen, sind in einigen Ländern sogar eigens Hotlines eingerichtet. Diese sollen in schnellstmöglicher Zeit Hilfsteams aktivieren, um die gestrandeten Tiere zu kühlen, feuchtzuhalten und möglichst zurück ins Meer zu bugsieren. Solche Sofortmaßnahmen sind wichtig und richtig – und doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein, solange die Menschen es nicht schaffen, zumindest die unnatürlichen Strandungsursachen zu beseitigen… Mehr Informationen Grindwal © Lynsey Smyth Grindwale sind äußerst sozial und gehören zu den am stärksten mit Giftstoffen belasteten Meeresbewohnern. » Grindwal Walfleisch © EIA Unser Bericht „Toxic Menu“ zu Giftstoffen in Walen und Delfinen. » Toxic Menu – Contamination of Whale Meat and Impact on Consumers’ Health Wale und Delfine Wale und Delfine sind keine Fische, sondern Säugetiere, die vor etwa 50 Millionen Jahren den Weg zurück vom Land ins Wasser nahmen. » Wale und Delfine IWC-Blog 2018 Vom 10. bis zum 14. September fand in Florianopolis (Brasilien) die 67. Tagung der Internationalen Walfangkommission (IWC) statt, die Vorverhandlungen begannen bereits am 6. September.» IWC-Blog 2018: Das Walfangverbot unter Beschuss
22. März 2018. Erlebnisse beim großen Wildtier-Wühlen. Besuche auf Reptilienbörsen und Tierbörsen sind immer wieder eine spezielle Erfahrung: Menschenmassen schieben sich an Tischen vorbei, auf denen alles angeboten wird, was die Natur so hergibt – und was klein genug ist, um in kleine Plastik-Frischkäse-Schachteln zu passen: Da finden sich Hieroglyphen-Riedfrösche aus Kamerun neben Igeltenreks aus Madagaskar, Hornagamen aus Sri Lanka neben dem Puerto-Rico-Anolis. Einige dieser Tiere sind vom Aussterben bedroht – auf Reptilienbörsen sind sie jedoch Wühltischware, viele von ihnen auf Vorbestellung aus der Natur eingefangen. Helmchamäleon auf Reptilienbörse Reptilienbörsen: Hauptsache schön bunt Auf der Reptilienbörse in Karlsruhe im März erleben wir eine Szene, bei der eine Frau ein Chamäleon kauft. Bunt muss es sein, eine hübsche Deko fürs Wohnzimmer. Geldscheine wechseln den Besitzer, der Händler überreicht die Plastikbox mit Chamäleon. Die Frau fragt – wohlgemerkt nach dem Kauf: „Und was brauch ich da jetzt für?“ Der Händler: „Ein Terrarium mit guter Durchlüftung und Wärmelampe…“ Sie unterbricht ihn: „Und was geb ich dem zu fressen?“ Der Händler hat keine Zeit für einen Grundkurs für Ahnungslose; der nächste Kunde will zahlen, es hat sich schon eine kleine Warteschlange gebildet. Die Frau ist nun also stolze Besitzerin des Chamäleons, hat aber offenbar kein Terrarium, geschweige denn einen Schimmer von der Haltung dieses Tieres. Wie lange diese Echse wohl überlebt? Die farbenprächtigen Pantherchamäleons sind die beliebtesten Chamäleons im Handel Die Natur als Selbstbedienungsladen Wir schieben uns im Gedränge weiter, zu einem Stand mit exotischen Pflanzen, die Terrarien aufhübschen und strukturieren sollen. Wir kommen mit dem Händler ins Gespräch. Er zeigt uns eine Pflanze aus der Wüste Namib, die ein Jahr kein Wasser braucht. Namibia, denke ich, da gibt es ja einige geschützte Raritäten. Ich erzähle, dass ich dort in Urlaub war, einem der schönsten Plätze jemals. Und schon fasst der Händler Vertrauen und beginnt zu plaudern. Dass er auch dort in Urlaub war, aber nicht mit leeren Händen heimkam, da gäbe es so schöne kleine Zwergpuffottern. „Stimmt“, sage ich, „die haben wir auch gesehen, aber die sind doch in Namibia geschützt, oder nicht?“ „Doch“, bestätigt er, „aber die Versuchung war einfach zu groß. Ich hab sie in Döschen zwischen meinen Socken in den Koffer gepackt. Ging ganz einfach.“ Ein schlechtes Gewissen hatte er nicht. Und Angst muss er auch keine haben, denn diese Vipern sind nur in Namibia geschützt, nicht aber hier in der EU. Sobald Mann und Koffer außer Landes sind, wird sein Diebstahl hier nicht mehr bestraft und er kann seine Ausbeute auf Reptilienbörsen oder im Internet verkaufen. Puffottern werden in der Namib illegal eingefangen Aus der Natur frisch auf den Tisch Es bestätigt sich immer wieder: Die größten Tier- und Artenschutzprobleme bringen gewerbliche Händler mit, die mit Hunderten von Tieren von Börse zu Börse quer durch Europa tingeln. Sie haben die Raritäten im Angebot. Ein Großteil ihrer Tiere sind Wildfänge, die für die großen Reptilienbörsen eigens bestellt werden: Oft erst wenige Wochen zuvor aus der Natur eingefangen, mussten sie strapaziöse Zwischentransporte und -lagerungen überstehen. Ein Anbieter aus Tschechien wirbt damit, dass er am 10. März in Hamm, am 17. März in Rom, am 24. in Madrid, am 1. April in Houten (Holland) und danach gleich in Barcelona verkauft. Ein fliegender Händler mit lebender, verderblicher „Ware“. Verkauft wird an jeden, der zahlt, auf Reptilienbörsen in ganz Europa. Massenverkauf von Reptilien auf Börsen Tierbörsen – ein rechtsfreier Raum? Niemand darf einem Tier „ohne vernünftigen Grund“ Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen – so steht es im Tierschutzgesetz. Doch wer beurteilt, wann ein Gecko leidet? Wie lange er schon ohne Futter in dieser Plastikschachtel hockt? Wie sehr ihn das Geschubse an den Tischen, die Erschütterungen, das wiederholte Hochheben stressen? 2006 veröffentlichte das Bundeslandwirtschaftsministerium die sog. Tierbörsen-Leitlinien – und schrieb gleich in die Einleitung, dass dies ohnehin nur rechtlich unverbindliche Empfehlungen sind. Welche Behörde soll hunderte Aussteller, tausende Tiere überprüfen? Viele Vollzugsbeamte sind mit dem angebotenen Artenspektrum hoffnungslos überfordert – und sehen weg. Hinzu kommen zahllose kleine Lücken im Artenschutzrecht, die die Händler nur allzu gut kennen… Abhilfe kann hier nur die Bundesregierung schaffen – indem sie solche Flohmärkte für Wildtiere endlich verbietet! Mehr Informationen Reptilienschmuggel Reptilienschmuggel ist ein einträgliches Geschäft. Händler nutzen Gesetzeslücken, um mit teils bedrohten Tierarten den großen Reibach zu machen. » Reptilienschmuggel Exotische Haustiere Exotische Haustiere sind der letzte Schrei. Schon für 1.000 Euro kann man im Internet ein Löwenbaby kaufen. Im Wildtierhandel gibt es einen unglaublichen Wildwuchs. » Exotische Haustiere Verbändebrief 16 Tier-, Natur- und Artenschutzverbände fordern von der Politik endlich strengere Regeln für den Handel mit Wildtieren. » Verbändebrief Reptilien und Amphibien Reptilien und Amphibien kommen bis auf die Polkappen überall auf der Welt vor. » Reptilien und Amphibien Schildkröten in Not Viele Schildkrötenarten sind durch Handel und Lebensraumverlust vom Aussterben bedroht » Schildkröten in Not
6. Februar 2018. Wildtiere im Anhänger – Tristesse am Straßenrand: „Löwengehege im Gewerbegebiet“ lautete die Schlagzeile der regionalen Bild-Ausgabe im Saarland Anfang Februar 2018. Fünf ausgewachsene männliche Löwen, gestrandet auf einem Acker in einem Gewerbegebiet der saarländischen Kleinstadt Blieskastel, sorgten für Aufregung. Der Raubtier-Dompteur hatte zwischen zwei Engagements in verschiedenen Zirkussen sein Winterquartier aufgeschlagen. Das zuständige Veterinäramt hatte laut BILD-Zeitung keine Beanstandungen, obwohl die Zirkustiere in einem Mini-Gehege in der Kälte saßen. Grund genug für uns, die Löwen-Unterbringung vor Ort anzuschauen. Artgerechte Löwenhaltung im Gewerbegebiet? Was wir sahen, war noch schlimmer als befürchtet. Dieser Fall zeigt die ganze Misere der Wildtierhaltung in Wanderzirkussen – denn gerade in kalten Wintermonaten ist die Unterbringung von afrikanischen Raubkatzen alles andere als artgerecht. Bei unserer vor-Ort-Besichtigung, an einem eisigen Samstag bei Temperaturen um den Gefrierpunkt, war keiner der fünf Löwen in der eh nur kleinen Außenanlage zu sehen. Stattdessen waren alle Tiere in der linken Hälfte eines Sattelanhängers untergebracht (siehe Pfeile). Oder besser gesagt: Eingepfercht. Im Dunkeln. Zum Nichtstun verdammt. Das Veterinäramt Saarbrücken, „Regionalstelle Ost“, meint, unsere Fotos zeigen nur eine Momentaufnahme. Aha?! Löwenhaltung im Gewerbegebiet – ohne Licht im dunklen Anhänger Der Löwenbesitzer überbrückt in Blieskastel die Zeit. Die fünf Löwen waren für den Weihnachtszirkus in Saarbrücken gebucht, das nächste Engagement im Circus Carl Althoff beginnt erst im März. Dazwischen: Zweieinhalb Monate Unterbringung der Zirkustiere auf einem Acker im Gewerbegebiet, auf kleinster Fläche – ein Auslauf von wenigen Quadratmetern, der den Tieren nur manchmal zur Verfügung steht. Bei kühlen Temperaturen (und das kommt im Winter ja bekanntermaßen durchaus häufiger vor…) werden die Tiere in den Zirkuswagen gepfercht. Wo bleibt das Wildtierverbot für Zirkusse? Auf unsere Nachfrage hin verweist das zuständige Veterinäramt Saarbrücken auf die in Deutschland gültigen Empfehlungen. Denn für die Haltung von Tieren in Zirkusse gelten nur Minimalanforderungen, die die Haltungsvorgaben die für Zoos und Tierparks gelten um ein Vielfaches unterschreiten. Gerechtfertigt wird diese Sonderstellung der Zirkusse damit, dass die Tiere bei ihrem täglichen Training beschäftigt werden und somit weniger Auslauf benötigen – eine völlig falsche und für die Tiere fatale Aussage. Während in Zoos und Tierparks einem Rudel mit fünf Löwen ein Außengehege von mindestens 500 m² zur Verfügung steht, müssen Zirkusse einem gleichgroßen Rudel lediglich ein 50 m² großes Außengehege für 4 Stunden am Tag bereitstellen. Das heißt also: Der Löwenbesitzer dürfte die fünf majestätischen Zirkustiere 20 Stunden am Tag in einem 24 m² großen Hänger einsperren – das wäre völlig gesetzeskonform. Da wundert es niemanden, dass eine solche Wildtierhaltung häufig Verhaltensstörungen – wie Stereotypien, Aggressionen oder Apathie – einen schlechten Gesundheitszustand, enormen Stress und eine hohe Sterblichkeitsrate zur Folge hat. Löwenhaltung im Zirkus-Winterquartier Der Fall zeigt wieder einmal: Die bestehenden Regelungen für Zirkusse sind mehr als unzureichend und den Veterinärbehörden sind die Hände gebunden. Wir brauchen endlich ein Wildtierverbot im Zirkus! Bitte unterzeichnen Sie unsere Petition an die Regierungsparteien: Mehr Informationen Schluss mit Wildtiershows © Usien Lebenslängliche Gefangenschaft im Zirkus. » Schluss mit Wildtiershows Zoo und Unterhaltung Seit Jahrhunderten stellen Menschen Wildtiere in Zoo und Zirkus zur Schau. » Zoo und Unterhaltung Petition © Jean Housen Fordern Sie gemeinsam mit Pro Wildlife ein Wildtierverbot in deutschen Zirkuszelten! » Unterschreiben Sie unsere Petition Löwen in Freiheit Afrikas Löwenbestände haben dramatisch abgenommen! » Wissenswertes über den afrikanischen Löwen
24. Januar 2018. Der alltägliche Plastikwahn. Polypropylen (PP), Polyethylen (PE), Polyethylenterephthalat (PET): Immer wieder bin ich fassungslos, wie viel Kunststoffmüll wir in unserem Vier-Personen-Haushalt pro Woche produzieren – und das, obwohl ich mir einbilde, Plastik wenn möglich beim Einkauf zu vermeiden. Petersilie, Gurken, Tomaten – an dieser Frischetheke ist alles eingeschweißt Und genau das ist die Krux – „wenn möglich“: Um so manche Plastikfolie werde ich in meinem Alltagseinkauf im Supermarkt um die Ecke oder dem nächsten Bioladen nicht herumkommen: Müsli und Hülsenfrüchte werden durch Plastik vor Feuchtigkeit geschützt, Shampoo gibt es fast nur in der Plastikflasche, Zahncreme nur in der Kunststofftube – und habt Ihr schon mal versucht, Kartoffelchips ohne Plastikverpackung zu bekommen? In München gibt es zwar inzwischen zwei verpackungsfreie Läden, die auch definitiv immer wieder einen Besuch lohnen – unseren Haushalt dort komplett einzudecken, würde ich jedoch weder logistisch noch finanziell schaffen. Also was tun? Zumindest das aus dem Einkaufswagen verbannen, wozu es plastikfreie Alternativen gibt: Seifenstück statt Flüssigseife, lose Äpfel aufs Kassenband legen, Wattestäbchen mit Papier- statt Plastikschaft, Metall-Trinkhalme statt aus Plastik. Ärgerlich nur, dass die Supermärkte und Drogeriemärkte immer noch so viele unsinnige Produkte mit Plastikverpackung anbieten – und ärgerlich, dass es immer noch Menschen gibt, die an der Frischetheke sogar Bananen oder Avocados in hauchdünne Plastiktütchen stecken, um sie abzuwiegen und zur Kasse zu transportieren. Das muss sich ändern! Albatros im Plastikmüll © KStarr Meere voller Müll Zwei schockierende Zahlen: (1) Pro Jahr werden weltweit 500 Mrd. PET-Flaschen produziert, Tendenz steigend. (2) Bis 2025 könnte der jährliche Eintrag von Plastik in die Meere auf unfassbare 40-130 Millionen Tonnen anwachsen – und bereits jetzt sterben Delfine, Wale, Seevögel und andere Meerestiere einen qualvollen Hungertod, weil ihr Magen vollgestopft mit Plastik ist. Bald schon mehr Plastikmüll als Fische im Meer? Plastik-Scout werden und gegen die Kunststoff-Flut kämpfen Pro Wildlife brachte kürzlich Ideen und Anregungen bei der öffentlichen Konsultation der EU-Kommission ein, wie die katastrophale Plastikschwemme in den Meeren reduziert werden kann. Einer der vielen von uns vorgeschlagenen Schritte war, einen umfassenden Maßnahmenkatalog für Supermärkte und Gastronomie festzulegen. Doch bis die EU hier tatsächlich die Reißleine zieht, bleibt es an uns Verbrauchern, etwas zu ändern. Unser Tipp deshalb: In drei Schritten zum Plastik-Scout werden: Beim Einkauf die größten Plastiksünden aufstöbern und per Foto dokumentieren An die Filialleitung – besser noch an die Zentrale – wenden, Fotobeweise schicken und um das Ausmisten in den Regalen und an der Obst- und Gemüsetheke bitten! Ob Rewe, Edeka, Aldi oder Lidl: Die Adressen der Zentralen findet Ihr auf den jeweiligen Websites. Eure Fotos bitte auch an mail@prowildlife.de schicken – mit kurzer Notiz, wann und wo Ihr die Kunststoffsünde entdeckt habt – damit wir diese Bilder im Rahmen unserer Kampagne verwenden können. 500 Milliarden PET-Flaschen pro Jahr weltweit – ein Wahnsinn! P.S.: Meine unsinnigsten Plastik-Fundstücke beim letzten Einkauf waren übrigens riesige Stapel und ganze Regale voller PET-Flaschen mit Mineralwasser. Im Gegensatz zu vielen Menschen in Äthiopien oder Burkina Faso haben wir hier in Europa über den Wasserhahn jederzeit und immerzu Zugang zu Trinkwasser in bester Qualität. Wer es spritzig mag, kann einen Sprudler verwenden. In PET-Flaschen abgefülltes Wasser, das möglicherweise auch noch durch ganz Deutschland gekarrt wird, braucht es nun wirklich nicht… Eure Fotos für unsere Kampagne: Mit der Einsendung eurer Fotos räumt Ihr Pro Wildlife e.V. unwiderruflich das Recht ein, die Fotos zu veröffentlichen, sie zu vervielfältigen und zu verbreiten (in gedruckter Form und auf digitalen Trägern), sie öffentlich wiederzugeben und sie öffentlich zugänglich zu machen. Mehr Informationen Robbe verfangen in Müll Plastikmüll hat katastrophale Folgen für Wildtiere.» Tödliche Falle Müll Plastikmüllvermeidung Was kann die EU-Kommission zur Vermeidung von Plastikmüll in unseren Meeren tun?» Pro Wildlife-Empfehlungen an die EU-Kommission Wale & Delfine Wale verhungern wegen eines Magens voller Plastik.» Wissenswertes über die Meeressäuger Albatros im Müll © KStarr Die Lebensräume vor Verschmutzungen wie Plastikmüll zu bewahren ist wichtig für das Wohlbefinden von Wildtieren.» Lebensraum für Wildtiere
9. Januar 2018. Wie geht es zurück in die Freiheit? Seit 17 Jahren unterstützt Pro Wildlife Auffangstationen für beschlagnahmte Wildtiere vor allem in Afrika und Asien. Unser allererstes Projekt war das Affenwaisenhaus Limbe Wildlife Centre in Kamerun, weitere Kooperationen in Sri Lanka, Sambia, der Demokratischen Republik Kongo und zeitweise auch in Peru folgten. Die Auffangstationen sind eigentlich als erste Unterbringung gedacht, bis die oft verletzten oder traumatisierten Tiere geheilt und für eine Auswilderung optimal vorbereitet sind. Es klingt so einfach, doch in der Praxis stellen Wiederauswilderungen die Stationen vor immense Aufgaben. Auswilderung junger Elefanten in Sri Lanka © Elephant Transit Home Auswilderung: Fit genug für den großen Schritt? Man kann Wildtiere nicht einfach im nächsten Wald aussetzen – zunächst müssen sie trotz ihrer schlimmen Vorgeschichte überhaupt soweit wieder fit sein, dass sie ohne menschliche Hilfe in der Wildnis überlebensfähig sind. Eine Auswilderung muss deshalb über viele Wochen oder Monate vorbereitet werden – bei Menschenaffen und Elefanten kann dies sogar Jahre dauern. Bei Graupapageien, die mit Leimruten illegal eingefangen wurden, müssen die meist stark zerstörten Flugfedern erst nachwachsen, bis sie überhaupt wieder fliegen können. Doch dann ist ihre Prognose für die Freiheit gut. Graupapagei mit zerstörtem Gefieder, nach Fang mit Leimruten © Guido Ohlenbostel Affenkinder haben häufig Schussverletzungen, Brüche oder Fleischwunden, die den brutalen Fang der Tiere bezeugen. Kleinere Affenarten können nach Heilung dieser Verletzungen meist wieder ausgewildert werden. Junge Menschenaffen hingegen, die bereits als Baby ihren Familien geraubt wurden, hatten nicht die Chance, über viele Jahre von Mutter, Oma, Tante all das zu lernen, was sie für ein Leben in der Natur brauchen: Was ist essbar, was nicht? Wie baue ich ein Schlafnest? Wie bringe ich mich in Sicherheit? Das Sumatra Orang-Utan Conservation Project in Indonesien hat deshalb eigens eine Baumschule, wo die Kleinen Schritt für Schritt auf ihr Leben in der Wildnis vorbereitet werden. Orang-Utan-Kind Siboy lernt in der Waldschule auf Sumatra das Klettern © SOCP Welches Gebiet eignet sich als neuer Lebensraum? Mindestens ebenso wichtig für den Erfolg einer Auswilderung ist die Auswahl des idealen Gebietes. Die Weltnaturschutzunion IUCN hat extra Regeln erstellt, damit Auswilderungen nicht mehr Schaden anrichten als Nutzen. Dabei sind viele Fragen zu klären, wie beispielsweise: Ist das Waldstück sicher vor Wilderern – und trotzdem nahe genug zum Projekt, damit regelmäßige Kontrollbesuche möglich sind? Ist es weit genug weg von menschlichen Siedlungen, um keine Mensch-Tier-Konflikte zu provozieren? Schließlich haben die Affen oder Elefanten, die Monate oder Jahre in der Auffangstation verbrachten, die Scheu vor dem Menschen verloren. Nicht immer ist es möglich, diese scheu wieder anzutrainieren. Leben im ausgesuchten Waldgebiet bereits Populationen der Art, die ausgewildert werden sollen? Falls ja, wären die ausgewilderten Artgenossen eine Konkurrenz um Futter und Lebensraum? Oder wäre eine Aufstockung der Population sogar von Vorteil? Transport von Plumploris in Auswilderungsgebiet © Ciapus, IAR Bei so vielen Rahmenbedingungen, die erfüllt sein müssen, ist es nicht verwunderlich, dass unsere Projekte unterschiedlich gute Auswilderungsquoten haben: Elefantenkinder brauchen eine stabile Gruppe, in der sie ausgewildert werden – sie bietet Schutz, Orientierung und Geborgenheit. Deshalb halten die Elefantenwaisenhäuser in Sambia und Sri Lanka ihre Schützlinge in Gruppen, in denen sie im Alter von sechs bis sieben Jahren wieder ausgewildert werden. Dies bietet ihnen den bestmöglichen Start – und immer wieder schließen sich ehemalige Schützlinge wilden Elefantenherden an. Das Limbe Wildlife Centre, Kamerun, entließ bislang mehr als 3.000 Graupapageien sowie mehrere Drills und Mangaben wieder in die Natur. Die Auswilderung von Schimpansen und Gorillas hingegen scheiterte bislang daran, dass in Kamerun ein sicheres Waldgebiet fehlt. Die ausufernden Plantagen, Abholzung und Straßenbau selbst in abgelegene Gebiete machen die Prognose nicht gerade günstiger. In der Plumplori-Station auf Java, Indonesien, können die meisten beschlagnahmten Äffchen nach einer Heilungsperiode von einigen Wochen oder Monaten wieder in Waldschutzgebieten ausgesetzt werden. Ausnahmen sind vor allem solche Tiere, denen die Tierhändler die Eckzähne abgekniffen oder herausgerissen haben, um sie besser als „Haustier“ verkaufen zu können. Sie wären in der Wildnis wehrlos gegen Fressfeinde, deshalb bleiben die meisten von ihnen in der Station. Mehr Informationen Elefantenwaisenhaus Sri Lanka ©Mike Carr Pro Wildlife unterstützt das Elefantenwaisenhaus in Sri Lanka.» Elephant Transit Home, Sri Lanka Elefantenwaisenhaus Sambia ©Andrew White Pro Wildlife unterstützt das Elefantenwaisenhaus in Sambia.» Elefantenwaisenhaus, Sambia Affenwaisen, Kamerun Pro Wildlife unterstützt ein Affenwaisenhaus in Kamerun.» Limbe Wildlife Center, Kamerun Plumplori Auswilderung, Java Pro Wildlife unterstützt die Auswilderung von Plumploris in Java.» Ciapus Auffangstation für Plumploris, Java, Indonesien Orang-Utan-Rettung Pro Wildlife unterstützt die Auswilderung von Orang Utans in Indonesien.» Orang-Utan-Rettung Indonesien
6. Dezember 2017. Walfangländer: Europäische Union verschärft Ton Endlich! Es wird schwieriger für die Walfangländer. Nach Jahren der diplomatischen Zurückhaltung der Europäischen Union hat Brüssel in den letzten Monaten Schritt für Schritt den Ton verschärft – eine Entwicklung, an der wir nicht ganz unbeteiligt und auf die wir auch stolz sind: Januar 2017: Die EU-Länder verurteilen in einem offiziellen Schreiben an die Internationale Walfangkommission das neue Walfangprogramm Japans scharf. September 2017: Das EU-Parlament verabschiedet eine Resolution, die Norwegen auffordert, endlich die Waljagd einzustellen. November 2017: Monatelang hatte die EU darauf hingearbeitet, dass das CITES-Artenschutzabkommen endlich Japans Fang der stark bedrohten Seiwale im Pazifik auf die Agenda nimmt. Am 27. November 2017 war es auf dem Ständigen Ausschuss von CITES so weit: Nach 40 Jahren CITES stand Japan erstmals am Pranger, bekommt nun einen offiziellen CITES-Kontrollbesuch – die geforderten Handelssanktionen rücken damit für 2018 in greifbare Nähe. Dezember 2017: Die EU verabschiedet ihre neue gemeinsame Verhandlungsposition für die Internationale Walfangkommission für die kommenden sechs Jahre – so konsequent und scharf wie nie zuvor. Japan Walfang © Australian Customs and Border Protection Service Warum drückte die EU in Sachen Walfang so lange ein Auge zu? Wale und Delfine sind nach EU-Recht streng geschützt – sie dürfen weder gefangen noch getötet werden. Die Bevölkerung Europas lehnt kommerziellen Walfang mehrheitlich ab. Dennoch war die EU lange gegenüber Japan, Island und Norwegen auffallend still. Dafür gibt es mehrere Gründe: Zum Einen sind alle drei Walfangländer wichtige Handelspartner – Autos, Elektroartikel, Erdgas und Fisch sind wichtige Importgüter. Zum Anderen sollten die Verhandlungen um Fischereiquoten mit den europäischen Nachbarländern Norwegen und Island nicht belastet werden. Drittens sitzt mit Dänemark – einem Land, dessen semiautonome Regionen Grönland und Färöer-Inseln selbst Wale jagen – eine Blockadestimme für Walschutzmaßnahmen am Tisch; diese Stimme fand lange Zeit Gehör. Norwegen Walfang © Nick Seeliger Das alles hat sich zum Guten geändert: Der EU ist in den letzten Monaten klar geworden, dass sie den Kampf gegen den Walfang nicht nur Australien, Neuseeland und den Ländern Lateinamerikas überlassen können – diese haben den Fokus auf Japan und verweisen zu Recht auf die Verantwortung der EU für die Waljagd in europäischen Gewässern. Unser Bericht „Frozen in Time“, der Norwegens Rolle als Walfangland Nr. 1 aufzeigte, erhöhte den Handlungsdruck für die EU. Zudem hat Dänemark in den letzten Jahren durch Provokationen und Eskapaden in Sachen Walfang Vertrauen und Unterstützung in der EU verspielt. Gute Voraussetzungen für die Walfangtagung 2018 Auch wenn die Harpunen in den Walfangländern damit noch nicht verschrottet sind: Die EU endlich im aktiven Walschutzlager bei CITES und der IWC zu sehen, ist ein Riesenerfolg, auf den Pro Wildlife und andere Verbände intensiv hingearbeitet haben. Für Japan, Island und Norwegen wird die kommende IWC-Tagung im September 2018 wohl kein Zuckerschlecken – und wir treffen bereits Vorbereitungen, damit auf der IWC die Daumenschrauben nochmals angezogen werden… Mehr Informationen Walfang © Australian Customs and Border Protection Service Walfang: international verboten, jedoch weiter praktiziert . » Diese Länder betreiben weiterhin Walfang Japans Seiwale © Christin Khan_NOAA Japan fängt unter dem Deckmantel der Wissenschaft. » Waljagd in Japan Norwegens Zwergwale © Hans Bernhard Das Walfangland Nummer 1 beruft sich auf Wikinger-Traditionen. » Waljagd in Norwegen Zwergwal hapuniert © Michael Tenten Bericht über Norwegens Walfang-Vergangenheit (englisch). » Norwegens Walfang: „Frozen in Time“
25. Oktober 2017. Futteranbau für das Affenwaisenhaus. Artenschutzmaßnahmen vor Ort sind oft ein sensibles Unterfangen: Geht der Schutz einer vom Aussterben bedrohten Art über die Interessen der lokalen Bevölkerung? Inwieweit lässt sich beides unter einen Hut bringen? Wie kann man Wilderer zu Wildschützern „umpolen“? Ein ideales Beispiel, wie das funktionieren kann, zeigt das „grüne Projekt“ des von uns unterstützten Affenwaisenhauses in Kamerun. Maniok-Ernte für das Affenwaisenhaus © LWC Seit 1999 unterstützt Pro Wildlife das Limbe Wildlife Centre im Südwesten Kameruns. Ausschlaggebend für die Auswahl dieses Projektes war für uns die ideale Kombination aus Rettung von Menschenaffen in Not, intensive Aufklärungsarbeit – und das Einbeziehen der lokalen Bevölkerung. Mehr als 30 Einheimische haben im Affenwaisenhaus einen Arbeitsplatz gefunden – zum Beispiel als Tierarzt, Tierpfleger, Handwerker oder Lehrer. Das bedeutet ein sicheres Einkommen für mehr als 30 Familien und trug maßgeblich dazu bei, die anfängliche Skepsis der örtlichen Bevölkerung gegen die Affenstation abzubauen. Seit 2012 gibt es zudem das Grüne Projekt, das neue alternative Einkommen schaffen soll und gleichzeitig die Versorgung der Affen optimiert. Schimpansen mit frischer Pflanzenlieferung © LWC Gib dem Affen Ingwer Batoke ist eine kleine Gemeinde südlich des Mt-Cameroon-Nationalparks. Traditionell gibt es hier viele Jäger, die auch im nahen Schutzgebiet auf Affenjagd gehen. Das Limbe Wildlife Centre suchte deshalb in den letzten Jahren systematisch Alternativen auf, mit denen die Einwohner von Batoke Geld verdienen können, ohne bedrohte Arten zu töten. Und so entstand das Grüne Projekt. Gorillas und Schimpansen ernähren sich größtenteils von Pflanzen. Dazu gehören Nüsse und Früchte, aber auch riesiger Mengen an Blättern und Stauden. Die Mitarbeiter des Grünen Projektes ernteten zunächst vor allem Wild-Ingwer (Aframomum), der für die Affen in freier Wildbahn ein natürliches Heilmittel gegen Infektionskrankheiten ist. In den vergangenen Jahren kam der Anbau diverser Pflanzen wie Pfeilwurz- und Maulbeergewächse, Maniok und Papaya hinzu. Auch das Grünzeug der Kartoffeln ist im Affenwaisenhaus sehr begehrt. Ein Gorilla sichert sich seinen Anteil an frischen Pflanzen © LWC Eine klassische Win-Win-Situation Das Projekt hat sich glänzend entwickelt – und beide Seiten profitieren: Mussten früher Mitarbeiter der Affenstation die Pflanzen entweder auf dem Markt für teures Geld kaufen oder selbst im Wald sammeln gehen, bauen nun die Menschen von Batoke Futterpflanzen an: Inzwischen nehmen 61 Menschen am Grünen Projekt teil (darunter 19 Ex-Jäger); ein Anstieg um 33 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dreimal die Woche liefern sie frische Pflanzen in die Affenstation – in 2016 waren das 46 Tonnen insgesamt. Für die Gorillas und Schimpansen ein Festschmaus: Mehr Abwechslung, mehr Leckereien aus ihrem natürlichen Lebensraum. Mehr Informationen Affenwaise, Kamerun © LWC Das Limbe Wildlife Center ist eine Auffangstation für Affen und bedrohte Arten in Kamerun. Viele der Affenwaisen die dort versorgt werden sind Opfer von Buschwildjägern. » Das Affenwaisenhaus in Kamerun Affenjagd Viele Affenarten sind seit Jahrhunderten eine begehrte Fleischquelle. » Affenjagd: Unsere Verwandten im Kochtopf Schimpansen Schimpansen sind sehr sozial und leben in Großgruppen, die sich aus bis zu 150 Tieren zusammensetzen. » Wissenswertes über Schimpansen
30. September 2017. Jeder kann etwas gegen den Klimawandel tun. Anfang November treffen sie sich wieder zur Klimakonferenz – die Mächtigen der Welt. Allein der logistische Aufwand: Hunderte Flugreisen der Teilnehmer aus aller Welt (da sind ohne Weiteres fünf Tonnen CO2-Ausstoß pro Langstreckenflug drin), eine vermutlich sehr fleischlastige Verpflegung (Man kann ja wichtigen Gästen nicht nur Gemüsesticks hinstellen?!), eine Papierschlacht von Dokumenten (ob diese wohl aus Recyclingpapier sind?). Schon die Veranstaltung selbst ist eine Herausforderung für das Weltklima. Und viele Regierungen, die die Wirtschaftsinteressen über alles andere stellen. Den Klimawandel aufhalten, das muss eh die Weltpolitik richten? Was kann ich als Einzelner schon tun gegen so ein gigantisches Problem wie die Erderwärmung? Ich als kleines Rädchen? Bringt doch eh alles nix… Sind Ihnen solche Gedanken und Argumente auch schon mal begegnet? Und wie oft ertappt man sich selbst als Klimasünder: Den leckeren Schokoriegel gekauft – upps, trotz Palmöl drin. Doch wieder mit dem Auto statt Fahrrad gefahren, weil das Wetter so schlecht war. Aus Bequemlichkeit. Aus Gedankenlosigkeit. Unwissenheit ist jedenfalls fast nie der Grund… Natürlich kann ein einzelner Bürger nicht das Abschmelzen der Polkappen aufhalten. Aber damit machen wir es uns zu einfach! Jeder Konsument trifft tagtäglich dutzende Entscheidungen, mit denen er den Klimawandel beschleunigt – oder eben nicht. Was kommt auf mein Frühstücksbrot? Was in den Einkaufswagen? Jeder Einzelne kann und muss seinen Beitrag leisten. Wie viele ermüdende Diskussionen müssen Vegetarier und Veganer über sich ergehen lassen – weil diese Lebensweise bei vielen Fleischessern sofort Verteidigungsreflexe auslöst (ich weiß, wovon ich rede). Dabei wäre ja schon viel erreicht, wenn der Trend zurück zum Sonntagsbraten ginge – einmal die Woche Fleisch, so wie es unsere Großeltern und Urgroßeltern nicht anders kannten. Nicht morgens schon das Salami-Brot, mittags ein Salat mit Putenstreifen (alleine das Wort!) und abends ein Schnitzel. Fleisch – wenn überhaupt – muss wieder etwas Besonderes werden, das wäre heute wichtiger denn je: Aus Achtung vor dem Lebewesen und aus Tierschutzgründen (die industrielle Massentierhaltung ist unerträglich und unverantwortlich), aber auch der Umwelt zuliebe. Denn Fleischesser tragen maßgeblich zum Klimawandel bei: Die Waldrodungen für Weideflächen und Futteranbau, der Methan-Ausstoß von Kühen, die vielen Transporte, um nur drei Beispiele zu nennen: Betrachtet man die gesamte Produktionskette, fallen pro Kilo Fleisch durchschnittlich 335 kg Kohlendioxid an. Dabei gibt es so viele fleischlose Alternativen wie nie zuvor und kein Restaurant kann es sich noch leisten, nicht mindest ein paar vegetarische Gerichte anzubieten. Da kommt zwar gerne das Argument, dass Regenwald in Brasilien ja auch für den Soja-Anbau gerodet wird – stimmt, aber das allermeiste Soja landet nicht im fleischlosen Gericht, sondern als Viehfutter. Der Fleischkonsum ist jedoch nur einer von vielen Bereichen im Klimaschutz, in dem jeder Einzelne Verantwortung trägt. Papierverbrauch, Wasserverbrauch, Strom, Reisen, Einkauf: Brauchen wir wirklich Erdbeeren und Spargel im Dezember? (besonders zynisch, wenn „Bio aus Chile“ darauf steht). Wann ging das überhaupt los, dass Bananen und Salatgurken in Plastik eingeschweißt werden? Dass so etwas überhaupt gekauft wird – schließlich stellt hier die Natur die beste Öko-Verpackung ganz von allein. Es reicht auch nicht, dass wir im Hotel die Handtücher zweimal benutzen und uns dabei sehr umweltbewusst fühlen – wenn zuhause ein Wäschetrockner steht, obwohl Leine oder Wäscheständer Null komma Null Energie bräuchten. Warum sind ausgerechnet Kreuzfahrten der letzte Schrei und dank Dumpingpreisen auch inzwischen für Jedermann bezahlbar? Laut NABU stößt eine Kreuzfahrt so viele Schadstoffe aus wie fünf Millionen PKW! Und warum bitte sind die Nerv- und Kleintier-tötenden Laubbläser nicht längst verboten? Nicht ärgern. Handeln! Nein sagen zu umweltfeindlichen Produkten und Aktivitäten. Nehmen wir deshalb doch die Weltklimakonferenz zum Anlass, nochmal den eigenen Alltag einem Klima-Tauglichkeitscheck zu unterziehen. Da geht doch noch was, oder??? Wir alle können Klimaretter sein – jeden Tag! Mehr Informationen Umwelt-Tipps Eine Energiesparlampe zu nutzen mag als ein Tropfen auf den heißen Stein erscheinen, aber aus vielen Tropfen bestehen bekanntlich ganze Weltmeere. Auch Sie können täglich etwas für die Umwelt tun. » Umwelt-Tipps für den Alltag Folgen des Klimawandels Männermangel bei Meeresschildkröten: Die Temperatur im Sand entscheidet über die Geschlechterverteilung und somit den Fortbestand einer Art. » Folgen des Klimawandels für Wildtiere Eisbären Eisbären werden vor allem durch die Erderwärmung bedroht, da das Packeis zum Jagen von Beute früher abschmilzt. » Der Eisbär als Opfer des Klimawandels Lebensraum schützen Wildtiere haben auf Dauer nur eine Überlebenschance, wenn ihr Lebensraum erhalten bleibt. Als Verbraucher haben wir die Macht und die Verantwortung, gegenzusteuern indem wir unseren CO2-Fußabruck so klein wie möglich zu halten. » Lebensraum für Wildtiere schützen
27. September 2017. Kunststoff ist ein Fluch für die Natur. Ausgerechnet am Nordpol haben Forscher gerade ein großes Stück Polystyrol entdeckt – hunderte Kilometer abseits jeglicher menschlicher Siedlung. Ein Alarmzeichen, denn gerade hier hätte man erstens solche Müllstücke nicht vermutet, und zweitens wird der Plastikmüll bei den kühlen Temperaturen der Arktis noch langsamer abgebaut als anderswo. Albatros-Küken mit Plastikmüll © KimStarr Plastikmüll im Meer Coffee to Go, Fastfood in der Styroporbox, Einwegflaschen, eingeschweißtes Obst: Wir alle tragen tagtäglich zur Plastikflut bei. Mehr als 30 Millionen Tonnen Plastik werden derzeit jährlich produziert. Acht Millionen davon gelangen jedes Jahr ins Meer – sei es über die Flüsse eingespült oder über den Wind eingebracht. Für die nächsten Jahre soll die Kunststoffproduktion sogar noch weiter ansteigen. Im Nordpazifik gibt es eine gigantische Müllinsel von acht Millionen Quadratkilometern. Und eine neue Plastik-Insel entsteht bereits im Südpazifik. Einer Studie der Ellen MacArthur Foundation zufolge gibt es im Jahr 2050 möglicherweise mehr Plastik im Meer als Fische. Eine schockierende Vorstellung. Vor allem, wenn man bedenkt, dass Plastik nicht verrottet, sondern höchstens durch Sonne und Wellen in immer kleinere Teile zerfällt. Das berüchtigte Mikroplastik besteht jedoch nicht nur aus zerfallenen Plastikstücken. Kunststoffabrieb aus Fleecejacken wird bei jedem Waschgang frei und gelangt über die Flüsse ins Meer; Kläranlagen können dies nicht herausfiltern. Mikroplastik kommt auch in Duschgels und Zahncreme vor. Auch wenn wir Mikroplastik-Partikel nicht sehen, gefährlich bleiben sie weiterhin: In jeder dritten Makrele sind inzwischen kleine Plastikteilchen gefunden worden – womit der Müll in die gesamte marine Nahrungskette und letztlich über den Teller zurück zu so manchem Verursacher gelangt. Meeresschildkröte mit Resten von Fischernetzen © USFWS Plastikmüll ist bereits überall… … mit katastrophalen Folgen auch für Wildtiere: Erst vor kurzem erschütterte das Foto eines Seepferdchens, das sich an einem Wattestäbchen festklammert, die Öffentlichkeit – als Sinnbild eines zugemüllten Lebensraumes. Vögel polstern ihre Nester mit Folie. Mit fatalen Folgen für den Nachwuchs, denn die Folie ist wasserundurchlässig, Regenwasser wird gestaut, die Vogelkinder kühlen aus und sterben. Wale verhungern wegen eines Magens voller Plastik, Meeresschildkröten sterben mit Plastikringen um den Hals. 20 Prozent des Plastikmülls wird von den Fischereiflotten verursacht – unzählige Seevögel, Robben und anderes Meeresgetier sterben an den Netzresten. Plastik bedeutet leider häufig, dass Tiere sterben, an Land und im Meer. Fischadlernest mit eingebautem Müll © Jerry Kirkhart Jeder Einzelne kann und muss etwas tun All dies sind die Folgen unseres Konsumverhaltens. Wir alle können jeden Tag ein bisschen dazu beitragen, dieses Problem anzugehen: Einkaufstasche mitnehmen. Coffee to go nur im Mehrwegbecher. Keine eingeschweißten Gurken kaufen. Bei der nächsten Familienfeier keine Luftballons fliegen lassen. Kleidung aus (Öko)Baumwolle statt Polyester. Das altmodische Seifenstück statt Flüssigseife im Plastikspender. Loses Waschpulver statt eingeschweißte Tabs. Natürlich die obligatorische Müllsammelaktion beim Wald- oder Strandspaziergang. Und: Plastik-Scout werden (s.u.)! Das alles sind kleine Schritte, die Aufgabe ist ein Marathon. Plastik, das jeder von uns in der Tasche hat: Krankenkassen-, Kunden-, EC- und Kreditkarten. Mehr als 130 Millionen davon sind Schätzungen zufolge alleine in Deutschland im Umlauf. Ein riesen Müllberg! Doch die ersten Banken denken um: Die Triodos Bank bietet die weltweit erste Kreditkarte aus recycelbarem Biokunststoff an - und unterstützt die Arbeit von Pro Wildlife: Pro "GrünCardPlus MasterCard" für einen neuen Kunden spendet Triodos an das Wal- und Delfinschutzprojekt von Pro Wildlife. Mehr Informationen Plastik-Scout werden Plastikwahn an der Frischetheke. » Plastik-Scout werden Schutz für die Antarktis © NOAA Das fragile Ökosystem der Antarktis steht wegen seines Arten- und Rohstoffreichtums im Visier der internationalen Industrie. Neue Schutzgebiete für Robben, Wale und Meeresvögel. » Schutz für die Antarktis Lebensraum erhalten Wildtiere haben auf Dauer nur eine Überlebenschance, wenn ihr Lebensraum erhalten bleibt. Als Verbraucher haben wir die Macht und die Verantwortung, gegenzusteuern. » Raum für Wildtiere Studie der Ellen Mac Arthur Foundation Die Zukunft für Plastik überdenken. » Studie der Ellen Mac Arthur Foundation
1. August 2017 Massenware Wildtier auf Tierbörsen. Seit achtzehn Jahren gibt es Pro Wildlife – und seit Anbeginn kämpfen wir gegen eklatante Missstände auf Tierbörsen: Da werden Chamäleons und Sugarglider in winzige Plastikboxen gestopft, in denen sie sich kaum aufrecht halten, geschweige denn sich artgerecht bewegen können. Da werden Wildfänge angeboten, die verletzt, abgemagert oder panisch sind. Da werden seltene Echsen präsentiert, von denen so manche illegal in ihrem Heimatland eingefangen und außer Landes geschmuggelt wurden. Hunderte größere Tierbörsen gibt es allein in Deutschland – verkauft wird alles: vom Guppy bis zur Giftschlange. Besonders eklatant sind die Probleme auf überregionalen Wildtierbörsen, bei denen Händler und Käufer aus ganz Europa anreisen – wie beispielsweise die Reptilienbörse Terraristika, die vier Mal jährlich in Hamm (Nordrhein-Westfalen) stattfindet. Der Andrang auf solchen Veranstaltungen ist riesig, seltene oder geschützte Tiere wechseln im Minutentakt den Besitzer. Kommerz statt Tierschutz Auch gewerbliche Händler sind auf solchen Börsen zahlreich vertreten: Viele tingeln von Börse zu Börse, so dass die Tiere für Tage oder Wochen in den winzigen Verkaufsbehältnissen ausharren müssen. Solche Händler bieten ein Riesensortiment an bunten, teils seltenen Arten an – ein Großteil aus der Wildnis frisch auf den Tisch. Spontankäufe sind keine Seltenheit, die fachliche Beratung für den künftigen Halter bleibt auf der Strecke. So beobachten wir immer wieder bizarre Situationen, z.B. wenn die stolze Neubesitzerin nachfragen muss, was sie denn da gerade gekauft hat (im konkreten Fall ein Quastenstachler, ein nachtaktives Stachelschwein aus Asien), dem Interessenten eines Pantherchamäleons als Beratung mitgegeben wird, „das hält was aus, das kriegste nicht tot“, der Verkäufer als Haltungstipps für Flughunde ernsthaft die Gardinenstange im Wohnzimmer empfiehlt; gegen Ende der Börse die lebenden Ladenhüter auf der Resterampe verschleudert werden: „Nimm zwei – zahl eins”. Wildtiere als Wegwerfware Der Boom der Wildtierbörsen und die damit verknüpfte Verfügbarkeit von hunderten oder gar tausenden Arten für jedermann haben ernsthafte Konsequenzen: Viele Tiere werden unüberlegt angeschafft, viele exotische Arten sind Klima- oder Nahrungsspezialisten. Käufer unterschätzen, wie groß die Tiere werden, wie wehrhaft, wie speziell das benötigte Futter – und dass gerade Terrarien die Stromrechnungen in ungeahnte Höhen treiben. Die Folge: Immer häufiger werden exotische Haustiere ausgesetzt oder aus schlechter Haltung beschlagnahmt. Tierheime und Auffangstationen klagen, dass die Schwemme exotischer Schützlinge längst ihre ohnehin begrenzten personellen, räumlichen und finanziellen Ressourcen sprengt. Bereits im Koalitionsvertrag nach der Bundestagswahl 2013 hatten Union und SPD vereinbart, gewerbliche Börsen für exotische Tiere zu verbieten – geschehen ist: NICHTS. Das Verramschen von Wildtieren an jedermann geht damit ungehindert weiter. Doch das Bündnis derer, die ein Tierbörsenverbot fordern, wächst: Tierheime und Auffangstationen, Tierschutzverbände wie Pro Wildlife, aber auch die Bundestierärztekammer, der Zentralverband der Zoologischen Fachbetriebe und sogar der BNA, ein Tierhalter-Dachverband sind sich hier einig. Die Politik muss den Wildwuchs im Wildtierhandel endlich deckeln. Weitere Informationen Totenkopfäffchen Exotische Haustiere sind beliebt wie nie zuvor. Schon für 1.000 Euro kann man im Internet ein Löwenbaby kaufen. Im Wildtierhandel gibt es einen unglaublichen Wildwuchs. » Exotische Haustiere Chamäleon Reptilienschmuggel ist ein einträgliches Geschäft. Viele Tiere sind in ihrer Heimat geschützt, aber in der EU vogelfrei. Eine Gesetzeslücke macht es möglich. » Hintergrund: Reptilienschmuggel Schlange auf einer Börse 16 Tier-, Natur- und Artenschutzverbände fordern strengere Regeln für den Handel mit Wildtieren. » Verbändeforderung
1. August 2017 Imagewandel: Vom Menschenfresser zum bedrohten Hai. Kaum eine Tiergruppe hat in den vergangenen 15 Jahren einen solchen Imagewandel erlebt wie die Haie. Lange als Bestie verschrien – dank Horrorfilmen wie „Der weiße Hai“ oder „Shakka – Die Bestie aus der Tiefe“ – haben sie inzwischen eine große Fangemeinde, die sich aktiv und mit zunehmendem Erfolg für ihren Schutz einsetzt. Denn längst ist klar geworden, dass ihnen das Menschenfresser-Image nicht gerecht wird: Durchschnittlich zehn Menschen kommen jährlich weltweit durch Haie um – die meisten von ihnen Surfer, Bodyboarder oder Taucher. Möglicherweise werden sie von den Haien mit Robben verwechselt, die durchaus auf ihrem Speiseplan stehen. Oder die Menschen provozieren mit ihren Bewegungen unbeabsichtigt die Haie in deren Revier. Haie sind Gesundheitspolizei und Riffretter Ohne die angeblichen Killermaschinen würden ganze Ökosysteme nicht funktionieren: Haie sind äußerst erfolgreiche Jäger. Kranke und verletzte Tiere sind ihnen eine besonders leichte Beute, wodurch Haie helfen, den Fischbestand gesund zu halten. Durch das Fressen größerer Fische helfen Hammerhai & Co. auch, das biologische Gleichgewicht in Riffen und anderen Meereszonen zu erhalten. Wo Haie fehlen – das haben aktuelle Studien gezeigt – können sich dominante Fische wie Zackenbarsche unkontrolliert vermehren. Zur Beute der Zackenbarsche gehören aber kleine Algen-fressende Fische, die verhindern, dass Riffe überwuchert und ihnen Licht geraubt wird, das die Korallen-Polypen zum Wachstum unbedingt brauchen. Zu wenig Haie, zu viele Zackenbarsche, zu viele Algen, erstickte Korallen: eine tödliche Kettenreaktion. Fischerei ist die größte Gefahr Bereits vor 400 Millionen Jahren schwammen die ersten haiähnlichen Fische durch die Weltmeere. Eine Erfolgsstory, denn zumindest die großen Haie haben keine natürlichen Feinde, sie stehen als Top-Predatoren am Ende der Nahrungskette. Wenn da nicht der Mensch wäre, der sie rücksichtslos befischt und immer mehr Arten an den Rand der Ausrottung bringt. Natürlich denkt man dabei zuerst an die Fischerei für die asiatische Haiflossensuppe – alleine dafür sterben jährlich mehr als 70 Millionen Haie. Auch wenn das „Finning“ – das Abtrennen der Flossen (teils gar am noch lebenden Tier) und das Entsorgen des Haikörpers – in der EU seit 2013 verboten ist, gehören einige EU-Länder noch immer zu den Größen im Flossengeschäft, darunter vor allem Spanien und Portugal. Doch auch für den hiesigen Markt werden Haie erbarmungslos verfolgt: Wer weiß schon, dass er an der Fischtheke mit Schillerlocke (vom Dornhai), Speckfisch (geräucherter Grauhai) oder Kalbsfisch (vom Heringshai) Hai kauft? Als Nebenprodukte der Fischerei landen Haiknorpel und -Öl auch in Antifaltencremes und Nahrungsergänzungsmitten. Viele Haie werden auch aus reinem „Spaß“ getötet: 15 Arten sind in der Sportfischerei besonders beliebt – darunter Bullenhai, weißer Hai, großer Hammerhai oder gar Grönlandhai. Einige dieser Arten sind bereits stark bedroht. Was nur wollen sich Menschen mit diesem blutigen Hobby beweisen? Für Tierfreunde und Artenschützer ist dies ebenso inakzeptabel wie die Trophäenjagd an Land auf Löwe, Elefant oder Eisbär. Haischutz durch Großaquarien oder durch politische Arbeit? In Pfungstadt soll das Shark City entstehen – ein kommerzielles Riesenaquarium, das „Europas größte Haie“ zeigen will. Betreiber sind zwei Herren, die bislang Zierfische für Meeresaquarien verkauft haben und nun mit Aufklärungsarbeit im Shark City bedrohte Haie retten wollen. Doch kann ein kommerzielles Großaquarium hierzulande, das zudem 15 Prozent seines geplanten Hai-Bestandes aus Wildfängen decken will, glaubhaft etwas gegen die Überfischung der Haie tun? Studien aus Zoos zeigen, dass die meisten Menschen kommen, um einen unterhaltsamen Familienausflug zu machen, das Bildungsangebot – sofern vorhanden – wird hingegen kaum wahrgenommen. Vielleicht würde es Shark City ja sogar gelingen, ein paar Besucher davon zu überzeugen, keine Schillerlocke mehr zu konsumieren. Doch braucht es dafür wirklich ein Großaquarium? Aufklärung heutzutage geht so viel einfacher und erreicht so viel mehr Menschen, wenn sie über Social Media-Kampagnen und gute TV-Dokumentationen à la BBC läuft. Pro Wildlife setzt auf diese Form der Aufklärung – und geht die Ursache der Haigefahren direkt an: Die Bedrohung der Haie zu dokumentieren, mit Fischerei-Nationen zu verhandeln, politische Verbündete zu suchen und weltweite Handelsbeschränkungen oder gar -verbote durchzusetzen – das ist der Weg, den wir für sinnvoller erachtet, als Haie für den Wochenendausflug in Glastanks zu präsentieren. Mehr Informationen Schillerlocken©HZidowitz Haiprodukte wie die Schillerlocke landet auch auf deutschen Tellern. » Appetit auf Hai – der Jäger auf dem Teller Schwarzspitzenriffhai Haie ins Meer, nicht in Glastanks – unter diesem Motto leisten wir Widerstand gegen ein geplantes Hai-Aquarium in Hessen. » Widerstand gegen Shark City